Viswanathan Anand fehlt bei der Schach-WM in Bonn nur noch ein Punkt zum Titelgewinn. Die achte Wettkampfpartie gegen Wladimir Kramnik (33; Russland) konnte der 38 Jahre alte Inder mit den schwarzen Steinen nach 3:35 Stunden Spielzeit und 39 Zügen remis halten. Anand führt jetzt mit 5,5:2,5 Punkten.

Aus den restlichen, maximal vier Partien genügen ihm zwei Unentschieden, um Weltmeister zu werden. Die neunte Partie wird am Sonntag um 15 Uhr gespielt, wieder live bei www.abendblatt.de/schachwm . Mit einem Sieg könnte sich Anand, der Weiß hat, vorzeitig krönen.

In der achten Partie, die Bundesfinanzminister und Hobbyschachspieler Peer Steinbrück symbolisch eröffnete, entstand eine ähnliche Bauernstruktur wie in den vergangenen beiden Partien, in denen Kramnik die weißen Steine geführt hatte. Anand griff wieder zum Damengambit, diesmal jedoch nicht zum slawischen (1. d4 d5 2. c4 c6), sondern zum orthodoxen (1. d4 d5 2. c4 e6). Und erneut konnte der Inder die g-Linie für seinen Turm öffnen. Weil er seinen Angriff auf den weißen Bauern g2 aber nicht wie in der dritten und fünften Partie mit einem schwarzen Läufer auf b7 unterstützen konnte, drohte Kramniks König nie ernsthafte Gefahr. Der Russe verpasste möglicherweise im 19. Zug die Chance, eine nachhaltige Initiative zu übernehmen: Statt 19. Te1 kam 19. Sb5 De3 20. Dxe3 Txe3 21. Td1 Tb3 22. Sc3 in Frage. In dieser Stellung fehlt den schwarzen Figuren die Koordination. Nach 19. Sb5 darf Schwarz seine Dame jedoch nicht zurückziehen, zum Beispiel: 19. …Dd7? 20. Sc7+ Kf8 21. Sd5 mit Gewinn. Nach 19. Te1 war die Stellung ausgeglichen, der Ausflug der weißen Dame auf den Königsflügel nur ein Strohfeuer. Mehr als eine Zugwiederholung, die schließlich das Remis forcierte, gab Kramniks Aufstellung nicht her. Anands Position war einfach zu solide. Der Inder hatte nicht einmal große Verteidigungsprobleme zu lösen. Es bleibt erstaunlich, dass es Kramnik in keiner der acht Partien gelang, seinen Kontrahenten unter Druck zu setzen. Anand war in jeder Situation Herr des Geschehens, seine Vorstellung in Bonn ist absolut weltmeisterlich.

WM in Bonn, 8. Partie. Weiß: Wladimir Kramnik (Russland); Schwarz: Viswanathan Anand (Indien). Orthodoxes Damengambit. 1.d4 Sf6; 2.c4 e6; 3.Sf3 d5; 4.Sc3 dxc4; 5.e4 Lb4; 6.Lg5 c5; 7.Lxc4 cxd4; 8.Sxd4 Da5; 9.Lb5+ Ld7; 10.Lxf6 Lxb5; 11.Sdxb5 gxf6; 12.00 Sc6; 13.a3 Lxc3; 14.Sxc3 Tg8; 15.f4 Td8; 16.De1 Db6+; 17.Tf2 Td3; 18.De2 Dd4; 19.Te1 a6; 20.Kh1 Kf8; 21.Tef1 Tg6; 22.g3 Kg7; 23.Td1 Txd1+; 24.Sxd1 Kh8; 25.Sc3 Tg8 26.Kg2 Td8; 27.Dh5 Kg7; 28.Dg4+ Kh8; 29.Dh5 Kg7; 30.Dg4+ Kh8; 31.Dh4 Kg7; 32.e5 f5; 33.Df6+ Kg8; 34.Dg5+ Kh8; 35.Df6+ Kg8; 36.Te2 Dc4; 37.Dg5+ Kh8; 38.Df6+ Kg8; 39.Dg5+ Kh8 remis. Stand: Anand Kramnik 5,5:2,5