Die 21-jährige Kentikian verteidigte ihren WM-Titel, doch laut ihrem Trainer gebe es immer Dinge, die verbessert werden könnten.

Hamburg. Dass ihre Gegnerin nach zehn einseitigen Runden die Arme in die Höhe riss, war nur damit zu erklären, dass sie sich freute, den Kampf überstanden zu haben. Chancenlos war die Argentinierin Carolina Marcela Gutierrez Gaite (32), immerhin WBA-Weltmeisterin im Juniorbantamgewicht, gegen Susi Kentikian gewesen. Alle drei Punktrichter werteten jede Runde für die 21 Jahre alte Hamburgerin aus dem Spotlight-Team, die ihre WIBF/WBA-WM-Titel im Fliegengewicht mit dem 25.Sieg im 25..Profikampf souverän verteidigte. 6000 Fans in der Color-Line-Arena feierten die Lokalmatadorin, die ohne jegliche Kampfspuren im Gesicht die Glückwünsche entgegennahm, mit lautstarken Sprechchören.

Es war eine Augenweide, die geschmeidigen Meidbewegungen und perfekt gesetzten Trefferserien mitanzusehen; Serien, die auch im ZDF das Zeug zu Quotenhits haben dürften. Erstmals wurde ein Kampf der gebürtigen Armenierin beim Mainzer Sender gezeigt, wenn auch nur als Aufzeichnung. „Ich freue mich sehr, dass ich mich mit so einer Leistung empfehlen konnte“, sagte Kentikian, die am 20. Juli zum ersten Mal seit der Flucht 1991 in ihr Heimatland reisen wird, um dort 14 Tage Familienurlaub zu machen.

Sogar Trainer Magomed Schaburow, als Dauerkritiker seiner Schützlinge bekannt und gefürchtet, hatte an seiner 153 cm kleinen Powerfrau diesmal nichts auszusetzen. „Ich bin glücklich über diese Leistung. Susi hat heute fast alles richtig gemacht“, sagte er. Trotzdem gebe es noch immer Dinge zu verbessern; welche, wollte er allerdings nicht verraten. „Nach oben gibt es keine Grenzen. Wir werden weiter hart arbeiten“, kündigte er an. Es mag in den Ohren der schüchternen Argentinierin wie eine furchtbare Drohung geklungen haben. Die Südamerikanerin, die für die Chance, Kentikian deren Gürtel zu entreißen, zwei Kilogramm mehr Gewicht als üblich abgekocht hatte, erkannte ihre Unterlegenheit neidlos an. „Susi ist ein großartiger Champion. Ich war mir sicher, dass ich diesen Kampf gewinnen könnte, aber jetzt habe ich einen guten Eindruck von Susis Stärke bekommen“, sagte sie.

Überhaupt hatte Gaite im Vorfeld des Kampfes bereits eine harte Schlacht überstehen müssen – die gegen die Trauer um ihren Vater, der einen Tag vor ihrer Abreise nach Hamburg verstorben war. Eine Absage war dennoch nie infrage gekommen. „Mein Papa hätte nie gewollt, dass ich eine solche Chance verstreichen lasse“, sagte Gaite, die in Cordoba mit 14 Geschwistern aufwuchs. In Erinnerung an den Vater hielt sie nach dem Kampf ein Foto in die Kameras, das ihn mit einem seiner Enkelkinder zeigt.

Für Kentikians Promoter Dietmar Poszwa wird die Suche nach adäquaten Gegnerinnen für die „Killer Queen“ nun immer schwieriger, auch wenn er sagt: „Es gibt noch viele gute Kämpfe, die wir machen können.“ Möglich ist, dass er bei Spotlight-Mutter Universum fündig wird. Ein stallinternes Duell mit Alesia Graf, WIBF/GBU-Weltmeisterin im Juniorbantamgewicht, könnte bereits Anfang kommenden Jahres möglich werden. Die Stuttgarterin verteidigte in Hamburg ihre Titel durch einen glücklichen Punktsieg (96:93, 95:94, 94:95) gegen Terri Lynn Cruz (USA), verlor den Quervergleich mit Kentikian um die Vorherrschaft im ZDF, das bislang auf Federgewichts-Championesse Ina Menzer als Nachfolgerin von Quoten-Queen Regina Halmich setzt, jedoch deutlich. Besonders in den ersten Runden fand die 28 Jahre alte gebürtige Weißrussin gegen ihre zehn Jahre ältere Kontrahentin nicht in den Kampf, wirkte zu passiv und musste in Runde sechs nach einem rechten Haken zum Kopf sogar angezählt werden.

„Ich weiß selbst nicht, was mit mir los war“, sagte sie, „ich bin nur froh, dass ich es am Ende doch noch geschafft habe, den Kampf zu drehen.“ Trainer Walentin Silaghi sagte: „Ich war überrascht, wie stark die Gegnerin war. Nach dem Niederschlag wusste ich, dass es eng werden würde.“ Graf zeigte sich als großartige Sportsfrau, als sie der enttäuschten Cruz („Ich habe alles getan, um zu gewinnen, und ich dachte, es hätte gereicht!“) ein sofortiges Rematch anbot, in das auch Promoter Klaus-Peter Kohl sofort einwilligte. Das Duell mit Kentikian muss also noch etwas warten. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das ZDF kann sich auf beide Frauen freuen.