Die USA bereiten sich auf eine der schwersten Umweltkatastrophen des Landes vor. US-Präsident Obama will sich persönlich einen Eindruck verschaffen.

Venice/Washington. Während sich der Ölteppich auf dem Golf von Mexiko dramatisch ausdehnt, will US-Präsident Barack Obama in den betroffenen Regionen Flagge zeigen. Knapp zwei Wochen nach der Explosion der Bohrplattform „Deepwater Horizon“ hatte er für Sonntagabend (MESZ) einen Besuch in der Krisenregion angekündigt.

Er wollte sich dort persönlich ein Bild vom Ausmaß der Umweltkatastrophe machen und sichergehen, dass alles Menschenmögliche zur Bekämpfung getan wird, hieß es vor dem Abflug des Präsidenten, der gegen 20 Uhr MESZ an der Küste erwartet wurde. Zuvor war Kritik laut geworden, die US-Regierung habe nicht schnell und entschlossengenug auf die drohende Ölpest an weiten Küstenabschnitten reagiert.

Betroffen sind vier US-Bundesstaaten: Florida, Louisiana, Alabama und Mississippi. Überall wurde der Notstand ausgerufen. Als Vorboten der Verschmutzung der Küste mussten Helfer bereits viele hunderte Meeresvögel mit schwarzgeteertem Gefieder aus dem Wasser bergen.

Nach Erkenntnissen von Forschern verdreifachte sich die Ausdehnung des Ölteppichs binnen weniger Tage. Das Wetter spielt weiter nicht mit: Heftige Winde legten am Sonnabend die verzweifelten Versuche, den Ölfilm in Schach zu halten, weitgehend lahm. Erst im Laufe der Woche, so Meteorologen am Sonntag, wird eine deutliche Verbesserung erwartet. Und der britische Ölkonzern BP, der die Ölplattform geleast hatte, ist nach wie vor weit davon entfernt, das Übel bei den Wurzeln zu packen, das heißt, den täglich neuen massiven Austritt von Öl ins Wasser zu stoppen.

Damit grassiert an der Golfküste immer stärker die Angst vor einer Katastrophe mit schweren wirtschaftlichen Folgen. Nicht nur, dass die Golfküste Amerikas reichste Ausbeute an Shrimps und Austern bietet: Viele Menschen in den bedrohten Anliegerstaaten von Texas bis Florida leben vom Tourismus. Die Hoffnungen konzentrierten sich darauf, dass Obama vor Ort feste Zusagen für rasche wirtschaftliche Hilfen macht.

Am Sonntag hatten sich weitere dünne Ausläufer des Ölteppichs in die Kanäle zwischen kleinen Inseln vor der Küste Louisianas geschlichen. Die Hauptgefahr geht aber von den schweren verklumpten Ölflecken aus, die noch Kilometer entfernt draußen auf dem Meer schwimmen. Satellitenbilder zeigten, dass sich der Ölteppich von einer Fläche von rund 3000 Quadratkilometer auf bis zu 9800 vergrößert habe, sagte der deutsche Professor für Meeresphysik an der Universität von Miami, Hans Gräber. Das entspricht in etwa der halben Fläche Hessens.

Der Chef der US-Küstenwache, Admiral Thad Allen, sagte, bis zum Montag werde voraussichtlich das erste Öl auch an den Küsten der Bundesstaaten Mississippi und Alabama eintreffen. Alles hänge jedoch von der Wetterlage und den Windrichtungen ab. Aus Louisiana habe es zunächst keine Berichte gegeben, dass an der dortigen Küste schweres Öl angelandet sei, sagte Allan, den Obama am Samstag zum Einsatzchef im Kampf gegen die Ölpest ernannt worden war.

Starke Winde und heftiger Seegang hatten am Samstag das Absaugen des Öls und das Auslegen von Barrieren auf dem Wasser behindert. Südliche Winde drückten das Öl weiter in Richtung Küste, und teilweise waren die Wellen so stark, dass sie über die schwimmenden Schutzwälle schwappten, die an mehreren Stellen auch durch den Druck des Wassers auseinandergerissen wurden. Umweltschützer befürchten mittlerweile ein noch schlimmeres Ausmaß als das der „Exxon-Valdez“-Katastrophe. Die Havarie des Tankers 1989 vor Alaska gilt als bisher größte Umweltkatastrophe in der US-Geschichte.

Grund für die massive Vergrößerung der Ölteppich-Fläche, die vom 26. bis 29. April beobachtet wurde, könnte laut Meeresphysiker Gräber sein, dass mehr Öl austritt als angenommen. Denkbare Ursache sei aber auch der inzwischen stärkere und drehende Wind. „Wenn der Wind wechselt, breitet sich der Ölteppich aus“, sagte der Direktor des Satellitenzentrums am Rosenstiel-Institut für Meeres- und Atmosphärenforschung der Universität in Miami (Florida).

Seit dem Versinken der Bohrinsel tritt Rohöl in 1500 Metern Tiefe aus mehreren Lecks aus. Tausende Helfer sind im Einsatz, 300 Schiffe und Flugzeuge stehen bereit. Nach Schätzungen der US-Behörden laufen täglich etwa 700 Tonnen Öl ins Meer. Wenn es weiter in diesen Mengen sprudelt, dauert es keine zwei Monate, bis das Ausmaß des „Exxon- Valdez“-Unglücks erreicht ist.