Nicht weniger als der EM-Titel muss es für die DFB-Auswahl diesmal sein. Am Mittag hat am Spielort Lwiw der finale Countdown begonnen.

Danzig. Mit dem Flugzeug quer über Polen hinweg und der Ankunft im ukrainischen Spielort Lwiw hat bei der deutschen Nationalmannschaft der finale Countdown begonnen. Der lange Anlauf auf die Europameisterschaft neigte sich mit einer früheren Ankunft am Freitagmittag, 25 Minuten eher als geplant, dem Ende entgegen, endlich wird der Startschuss zur Mission „Titelgewinn“ erfolgen. „Wir sind voller Vorfreude, wir spüren Anspannung, die Nervosität wächst bei den Spielern, aber das ist auch gut so“, sagte Bundestrainer Joachim Löw.

Mit dem Duell gegen Portugal in Lwiw an diesem Sonnabend (20.45 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) schlägt die Stunde Null. Die elf deutschen Nationalspieler werden sich auf dem Spielfeld kurz vor dem Anpfiff zu einem Kreis zusammenfinden, die Arme über ihre Schultern verschränken, die Köpfe nach vorne neigen und ihren Schlachtruf brüllen: „Wir sind ein Team.“

Deutsche Mannschaft im Spielort Lwiw eingetroffen

Bundeskanzlerin Angela Merkel kam am Mittwoch im Quartier „Dwor Oliwski“ in Danzig vorbei und gab – wie Philipp Lahm berichtete – als Ratschlag gegen den großen Erwartungsdruck, „wie zuletzt mit Gelassenheit und Freude ins Turnier“ zu gehen. „Wir sind bereit, die Republik glaubt an uns“, sagte der Kapitän Lahm. „Wir haben zwei dritte Plätze bei der WM und einen zweiten Platz bei der EM geholt. Das heißt nicht, dass man den Titel diesmal automatisch gewinnt“, sagte Lahm.

Zwei Jahre Vorbereitung auf die EM sind abgeschlossen, mit zehn Siegen in zehn Spielen wurde die beste Qualifikation in der Geschichte des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) gemeistert, Bundestrainer Joachim Löw hat das Team im Vergleich zur WM 2010 weiter verjüngt und neun Turnier-Neulinge berufen. „Natürlich wollen wir gewinnen, aber erst einmal müssen wir kleine Brötchen backen und mit einem Sieg gut in die EM kommen“, sagte Torwart Manuel Neuer. Alles wird auf Null gestellt mit der Partie gegen die Portugiesen, die wegen ihrer technischen Fertigkeiten als die „Brasilianer Europas“ gelten.

Özil und Ronaldo: Freunde fürs Leben, Gegner für 90 Minuten

Es zählt nicht mehr, dass der DFB wegen seiner insgesamt sechs Welt- und Europameistertitel der erfolgreichste Verband Europas ist. „Wir haben uns seit 2010 weiter entwickelt, aber die Eingespieltheit muss sich erst wieder zeigen. Man kennt sich, das ist nicht alles in Vergessenheit geraten“, sagte Per Mertesacker nach den insgesamt recht enttäuschenden Testspielen gegen die Schweiz (3:5) und Israel (2:0). Auch Löw hat diesmal erfahren müssen, dass eine Auswahlmannschaft wirklich viel schwieriger auf eine Linie zu trimmen ist als ein Vereinsteam, das über Monate täglich miteinander trainiert.

Aber gerade als Team muss sich die deutsche Mannschaft beweisen, fordert Löw. Im Brennpunkt steht beim Gegner Cristiano Ronaldo, der zweifellos einer der weltbesten Stürmer ist. Besonders seine unglaublich hart und zugleich voller Effet geschossenen Freistöße sind brandgefährlich. Deswegen wurde eine Freistoß-Warnung ausgerufen. Fouls in Tornähe sind untersagt. Und das Rezept, falls es dennoch soweit kommt, nannte Löw-Assistent Hansi Flick. „Stahlhelm auf und groß machen.“ Es war ein typischer Fußballer-Spruch, martialisch und militaristisch im Ton, aber unbedarft und ohne Hintergedanken ausgesprochen. Er wurde Flick aber vorgehalten, weil er wegen der furchtbaren deutschen Vergangenheit in Lwiw, dem früheren Lemberg, politisch inkorrekt war. „Wir sind in einer Gruppe, von der man sagt, dass sie Todesgruppe ist, weil sie die schwerste ist“, sagte Flick zudem auf der Pressekonferenz am Freitag vor dem Abflug mit Blick auf die Gruppe B und den weiteren Gruppengegnern Niederlande (Mittwoch) und Dänemark (Sonntag, 17. Juni).

Einer für alle, alle gegen Portugals Cristiano Ronaldo

Etwa zehn Stunden vor dem Spiel wird die deutsche Mannschaft ihr Quartier in Lwiw zum „Anschwitzen“ verlassen, dem Morgentraining vor einem Spiel. Vorher werden die Kollegen Miroslav Klose ein Ständchen zum 34. Geburtstag gesungen haben. „Er hat gezeigt, dass er auf einem guten Weg ist und bereit für einen Einsatz“, kündigte Flick an, dass Klose als Stürmer vorgesehen ist. Neuer wird im Tor stehen, im Mittelfeld gelten Bastian Schweinsteiger, Sami Khedira, Thomas Müller, Mesut Özil und Lukas Podolski als gesetzt. Die Vierer-Abwehr wird Per Mertesacker wohl zusammen mit Jerome Boateng, Holger Badstuber und Lahm bilden, auch wenn nach seinem Zusammenprall mit Boateng beim Training zunächst ernsthafte Sorgen über seinen Einsatz aufkamen. Aber die elf Auserwählten werden es selbst erst spät erfahren, am Mittag vor dem Spiel, im Besprechungsraum des Hotel Dnister in Lwiw. Wenn die Mannschaft dort in einer Woche wieder ist, vor dem Spiel gegen die Dänen, soll schon das Viertelfinale fix sein. (dapd/HA)