Unklar bleibt, ob die Insassen angeschnallt waren. Von den 13 Todesopfern sind bislang sieben identifiziert, darunter ein 13-jähriges Mädchen.

Potsdam. Nach dem schweren Unglück eines polnischen Reisebusses am Schönefelder Kreuz hofft die Polizei, bis Dienstag alle 13 Todesopfer identifizieren zu können . „Sollte das nicht funktionieren, werden wir höchstwahrscheinlich mit dem genetischen Fingerabdruck arbeiten müssen“, sagte ein Polizeisprecher am Montag in Königs Wusterhausen. „Einige sind so schwer verletzt, dass sich eine Identifizierung schwierig gestaltet.“

Bis Montagabend waren erst sieben Tote – darunter ein 13-jähriges Mädchen – identifiziert. Die Namen von weiteren drei Männern und drei Frauen fehlten noch. Der Sprecher wies darauf hin, dass man auch noch nicht alle Namen der Verletzten kenne. Es gebe zwar eine Liste der Reisenden aus dem Bus. „Wir können aber nicht mit Sicherheit sagen, ob diese Personen auch wirklich drin saßen.“

Nach Angaben von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) können die notwendigen DNA- Untersuchungen 36 Stunden dauern. Am Montag trafen 120 Angehörige der polnischen Fahrgäste ein, um mehr über das Schicksal ihrer Verwandten zu erfahren. In dem Unglücksfahrzeug saßen Mitarbeiter des Forstamtes in Zlocieniec (Falkenburg) und ihre Familien. 38 Menschen wurden bei dem Unfall verletzt. Dem Polizeisprecher zufolge sind 7 Opfer sehr schwer verletzt worden – zum Teil auch lebensgefährlich . 21 Menschen erlitten leichte, 10 schwere Verletzungen. Sieben Polen konnten bereits die Kliniken verlassen.

Unter den Verletzten sind auch die 37 Jahre alte Pkw-Fahrerin, die möglicherweise den Unfall verursachte, und ein Beifahrer. Die Frau ist den Angaben zufolge bislang nicht vernehmungsfähig. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei hatte sie beim Wechsel von der A113 auf die A10 die Kontrolle über ihren Wagen verloren und den vorbeifahrenden Reisebus gerammt. Der Bus mit 49 Insassen war daraufhin aus der Spur geraten und gegen einen Brückenpfeiler gerast. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt wegen fahrlässiger Tötung. Der Polizeipräsident von Frankfurt (Oder), Arne Feuring, betonte, dies sei in solchen Fällen ein normaler Vorgang.

Das Busunglück löste in Polen eine Debatte über die Gurtpflicht aus. Denn es lagen auch am Montag keine offiziellen Angaben darüber vor, ob die Busreisenden angeschnallt waren oder ob der zwölf Jahre alte Bus überhaupt mit Sicherheitsgurten ausgestattet war. Polizeipräsident Feuring betonte, zu den Gurten werde vor Abschluss der technischen Untersuchungen nichts gesagt.

Einem Bericht des Nachrichtenmagazins „Brandenburg Aktuell“ gab es Gurte für die Fahrgäste. Detaillierte Filmaufnahmen aus dem Inneren des Unglücksbusses zeigen die Sicherheitsgurte an den Sitzen. Dem Fernsehbericht vom Montagabend zufolge handelt es sich um ein „modernes Gurtsystem“. „Die Bilder vom Katastrophenort lassen die Vermutung zu, dass nicht alle Insassen angeschnallt waren“, sagte der Sprecher der polnischen Feuerwehr, Pawel Fratczak, dem Fernsehsender TVPInfo.

Erst seit Oktober 2007 müssen alle in Polen neu zugelassenen Busse mit Sicherheitsgurten ausgestattet sein. Transportunternehmen, die ältere Modelle ohne Gurte besitzen, können sie freiwillig nachrüsten. Eine Pflicht bestehe aber nicht, sagte Marek Rupental von der Transportinspektion in Stettin (Szczecin) der Nachrichtenagentur dpa.

In der Woiwodschaft Westpommern, aus der die Opfer kamen, wurde für diesen Dienstag eine eintägige Trauer ausgerufen. Sie stellte nach eigenen Angaben 100000 Zloty (rund 25000 Euro) für die betroffenen Familien zur Verfügung. In Brandenburg wehten die Flaggen am Montag auf halbmast. Platzeck bedankte sich bei den Einsatzkräften. Auf der Autobahn am Schönfelder Kreuz seien zeitweise 300 Helfer im Einsatz gewesen, darunter 13 Notärzte. Sechs Rettungshubschrauber brachten Verletzte in Krankenhäuser. Die Opfer kamen in 16 Krankenhäuser in Berlin, Brandenburg und Sachsen.

Polens Botschafter in Deutschland, Marek Prawda, lobte die Versorgung der Verletzten. „Ich glaube, sie hatten von Anfang an das Gefühl, dass sie in besten Händen sind.“ Er ergänzte, dass es eines der bislang schlimmsten Busunglücke gewesen sei, das Polen zu verkraften gehabt habe. Vor einigen Jahren habe es einen schweren Busunfall in Frankreich mit 26 getöteten Polen gegeben. Nach der jüngsten Tragödie kümmerten sich zahlreiche Psychologen und Geistliche um die Angehörigen und Verletzten. Die Helfer hätten sich freiwillig gemeldet und seien aus Polen nach Brandenburg gereist.

„Wir arbeiten mit zwei katholischen Geistlichen zusammen“, sagte Klaus Scholz, Leiter der Notfallseelsorge des Landkreises Dahme-Spreewald, am Montag. Die polnischen Seelsorger seien mit den Angehörigen in die Krankenhäuser gereist, in denen die Verletzten versorgt werden.

Auch Seelsorger der Kliniken seien im Einsatz. „Wir versuchen Trost und Zuspruch zu spenden und auch ohne Worte Nähe zu zeigen“, sagte Scholz. Dabei kämen auch die ehrenamtlichen Seelsorger an ihre Grenzen. „Das Überbringen von Todesnachrichten oder die Identifizierung der Toten sind äußerst dramatische Momente“, schilderte er. Viele Angehörige stünden unter Schock.

Beim Einsatz am Unfallort am Sonntag hätten neben den verletzten Businsassen auch Rettungskräfte der Feuerwehr, Sanitäter und Notärzte Zuspruch und Seelsorge benötigt. „Uns allen bot sich der Anblick einer Katastrophe, doch wir haben funktioniert. Nach der dramatischen Rettung waren viele am Ende ihrer Kräfte“, sagte Scholz.

Wie er weiter informierte, werden am Dienstag die „Rettungskräfte bei einer Aufarbeitung und Nachbereitung der Erlebnisse von einem Nachsorgeteam professioneller Psychologen betreut“. Zum Teil seien die Einsatzkräfte – vor allem die Helfer der freiwilligen Feuerwehren – von den Ereignissen traumatisiert, sagte Scholz.