Die Anhänger planen zum Spiel gegen Hannover eine außergewöhnliche Choreografie. Petric droht auszufallen, Son würde ihn wohl ersetzen.

Hamburg. "Wir sind die Nummer eins im Norden", sangen die Fans von Hannover 96 nach dem Sieg über den VfL Wolfsburg am Mittwoch ausgelassen, da sowohl der ungeliebte Konkurrent aus dem Osten Niedersachsens als auch Werder Bremen in der Tabelle überholt wurde. Der HSV spielt im norddeutschen Vierkampf schon länger keine Rolle mehr - und droht bei einer Niederlage an diesem Sonnabend gegen Hannover (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) wieder auf den Relegationsplatz abzurutschen.

Angesichts der dürftigen Darbietungen der HSV-Profis ist es erstaunlich, dass die eigenen Fans in ihrer Unterstützung den 96-Anhängern in nichts nachstehen. "Es war unglaublich, wie die Mitgereisten nach dem 0:4 in Hoffenheim hinter dem Team standen", sagte Sportchef Frank Arnesen. "Jetzt ist die Mannschaft gefragt, diese vorbildliche Unterstützung mit Leidenschaft zurückzuzahlen." Für die Begegnung gegen Hannover ist nun sogar eine Choreografie geplant, die das ganze Stadion einnimmt und in eine schwarz-weiß-blaue Welt verwandeln soll. "So etwas hat es seit Jahren nicht mehr gegeben", sagt die Fanbeauftragte Nicole Fister. Unter dem Motto "Wir für euch - ihr für uns" ruft der Verein seine Zuschauer auf, schon um 8.30 Uhr am Stadion zu erscheinen, um bei der Vorbereitung zu helfen.

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Sogar vonseiten der Gästefans ist ein Akt der Freundschaft geplant. Vor zwei Jahren, als Hannover um den Abstieg kämpfte und die Hamburger um internationale Ehren, zeigten die HSV-Fans ihre Solidarität mit den Anhängern der 96er und dem kurz vorher verstorbenen Torwart Robert Enke durch Banner und gemeinsame Fangesänge. "An diese Gesten kann ich mich noch gut erinnern", sagte Hannovers Fanbeauftragter Frank Watermann, der nun seinerseits eine gemeinsame Choreografie mit einer Fangruppierung des HSV plant. Das gute Verhältnis beider Vereine basiert auf der "Nordallianz", einer Fanfreundschaft, die auch Arminia Bielefeld einschließt. Seit Mitte der 90er wird diese Achse durch den Großteil der Fanszene getragen, in den letzten Jahren ist die Zuneigung allerdings ein wenig eingeschlafen.

Auch der frühere HSV-Spieler Sergej Barbarez, der die Heimspiele regelmäßig besucht, ist in dieser Saison begeistert vom Zuspruch auf den Rängen. "Das war zu meiner Zeit nicht immer so, obwohl wir erfolgreicher gespielt haben." Weniger begeistert ist der Bosnier von der aktuellen Mannschaft. "Meine Hoffnung beruht einfach darauf, dass es drei Mannschaften gibt, die noch schlechter sind als der HSV."

Sportlich hinkt der HSV dem heutigen Gegner nun schon seit zwei Spielzeiten hinterher. Zuvor waren die Niedersachsen allerdings in einer ähnlich verzwickten Situation wie der HSV heute: Mit einem Minus von sechs Millionen Euro schlossen die 96er die Saison 2009/10 auf Platz 15 ab, Vereinschef Martin Kind verordnete einen strikten Sparkurs. Manager Jörg Schmadtke musste nach billigen Talenten fahnden, fand unter anderem Didier Ya Konan und Mohammed Abdellaoue in Norwegen, die sich im Nachhinein als Top-Einkäufe präsentierten. Auch der HSV suchte in Geldnot vor der Saison in Norwegen und fand Per Cilian Skjelbred - der kam bisher auf vier Einsätze in der Startelf. Dennoch dient Hannover als mutmachendes Beispiel, dass sich die Vorzeichen auch ganz schnell wieder ändern können.

Aktuell spricht jedoch nur wenig dafür. Zum einen hat keine Mannschaft der Bundesliga weniger Heimsiege eingefahren als der HSV (zwei), zum anderen hat der einst "kleine Nachbar" aus der niedersächsischen Landeshauptstadt in den vergangenen acht Jahren nur einmal in Hamburg verloren. Und nun droht auch noch Angreifer Mladen Petric, der in Hoffenheim extra geschont wurde, mit einem Infekt auszufallen. Das Abschlusstraining verpasste der Kroate. Für ihn würde wohl Heung Min Son auflaufen, da Konkurrent Tolgay Arslan seine Chance in Hoffenheim nicht nutzen konnte.

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Doch es gibt auch Hoffnung für den "großen" HSV. Der kleine Namensvetter steht am Ende einer kräftezehrenden Saison, die Spieler sind müde. Satte 46 Pflichtspiele haben die Hannoveraner in dieser Saison bereits absolviert, der Einzug ins Viertelfinale der Europa League hat viel Kraft gekostet. "Wir haben den Urlaub ganz klar vor Augen", gibt Jan Schlaudraff zu. Zudem fällt Torjäger Mame Diouf, der für Hannover in 15 Pflichtspielen zehn Tore erzielt hat, mit einem Teilabriss der Syndesmose und einem Abriss des Außenbandes im linken Sprunggelenk aus. Auch der Einsatz von Torjäger Abdellaoue (Innenbandzerrung) und Mittelfeldspieler Lars Stindl (Adduktoren) ist ausgeschlossen. Trotzdem geht Trainer Mirko Slomka optimistisch in die Partie: "Der HSV war gegen Hoffenheim nicht so schlecht. Sie haben aber Fehler gemacht, wie man sie in dieser Situation einfach macht. Wir müssen sie wieder zu diesen Fehlern zwingen und sie dann nutzen", sagte der Gästecoach, dessen konterstarke Mannschaft für dieses Vorhaben gegen die defensiv anfälligen Hamburger prädestiniert ist.

So wird es wohl noch ein wenig dauern, bis die Fans beider Teams mal wieder gemeinsam ausgelassen feiern und ihr Lieblingslied anstimmen können: "Ob schwarz weiß grün, ob schwarz weiß blau, ihr zittert vor dem HSV."

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