Unter den 13 bislang identifizierten Toten befindet sich auch ein 13-jähriges Mädchen. Eine Überlebende schildert den Hergang des Unfalls.

Rangsdorf/Königs Wusterhausen. Die schreckliche Ungewissheit quält viele Angehörige. Nach der Bus-Tragödie vom Sonntag sind 120 Menschen aus Polen nach Brandenburg gefahren, um etwas über das Schicksal ihrer Verwandten zu erfahren. Doch auch einen Tag nach dem furchtbaren Unfall bei Berlin mit 13 Toten wissen einige immer noch nicht, ob ihre Liebsten tot oder verletzt sind. „Einige sind so schwer verletzt, dass sich eine Identifizierung schwierig gestaltet“, sagte ein Polizeisprecher in Königs Wusterhausen am Montag. Bis zum Abend waren sieben Todesopfer identifiziert – darunter laut Polizei auch ein 13-jähriges Mädchen. In dem Unglücksbus saßen Mitarbeiter des Forstamtes in Zlocieniec (Falkenburg) und ihre Familien.

Ewa Tur gehört zu denjenigen, die das Unglück am Schönefelder Kreuz überlebten. Sie wird derzeit in einem Berliner Krankenhaus behandelt. Das, was sie und die weiteren 48 Insassen auf ihrer Heimfahrt von einer Urlaubsreise erlebt haben, schildert sie dem polnischen Fernsehsender TVN24. „Wir fuhren geradeaus auf der Autobahn, als plötzlich aus einem Parkplatz oder einer Einfahrt ein roter Pkw auf uns zukam und uns rammte“, erzählt sie. Ihr Busfahrer habe versucht auszuweichen. Er habe den Bus nach links gelenkt – und das Fahrzeug sei gegen den Brückenpfeiler gekracht. Die Frau ergänzt: „Es kam zum großen Knall, ich hörte Schreie der Menschen. Alle riefen nach Hilfe. Eine Frau, mit der ich mich angefreundet habe, bat mich, zu schauen, ob ihr Mann noch lebt.“

So ähnlich beschreibt auch die Polizei den Unfall. Ein weinrotes Auto wollte am Schönefelder Kreuz von der A113 auf die A10 auffahren. Die Frau am Steuer rammte den Bus, und der donnerte in die Brücke.

Aber warum geriet der rote Wagen aus der Spur? War die mutmaßliche Unfallverursacherin unaufmerksam oder müde? Spielte die regennasse Fahrbahn eine Rolle? Deutsche und polnische Ermittler versuchen gemeinsam, Licht ins Dunkel zu bringen. Die Brandenburger Landesregierung setzte eine Arbeitsgruppe ein, auch die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt – vorerst wegen fahrlässiger Tötung.

Die Frage, ob die Insassen des Busses angeschnallt waren, beschäftigt die Ermittler ebenso wie die Öffentlichkeit. Bisher gibt es widersprüchliche Angaben: „Die Bilder vom Katastrophenort lassen die Vermutung zu, dass nicht alle Insassen angeschnallt waren“, sagte ein Sprecher der polnischen Feuerwehr, Pawel Fratczak. Viele Menschen seien nach dem Aufprall durch die Fenster des Busses nach außen geschleudert worden. 38 Menschen wurden bei dem Unfall verletzt, 18 von ihnen schwer. Darunter ist auch die 37 Jahre alte Fahrerin des Autos, das möglicherweise die Tragödie verursachte.

Um die Toten trauern nicht nur die Angehörigen und Freunde, sondern auch offizielle Stellen.In der Woiwodschaft Westpommern, aus der die Opfer kamen, wurde für diesen Dienstag eintägige Trauer ausgerufen. In Brandenburg wehten die Flaggen am Montag auf halbmast. Und vor dem Forstamt in Zlocieniec brannten Kerzen.

Derweil kümmern sich deutsche und polnische Notfallseelsorger um Verletzte und Angehörige des Busunfalls. „Wir arbeiten mit zwei katholischen Geistlichen zusammen“, sagte Klaus Scholz, Leiter der Notfallseelsorge des Landkreises Dahme-Spreewald, am Montag. Die polnischen Seelsorger seien mit den Angehörigen in die Krankenhäuser gereist, in denen die Verletzten versorgt werden.

Auch Seelsorger der Kliniken seien im Einsatz. „Wir versuchen Trost und Zuspruch zu spenden und auch ohne Worte Nähe zu zeigen“, sagte Scholz. Dabei kämen auch die ehrenamtlichen Seelsorger an ihre Grenzen. „Das Überbringen von Todesnachrichten oder die Identifizierung der Toten sind äußerst dramatische Momente“, schilderte er. Viele Angehörige stünden unter Schock.

Beim Einsatz am Unfallort am Sonntag hätten neben den verletzten Businsassen auch Rettungskräfte der Feuerwehr, Sanitäter und Notärzte Zuspruch und Seelsorge benötigt. „Uns allen bot sich der Anblick einer Katastrophe, doch wir haben funktioniert. Nach der dramatischen Rettung waren viele am Ende ihrer Kräfte“, sagte Scholz.

Wie er weiter informierte, werden am Dienstag die „Rettungskräfte bei einer Aufarbeitung und Nachbereitung der Erlebnisse von einem Nachsorgeteam professioneller Psychologen betreut“. Zum Teil seien die Einsatzkräfte – vor allem die Helfer der freiwilligen Feuerwehren – von den Ereignissen traumatisiert, sagte Scholz.