Susi Kentikian kämpft am Sonnabend in der Hamburger Color-Line-Arena gegen die Argentinierin Carolina Gaite.

Hamburg. Ein 21 Jahre alter Mensch, der für seine berufliche Karriere kein Ziel mehr nennen kann, muss entweder verdammt glücklich, unglaublich gut oder erschreckend fantasielos sein. Wer Susi Kentikan kennt, der weiß, dass eine Mischung aus den beiden ersten Punkten verantwortlich dafür ist, dass sie auf die Frage nach dem sportlichen Traum spontan keine Antwort finden kann. Die 21 Jahre alte Hamburgerin, die für den Hamburger Profistall Spotlight kämpft, dominiert ihre Gewichtklasse, das Fliegengewicht (Limit bis 50,802 kg), fast nach Belieben. Die in Armenien geborene deutsche Staatsbürgerin ist Weltmeisterin der Verbände WIBF und WBA, und weil es für ihren Manager Dietmar Poszwa zuletzt immer schwieriger wurde, ernstzunehmende Gegnerinnen zu verpflichten, darf sie am Sonnabend im zweiten Hauptkampf der Universum Champions Night in der Color-Line-Arena gegen die Argentinierin Carolina Gaite antreten.

Die 32-Jährige ist WBA-Weltmeisterin im Superfliegengewicht und kochte für die Chance, Kentikian deren Gürtel zu entreißen, in der Vorbereitung zwei Kilogramm mehr Gewicht ab als üblich, um im nächsttieferen Limit in den Ring steigen zu können. „Das ist eine große Herausforderung für mich. Zwar ist es keine klassische Titelvereinigung, aber ein Kampf gegen eine Weltmeisterin ist immer etwas Besonderes“, sagt Kentikian, und man nimmt ihr ab, dass sie diese Aussage ernst meint und nicht nur als Worthülse benutzt, um den Kampf interessant zu reden.

Es ist ja auch nicht so, dass Kentikian sich ruhig einrichten könnte in ihrer Karriere. Zwar hat sie ihre bislang 24 Profikämpfe allesamt gewonnen, viele deutlich, wenige mit Mühe. In Asien rücken in ihrer Gewichtsklasse zudem ein paar Sportlerinnen nach, die mittelfristig „eine große Konkurrenz“ darstellen könnten, wie die Weltmeisterin selbst sagt. Ihre Motivation zieht die 153 cm kleine Powerfrau jedoch vor allem daraus, dass „jede Lebensphase immer wieder etwas Neues bringt“. In den Monaten der Weltwirtschaftskrise ist diese Neuerung allerdings weniger im sportlichen Bereich eingetreten, sondern in der Vermarktung.

Kentikian war das Gesicht des „Fight Night“-Konzeptes, das der Münchner Privatsender Pro Sieben in Kooperation mit Spotlight entwickelt hatte. Ihr Punktsieg über Elena Reid (USA) am 20.März in der Sporthalle Hamburg war jedoch der letzte Auftritt im Pro-Sieben-Programm. Quoten von weniger als zwei Millionen zwangen die Macher zum Rückzug aus dem Faustkampf, die ursprünglich bis Ende des Jahres angelegte Zusammenarbeit lief im Frühling aus. Glück für Kentikian: Spotlight-Mutter Universum, zunächst noch bis Sommer 2010 an das ZDF gebunden, setzt große Hoffnungen auf die kleine Kämpferin. Ihr Duell mit Gaite ist gleichzeitig ihr Debüt beim Mainzer Sender, der immerhin Ausschnitte im Anschluss an das Sportstudio senden wird.

„Ich freue mich sehr, im ZDF zu sehen zu sein. Pro Sieben hatte ein anderes Konzept, aber im ZDF habe ich die Chance, einem breiteren Publikum bekannt zu werden“, sagt Kentikian, die sich allerdings auch größerer Konkurrenz stellen muss. Das ZDF hat als Nachfolgerin der im November 2007 zurückgetretenen „Quoten-Queen“ Regina Halmich bislang Federgewichts-Weltmeisterin Ina Menzer aufgebaut. Auch Alesia Graf, WIBF- und GBU-Doppelchampionesse im Juniorbantamgewicht, hofft auf erhöhte TV-Präsenz. In Hamburg, wo Graf ihre Titel gegen Terri Lynn Cruz (USA) verteidigt, kommt es nun zum ersten indirekten Duell der beiden. Ein Duell, dem die Sportlerinnen jedoch gelassen entgegenblicken. „Es geht nicht darum, andere auszustechen, sondern dank der eigenen Leistung die Fans zu begeistern“, sagt Kentikian. „Wenn ich weiterhin interessante Kämpfe zeige, wird das ZDF mich ins Programm nehmen. Das gilt aber auch für Alesia. Bei den Männern gibt es doch auch viele verschiedene Zugpferde.“

Dass Universum im Falle des Scheiterns der derzeit laufenden Verhandlungen mit dem ZDF ab Sommer 2010 ohne TV-Partner dastehen könnte, ist für Kentikian derzeit kein Anlass zur Sorge. Anders als ihr umtriebiger PR-Berater Christoph Wesche, der ob Kentikians Lebensgeschichte als Flüchtlingskind bereits Kontakte auf dem Feld der Integrationspolitik geknüpft hat, will sie sich mit nichts anderem als dem Boxen beschäftigen. „Ich habe keine anderen Pläne, weil ich das Boxen liebe und damit noch viele Jahre Erfolg haben will“, sagt sie. Viel besser kann man einen sportlichen Traum doch gar nicht formulieren.