Gegen die Hannover Scorpions werden die Hamburger für ihre Einstellung belohnt. Spielerisch enttäuscht das Richer-Team weiterhin.

Hamburg. Wie nah Wut und Freude im Sport bisweilen beieinander liegen, war am Sonntagnachmittag in der O2 World zu besichtigen. Wer sah, wie die rund 6300 Fans der Hamburg Freezers unter den 6966 Besuchern den 3:2 (1:0, 0:1, 1:1, 1:0)-Sieg nach Verlängerung gegen den Nordrivalen Hannover Scorpions feierten, der hätte glauben mögen, dass das Team von Stéphane Richer in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) mit dem Tabellenführer und aktuellen Meister aus Niedersachsen den Platz getauscht hatte. Eine Minute vor Ende der regulären Spielzeit waren von Teilen der Fans noch Schmähgesänge in Richtung Trainer und Mannschaft ("Richer raus!", "Wir ham die Schnauze voll!") gebrüllt worden.

Dass sich die Unmutsäußerungen nicht zum Flächenbrand am ersten Advent ausweiteten, war einzig der Tatsache geschuldet, dass sich die Hamburger bis zuletzt gegen die drohende Niederlage stemmten und dafür mit zwei glücklichen Toren von Jerome Flaake 48 Sekunden vor und Michel Ouellet nach 89 Sekunden in der Verlängerung belohnt wurden. "Solche Siege sind es, die einen Wendepunkt in einer Saison markieren können", sagte Patrick Traverse. Der Verteidiger, der nicht nur wegen seines Traumtores zur 1:0-Führung der beste Hamburger auf dem Eis gewesen war, gab damit der Hoffnung Ausdruck, an die sich im Umfeld der "Eisschränke" viele klammern. Nach mittlerweile zwölf Spielen ohne dreifachen Punktgewinn steht das auf dem vorletzten Tabellenplatz rangierende Team vehement unter Druck, was man am Auftritt gegen die gestern keinesfalls starken Skorpione ablesen konnte.

Von Richers Ansage, seine im Sommer auf 19 Positionen veränderte Auswahl offensives, attraktives Eishockey spielen zu lassen, ist nichts mehr übrig geblieben. Die Freezers haben die schwächste Offensive der Liga, was vor allem daran liegt, dass die jungen deutschen Spieler bislang weit hinter den Erwartungen zurückblieben und der als Topstürmer verpflichtete Ouellet mit fünf Punkten - drei Tore, zwei Assists - die größte Enttäuschung der Saison ist. Zwar absolvierte der Frankokanadier wegen mehrerer Verletzungen erst zehn Spiele, dennoch konnte er bislang nicht einmal andeuten, warum Richer ihn unbedingt verpflichten wollte. Dass ausgerechnet er und Flaake gegen Hannover für die Wende sorgten, entbehrte nicht einer gewissen Ironie.

Bezeichnend für den Gemütszustand vieler Spieler war eine Szene in der 41. Minute, als Thomas Holzmann zu einem Penalty mit einer Geschwindigkeit anlief, dass ihn sogar das Kind überholt hätte, das vor Spielbeginn den Puck aufs Eis brachte, und ihn mit ebensolchem Elan Hannovers Keeper Lukas Steinhauer gegen die Schoner schoss. Es fehlt momentan nicht nur am Vertrauen in die eigene Stärke, sondern auch an Raffinesse und mentaler Stabilität. "Man merkt, dass die Jungs nervös sind und die Sturmflaute zu einem Kopfproblem geworden ist", sagte Richer, der mit dem kompletten Durchwürfeln der Sturmreihen auch nicht gerade zur Beruhigung beigetragen hatte.

Immerhin hat der Trainer erkannt, dass in der jetzigen Phase ein Festhalten am ursprünglich geplanten System keinerlei Sinn hätte. Deshalb ist eine kompakte Defensive Trumpf, um dann mit gezielten Kontern zum Erfolg zu kommen. Gegen Hannover half das Glück der Tüchtigen. Darauf sollte man sich aber schon am Freitag in Augsburg nicht mehr verlassen.

Tore: 1:0 (11:25) Traverse 5-3, 1:1 (31:10) Dzieduszycki (Mondt, Mitchell), 1:2 (47:19) Dzieduszycki (Mitchell, Goc) 5-4, 2:2 (59:12) Flaake (Murphy), 3:2 (61:29) Ouellet (Köttstorfer, Barta) 4-3. Strafminuten: 16/12. SR: Brill (Zweibrücken). Z.: 6966.