Bei der Schach-WM in Bonn hat der Inder Viswanathan Anand nach viereinhalb Stunden Spielzeit und 47 Zügen auch die sechste Partie gegen den Russen Wladimir Kramnik gewonnen.

Er führt jetzt mit 4,5:1,5 Punkten. Gespielt werden maximal zwölf Partien. Sieger ist, wer zuerst 6,5 Punkte hat. Anand siegte in der dritten und fünften Partie mit den schwarzen Steinen, in der sechsten nun das erste Mal mit Weiß. Anands dritter Erfolg dürfte das Match entschieden haben. Kramnik wirkte nach seiner Aufgabe stark angeschlagen.

Zum dritten Mal eröffnete Anand in Bonn die Partie mit dem Aufzug des Damenbauern von d2 nach d4 (Ehrengast Anatoli Karpow, der russische Exweltmeister, führte ihn aus). Dieser Zug war bei ihm in der Vergangenheit bei Turnieren nicht erste Wahl, der Inder begann seine Partien meist mit dem Zug des Königsbauern von e2 nach e4. Darauf aber wird sich Kramnik speziell präpariert haben. Der Wechsel der Eröffnungsstrategie verschaffte Anand bisher nicht nur einen psychologischen Vorteil in diesem Wettkampf, er wird auch erwartet haben, dass sein Gegner weniger Zeit in die Vorbereitung dieser Spielweisen investiert hat. Das zeigte sich auch in der sechsten Partie.

Wieder stand ein Nimzowitsch-Inder auf dem Brett, eine Eröffnung, die nach dem großen lettischen Strategen Aaron Nimzowitsch (gestorben 1935) benannt worden ist. 9. h3 war ein neuer Zug Anands, auf den Kramnik gut reagierte. Im Folgenden entstand eine Position, in der Anand aufgrund seines Läuferpaares langfristig einen kleinen Vorteil hatte. Kramnik, zwei Punkte im Rückstand, versuchte die Stellungsprobleme mit 18…c5 jedoch radikal zu lösen, anstatt mit 18. …Sfd5 19. Se5 Te8 abzuwarten. Der Russe verlor einen Bauern und erhielt nicht die erhoffte dynamische Kompensation dafür. Anand verstand es, seine Figuren auch in der Defensive meisterhaft zu koordinieren (Springer auf d3, Läufer auf c1).

Im 30. Zug verlor Kramnik erneut die Geduld. Nach 30. …a4 hätte Anand noch große technische Probleme zu lösen gehabt, um seinen Mehrbauern zu verwerten. 30…e5 führte jedoch zu einem offenen Schlagabtausch, in dem Kramnik nicht nur einen zweiten Bauern verlor, sondern in eine klare Verluststellung geriet. Mit 41. Txg7+ Ke6 42. f7 Sxd2 43. Sg5+ Ke7 44. Sxh7 hätte Anand die Partie sofort entscheiden können, 41. fxg7 bot Kramnik dagegen noch ein paar Schummelchancen. Anand umschiffte aber die letzten Klippen und triumphierte. In der Schlussstellung gewinnt er nach 48. Lxe5 weiteres schwarzes Material.

Die Notation: 6. Partie: Weiß: Viswanathan Anand (Indien); Schwarz: Wladimir Kramnik (Russland). Nimzowitsch-Indisch. 1.d4 Sf6; 2.c4 e6; 3.Sc3 Lb4; 4.Dc2 d5; 5.cxd5 Dxd5; 6.Sf3 Df5; 7.Db3 Sc6; 8.Ld2 00; 9.h3 b6; 10.g4 Da5; 11.Tc1 Lb7; 12.a3 Lxc3; 13.Lxc3 Dd5; 14.Dxd5 Sxd5; 15.Ld2 Sf6; 16.Tg1 Tac8; 17.Lg2 Se7; 18.Lb4 c5; 19.dxc5 Tfd8; 20.Se5 Lxg2; 21.Txg2 bxc5; 22.Txc5 Se4; 23.Txc8 Txc8; 24.Sd3 Sd5; 25.Ld2 Tc2; 26.Lc1 f5; 27.Kd1 Tc8; 28.f3 Sd6; 29.Ke1 a5; 30.e3 e5; 31.gxf5 e4; 32.fxe4 Sxe4; 33.Ld2 a4; 34.Sf2 Sd6; 35.Tg4 Sc4; 36.e4 Sf6; 37.Tg3 Sxb2; 38.e5 Sd5; 39.f6 Kf7; 40.Se4 Sc4; 41.fxg7 Kg8; 42.Td3 Sdb6; 43.Lh6 Sxe5; 44.Sf6+ Kf7; 45.Tc3 Txc3; 46.g8D+ Kxf6; 47.Lg7+ 1-0.

Die siebente Partie wird am Donnerstag ab 15.00 Uhr gespielt, und hier können Sie wieder live dabei sein!