In einer turbulenten Schlussphase entriss Hannover dem BVB den sicher geglaubten Sieg. Starke Bayern schlagen Schalke 2:0.

Hannover. Nach dem Spießenrutenlauf bei seiner alten Liebe umarmte Manuel Neuer die Schalker Spieler, tauschte das Trikot mit seinem Nachfolger Ralf Fährmann und genoss den Triumph mit Bayern München ohne große Rührung: Der Fußball-Nationaltorhüter hat mit Bayern München den Auftritt bei Schalke 04 trotz Pfiffen und übler Anfeindungen souverän gemeistert und ist mit dem Rekordmeister an die Tabellenspitze der Bundesliga zurückgekehrt.

„Ich wusste, was mich erwarten wird. Es sind emotionale Fans. Ich habe damit gerechnet, dass ich so empfangen werde und habe mich darauf eingestellt“, sagte Neuer nach dem hochverdienten 2:0 (1:0)-Sieg der Bayern in der Arena der Königsblauen. Bayern-Trainer Jupp Heynckes erklärte angesichts des Verhaltens des Schalker Anhangs: „Das hat er nicht verdient.“

Neuer hatte in der ersten Halbzeit die Schalker Nordkurve, die bitter gekränkten Fans („Judas raus!“) und ein geschmackloses Plakat im Rücken: „Wir trauern um M. Neuer - gestorben zwischen 2005 und 2011 - wiederauferstanden als charakterlose Marionette.“ Dazu meinte Heynckes: „Das war geschmacklos.“

Der fast beschäftigungslose „Fußballer des Jahres“ Neuer ließ sich aber dadurch nicht beirren, musste nur einen Schuss abwehren und ist mittlerweile seit 748 Minuten ohne Gegentor. Bei dieser starken Vorstellung geriet auch Heynckes ins Schwärmen: „Meine Mannschaft hat wieder ein starkes Spiel gemacht. Die zweite Halbzeit war die beste Halbzeit in dieser Saison.“

Die Treffer der Gäste erzielten Angreifer Nils Petersen (21.), der den verletzten Torjäger Mario Gomez erfolgreich vertrat, und Nationalspieler Thomas Müller (75.). Während die Bayern mit dem achten Pflichtspiel-Sieg in Folge ohne Gegentor (22:0 Tore) einen Vereinsrekord aufstellten und Werder Bremen wieder von Platz eins verdrängten, fielen die Schalker durch die zweite Niederlage in der Liga nacheinander auf den neunten Rang zurück.

Nach einer Anfangsphase ohne Torchancen hatte Holger Badstuber (16.) vor 61.673 Zuschauern in der ausverkauften Arena die erste Möglichkeit. Der Innenverteidiger der Münchner zirkelte von der rechten Seite einen Freistoß herein, der nur um Zentimeter das Tor von Neuers Nachfolger Ralf Fährmann verfehlte.

Nach dem 0:1 durch Petersen, der nach einem Konter über den starken Franck Ribery Fährmann im Nachschuss überwand, blieb Schalke leicht feldüberlegen und setzte in der 29. Minute einen ersten Akzent. Ein Schuss von Klaas-Jan Huntelaar ging knapp am Tor vorbei. Vier Minuten später wäre Neuer gegen Huntelaar machtlos gewesen, doch der Volleyschuss des Niederländers aus zwölf Metern verfehlte das Bayern-Gehäuse nur um wenige Zentimeter.

Gomez, Schütze von sieben der letzten elf Bayern-Tore, hatte sich beim 2:0-Sieg beim FC Villarreal in der Champions League eine Leistenverletzung zugezogen. Neben Petersen rückte auch der Ex-Schalker Rafinha in die Münchner Startelf. Luiz Gustavo spielte für Anatoli Timoschtschuk neben dem starken Bastian Schweinsteiger im defensiven Mittelfeld. In der 43. Minute wurde dieser Wechsel wegen einer Verletzung des Brasilianers umgekehrt vollzogen.

Schalkes Trainer Ralf Rangnick brachte erstmals in dieser Saison Peer Kluge von Beginn an auf der „Sechs“. Im Vergleich zum 0:0 in der Europa League bei Steaua Bukarest rückte Lewis Holtby auf die rechte Offensivseite.

Nach der Pause bot sich dasselbe Bild. Den Schalkern fiel gegen die kompakte, extrem sichere und umsichtige Bayern-Defensive um die Innenverteidiger Badstuber und Jerome Boateng wenig ein. Einen Schuss von Christian Fuchs (47.) parierte Neuer souverän. Der Rekordmeister ließ sich nicht aus der Reserve locken und fuhr seine Konter gegen die in der Rückwärtsbewegung oft hilflosen Schalker in atemberaubenden Tempo.

Nur bei der Chancenverwertung hakte es: Zunächst verstolperte Petersen nach einer Traumkombination über Ribery und Schweinsteiger freistehend (51.), zwei Minuten später schoss Müller nach einem Traumpass von Kapitän Philipp Lahm knapp nebens Tor. Auch der finnische Neuzugang Teemu Pukki, der in der 66. Minute für Huntelaar zu seinem ersten Einsatz für Schalke kam, blieb blass.

Die Entscheidung fiel eine Viertelstunde vor dem Ende, als Müller einen Fehler von Kyriakos Papadopoulos zu seinem ersten Saisontreffer nutzte.

Aus einer durchweg starken Bayern-Elf ragten Badstuber, Ribery und Schweinsteiger heraus. Bei den Schalkern war Fährmann bester Akteur, von den Feldspielern hinterließ nur Benedikt Höwedes einen starken Eindruck.

Hannovers Doppelschlag beschert Meister Dortmund die Krise

Zwei späte Gegentore haben dem deutschen Meister Borussia Dortmund in der Fußball-Bundesliga den nächsten Rückschlag beschert. Eine Woche nach der 1:2-Heimpleite gegen Aufsteiger Hertha BSC verlor der BVB auch bei Hannover 96 1:2 (0:0) und blieb in der dritten Auswärtspartie der Saison erneut ohne Dreier. Während sich Hannover, das zuvor fünf Pflichtspiele nacheinander nicht gewonnen hatte, wieder in die obere Tabellenhälfte vorschob, dümpelt der Titelverteidiger im Mittelfeld des Klassements.

DIE AKTUELLE TABELLE

Shinji Kagawa hatte den BVB noch in Führung gebracht (63.), doch Karim Haggui (87.) und Didier Ya Konan (89.) drehten die Partie zugunsten der Platzherren. Einziger Wermutstropfen für Hannover war die Rote Karte für Zugang Artur Sobiech, der bei seinem Debüt nach seiner Einwechslung wegen groben Foulspiels des Feldes verwiesen wurde (90.).

Vor 49.000 Zuschauern in Hannovers ausverkaufter Arena entwickelte sich in der ersten Halbzeit eine meist einseitige Begegnung. Nachdem BVB-Trainer Jürgen Klopp neben Mario Götze, Sebastian Kehl (beide gesperrt) und Sven Bender (Muskelfaserriss) auch zunächst Kevin Großkreutz eine Pause verordnet hatte, brannten deren Vertreter auf ihre Chance. Allen voran Ivan Perisic, der unter der Woche das späte 1:1 gegen den FC Arsenal erzielt hatte, und Jakub Blaszczykowski sorgten für großen Druck über die Flügel. In der Zentrale ordnete Ilkay Gündogan die Angriffe.

Die sehenswerteste Chance des ersten Durchgangs hatte Startelf-Debütant Perisic. Nach einer Hereingabe von Lukasz Piszczek prüfte der Kroate 96-Torhüter Ron-Robert Zieler mit einer mutigen Direktabnahme (24.). Unter den Augen von Bundestrainer Joachim Löw war Zieler, Deutschlands neue Nummer drei, vor der Pause ohnehin bester Akteur der Gastgeber. Im Spiel nach vorn brachte Hannover kaum etwas zustande und hatte mehreren guten BVB-Möglichkeiten nur zwei Chancen entgegenzusetzen: Didier Ya Konan scheiterte an Dortmunds Keeper Roman Weidenfeller (26.), Christian Pander setzte einen Freistoß knapp neben das Tor (41.).

96-Trainer Mirko Slomka hatte seine Startformation gegenüber dem 0:0 am Donnerstag gegen Standard Lüttich nominell ebenfalls auf vier Positionen verändert. So blieben Leistungsträger wie Sergio Pinto, Steven Cherundolo und Konstantin Rausch nach den Strapazen unter der Woche zunächst auf der Bank. Zudem fehlten Mohammed Abdellaoue und Christian Schulz verletzungsbedingt. Von den Profis aus der zweiten Reihe konnte sich aber kaum jemand in den Vordergrund spielen. Einzig Moritz Stoppelkamp betrieb mit einigen engagierten Aktionen auf dem rechten Flügel Werbung in eigener Sache.

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Nach dem Seitenwechsel wurden die Platzherren ein wenig mutiger, doch Dortmund blieb die bessere Mannschaft. Trotzdem gelang es dem Meister zunächst nicht, zwingende Chancen herauszuspielen. Stattdessen hatte Stoppelkamp die Führung für Hannover auf dem Fuß. Weidenfeller entschärfte den Schuss des Flügelspielers mit einer starken Parade (62.). Fast im Gegenzug erzielte Kagawa dann mit einem gefühlvollen Lupfer das 1:0 und damit das erste Auswärtstor des BVB in der laufenden Saison.

Neun Minuten später hätte der inzwischen eingewechselte Großkreutz aus guter Position erhöhen können. Doch auch Hannover bemühte sich, den Ausgleich zu erzielen. Stindl nutzte seine Chance aber nicht (76.). Dafür machten es Haggui und Ya Konan kurz vor Schluss besser. (sid/dapd/abendblatt.de)