HSV-Profis und Anhänger feiern den 1:0-Heimsieg gegen Hannover und das Fünf-Punkte-Polster auf Rang 16. Nur Ex-Keeper Frank Rost meckert.

Hamburg. So richtig verstehen konnte Lana Westermann nicht, was all die Leute gestern Vormittag von ihrem Vater wollten. Mehr als 50 Fans, zehn Kamerateams und ein halbes Duzend Reporter umrundeten Papa Heiko auf dem Parkplatz, als der HSV-Kapitän gemeinsam mit seiner dreijährigen Tochter den Kabinentrakt des Stadions verließ. "Super, Heiko", "Danke, Heiko" und "Ganz toll gemacht", wurde Westermann von den Anhängern mit Lob überhäuft, während er sich die richtigen Worte zum Sonntag zurechtlegte. "Unser Sieg gegen Hannover war überlebenswichtig", sagte der Innenverteidiger, sprach von einer "großen Erleichterung", erfüllte noch geduldig sämtliche Autogrammwünsche und fuhr wenig später gemeinsam mit Lana im Familien-Smart davon.

+++ Vater und Son feiern Tor des Tages +++

Den Tag nach dem erlösenden Heimsieg gegen Hannover 96 nutzten Hamburgs Profis und Fans gleichermaßen zum kollektiven Durchatmen - besonders, nachdem der Vorsprung auf einen Relegationsplatz durch Kölns 0:3-Niederlage in Gladbach auf fünf Punkte angewachsen war. Dennis Aogo spürte "eine große Befriedigung", Marcell Jansen meinte, dass man dieses Erfolgserlebnis guten Gewissens bis Montag auskosten dürfte, und Trainer Thorsten Fink betonte, welchen Anteil "die tollen Fans", die vor dem Spiel gegen Hannover die aufwendigste Choreografie der Saison geboten hatten, an dem so lange herbeigesehnten Heimsieg hatten: "Das Team hat diese einmalige Unterstützung gebraucht. Besonders wegen seiner Fans ist der HSV auch so ein besonderer Bundesligaverein."

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Dass der letzte Satz Finks auch in der kommenden Saison seine Gültigkeit behalten kann, dafür sorgte Finks Mannschaft, getragen von den lautstarken Anhängern auf den Rängen. Mit einer beeindruckenden Vorstellung am Vortag, die in dieser Art und Weise wohl nur wenige dem HSV zugetraut hatten. "An diesem Tag", sagte Fink, machte eine Pause, und wiederholte die ersten drei Worte seines Satzes noch mal, "an diesem Tag habe ich gesehen, dass meine Mannschaft eben doch Abstiegskampf kann." Dabei galt es weniger die sehr ordentliche spielerische Leistung hervorzuheben, als viel mehr die überragende kämpferische Darbietung. "Die Mannschaft hat nach dem Spiel in Hoffenheim genau die Reaktion gezeigt, die ich von ihr gefordert hatte", sagte Fink, der mit seiner Entscheidung, mit Heung Min Son den Torschützen des Tages für den erkrankten Petric aufzubieten, genau richtig lag.

+++ Der HSV in der Einzelkritik: Westermann rammte alles weg +++

Tatsächlich darf der gelungene Auftritt gegen Hannover nur drei Tage nach dem 0:4-Debakel in Hoffenheim als weiterer Beweis dafür dienen, wie wenig berechenbar der HSV in dieser Saison ist. Die Hamburger, die zuvor vier Monate auf einen Heimsieg gewartet hatten, ließen dem müden Europa-League-Anwärter keine Torchance, glänzten selbst mit 14 Torschüssen, acht Ecken und einem Zweikampfplus von 55 Prozent. "Wir haben zwei verschiedene Gesichter", sagte Fink, "ich bin gespannt, welches Gesicht wir in Nürnberg zeigen."

Mehr als gespannt darauf ist auch der frühere HSV-Torhüter Frank Rost, der sich am Tag nach dem erlösenden Heimsieg seine ganz eigenen Gedanken zu seinem früheren Arbeitgeber machte. So kritisierte der ehemalige Keeper im Sport1-Doppelpass, dass die aktuelle Abstiegsgefahr des HSV lediglich eine Folge der Planlosigkeit der Verantwortlichen sei. "Die klare Linie fehlt mir beim HSV", sagte Rost, "Grundsätzlich glaube ich, dass man über Jahre keine Galionsfiguren in Hamburg installiert hat, die für Fußball stehen. Das hat man versäumt. Man hat eigentlich nur schwache Leute geholt. Schwache Leute holen schwache Leute." Die Folge dieser verfehlten Personalpolitik sei, dass die Leute mit dem HSV nur noch Mitleid hätten: "Das finde ich total schräg. Es kann nicht der Anspruch des HSV sein, dass alle Mitleid haben."

Eine Meinung, die bei den HSV-Aktiven auf wenig Verständnis stieß. "Ich finde Rosts Aussage ein bisschen gewagt", widersprach Linksverteidiger Aogo, "in unserer Situation kann man auch einen Heimsieg wie eine Meisterschaft feiern. Das hat aber nichts mit Mitleid zu tun, das ist pure Leidenschaft." Und genau diese Leidenschaft, so Aogo, müsse man nun auch am kommenden Sonnabend in Nürnberg zeigen, damit man dann tatsächlich Grund hätte, etwas Zählbares zu feiern. Es wäre zwar keine deutsche Meisterschaft, aber der So-gut-wie-perfekte-Klassenerhalt vor dem letzten Heimspiel gegen Mainz 05 (Sa., 28. April) und dem Abschluss der Bundesliga-Saison beim FC Augsburg (Sa., 5. Mai).

Lotto King Karl musste vor dem Anpfiff seine Hymne "Hamburg, meine Perle" ohne Carsten Pape singen. Nach einem Fahrradunfall musste der Gitarrist mit einer schweren Gesichtsverletzung ins Krankenhaus eingeliefert werden. Vertreten wurde Pape von Keyboarder Tom Aeschbacher, einem Bandmitglied der Barmbek Dream Boys.