Der HSV wäre auch bei einem Klassenerhalt in der Bundesliga nicht alle Sorgen los

Gäbe es eine Fußball-Bundesligatabelle, die die Punkteausbeute eines Vereins in Relation zu den Investitionen eines Vereins setzt, stünde ganz sicher der SC Freiburg auf Rang eins. Die Badener schicken sich an, mit einer ganzen Meute an unbekannten Spielern aus der eigenen Jugend den Klassenerhalt zu schaffen. Der HSV hingegen würde bei einem Gehaltsetat von 40 Millionen Euro in diesem Ranking den letzten Platz belegen. Weit abgeschlagen.

Zugegeben: Die Verantwortlichen des HSV haben nie verhehlt, dass sie nach dem Abgang von Führungsspielern wie Frank Rost oder Zé Roberto eine schwierige Saison voller Rückschläge erwarten. Vom Ziel Europa League war - anders als in den Vorjahren - deshalb keine Rede. Stattdessen standen Namen wie Bruma, Mancienne, Töre, Sala, Skjelbred und Rajkovic für den längst notwendigen Umbruch, einen Kurs der Gesundschrumpfung nach Jahren des Wachstums. Die Hamburger Fans haben diese neue Realität akzeptiert und trotz teilweise inakzeptabler Darbietungen, besonders im heimischen Stadion, Geduld bewiesen wie wohl noch nie.

Heute taumelt der HSV wieder auf den Abgrund zu. Längst wissen wir, dass die schlimmsten Pessimisten mit ihren Befürchtungen recht hatten. Wer geglaubt hatte, der HSV würde sich gerade noch zeitig genug aus den Klauen des Abstiegskampfs befreien können, muss nach dem desaströsen 0:4 gegen Hoffenheim eingestehen, dass die Rettungsaktion wohl bis zum letzten Spieltag dauern wird. Wenn sie denn gelingt. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass immer diejenigen Mannschaften den Klassenerhalt schafften, die in der Schlussphase die besten Nerven hatten, sich also mental stabil präsentierten. Wer die Einschätzungen von Trainer Thorsten Fink und Manager Frank Arnesen nach der Pleite in Hoffenheim bezüglich der Mannschaft vernahm, muss ernsthaft bezweifeln, ob der HSV in dieser Disziplin bestehen kann.

Die erschütterndste Erkenntnis in dieser Saison ist jedoch das Fehlen jeglichen Fortschritts. Wer junge Spieler in sein Team einbaut, erkauft sich Zeit, jedoch verbunden mit der Auflage, dass nach einer gewissen Eingewöhnungsphase nicht nur das Potenzial dieser Spieler zu erkennen ist, sondern auch eine positive Entwicklung. Was im Übrigen nicht nur für individuelle Leistungen gilt, sondern auch für den mannschaftlichen Verbund, für taktisches Verhalten. Doch gebessert hat sich nichts. Gar nichts. Was übrigens auch für die Abteilung der erfahrenen Spieler gilt. So zeichnet sich für den Betrachter ein Dreieck des Misserfolgs: mit den Spielern, die die Vorgaben nicht erfüllen; mit dem Trainer, der die Verantwortung dafür trägt, die Profis zu besseren Fußballern zu machen; und dem Sportchef, der mit seiner Kadergestaltung keine glückliche Hand bewies.

Zu glauben, es würde alles besser, wenn der HSV nur irgendwie diese Saison in der Ersten Liga übersteht und seinen Nichtabstiegs-Nimbus behält, wäre deshalb naiv. Da der Klub ohne fremde Finanzspritzen kaum Spielraum für Neuverpflichtungen hat, müssen die Hamburger auch für die Saison 2012/13 als ein Abstiegskandidat eingestuft werden. Die HSV-Verantwortlichen stehen im Sommer vor den Ruinen des gescheiterten Umbruchs und müssen ganz von vorne anfangen: mit einem Neubau. Hoffentlich haben sie einen guten Plan.