Der Inder gewann das Duell mit 6,5:4,5. Deutschland ist seine dritte Heimat.

Bonn/Hamburg. "Das Fantastische im Leben eines Schach-Großmeisters scheint mir zu sein, dass man nie weiß, welcher Tag gerade ist. Für mich ist jeder gleich schön." Viswanathan Anand hat das einmal in einem Gespräch mit dem Abendblatt gesagt. "Ich bin am Freitag nicht freudig erregt, weil das Wochenende bevorsteht", hatte er hinzugefügt, "und ich falle am Sonntag nicht in Depressionen, weil es vorüber ist."

Mittwoch, den 29. Oktober 2008 sollte sich Anand dennoch merken können. Als ihm der Russe Wladimir Kramnik um 18.01 Uhr in der Bundeskunsthalle zu Bonn seine Hand reichte und nach 24 Zügen das Remis in der elften WM-Partie akzeptierte, hatte der Inder seine Karriere gekrönt. Er ist jetzt der unumstrittene König des Schachs. Sein Match mit Kramnik, das er mit 6,5:4,5 Punkten (3:1 Siege für Anand bei sieben Remis) gewann, beendete endgültig das Schisma der Schachwelt.

Das hatte 1993 begonnen, als sich der damalige Weltmeister Garri Kasparow (Russland) vom Weltverband Fide lossagte und seine eigenen Wettkämpfe organisierte. Weil er im Jahr 2000 gegen Kramnik verlor, durfte sich dieser bis gestern ebenfalls als Champion fühlen. In Bonn erhielt die bisherige Doppelspitze Anand/Kramnik dann auch jeweils 600 000 Euro Prämie. 2009 soll Anand seinen Titel schon wieder verteidigen. Der Bulgare Wesselin Topalow und der naturalisierte US-Amerikaner Gata Kamsky ermitteln seinen Herausforderer - wenn sich alsbald ein Sponsor für ihr Duell findet.

Anand muss sich trotz der Baisse am Aktienmarkt um seine Finanzen keine Sorgen machen. In Indien ist der dreimalige Sportler des Jahres längst Werbemillionär. Deshalb zieht es ihn heute öfter als früher in seine Heimat. Weil die großen Schach-Turniere in Europa ausgetragen werden, hatten sich Anand und Aruna, die Dame in seinem Leben, in der Nähe Madrids niedergelassen, um weniger reisen zu müssen. Auch in Deutschland verbringen beide viel Zeit, Anand spielt für den deutschen Meister Baden-Baden in der Bundesliga. Hamburg besuchte das Ehepaar zuletzt im Mai. Für die Schachsoftwarefirma ChessBase besprach der Weltmeister eine DVD. "In dem fensterlosen Aufnahmestudio war es brütend heiß. Vishy aber hat die Produktion klaglos durchgezogen. Am Ende war er schweißnass und witzelte, seit er in Spanien wohne, sei er verweichlicht, was Hitze betreffe", erzählt Medienchef Andre Schulz. Seine Hochzeit, daraus macht Anand kein Geheimnis, war arrangiert: "Meine Eltern haben Aruna ausgesucht und sie mir vorgestellt. Sie hat mir auf Anhieb gefallen. Ich hätte Nein sagen können." In anderen Kulturkreisen, meint Anand, jage man in Kneipen oder Discos Frauen nach, "bei uns achtet man darauf, dass man auch im täglichen Leben zueinanderpasst. Und es passt bei uns bis heute wunderbar. Sonst wäre ich nicht Weltmeister geworden."

11. WM-Partie: Weiß: Anand; Schwarz: Kramnik. Sizilianisch (Najdorf). 1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lg5 e6 7.f4 Dc7 8.Lxf6 gxf6 9.f5 Dc5 10.Dd3 Sc6 11.Sb3 De5 12.0-0-0 exf5 13.De3 Lg7 14.Td5 De7 15.Dg3 Tg8 16.Df4 fxe4 17.Sxe4 f5 18.Sxd6+ Kf8 19.Sxc8 Txc8 20.Kb1 De1+ 21.Sc1 Se7 22.Dd2 Dxd2 23.Txd2 Lh6 24.Tf2 Le3 Remis.