Der Ex-Schalker kehrt mit dem FC Bayern nach Gelsenkirchen zurück – Fan-Chef Rojek: „Manuel hätte ein Idol sein können“

Gelsenkirchen. Was hat es nicht schon alles auf Schalke gegeben: sieben Meisterschaften, fünf Pokaltriumphe, ein UEFA-Pokal-Gewinn, aber auch den Bundesliga-Skandal oder Spielerwechsel zum und vom Erzrivalen Borussia Dortmund. Alle Wogen, ob aus Freude oder Verärgerung, haben sich dann aber irgendwann auf dem königsblauen Ozean wieder geglättet. Am Sonntag nun kehrt einer nach Schalke zurück, der in den Augen nicht weniger Fans als Verräter bezeichnet wird. Manuel Neuer, seit 15 Monaten unumstrittener Nationaltorhüter, kommt erstmals seit einem Wechsel von Gelsenkirchen im Sommer mit seinem neuen Verein Bayern München zum Schlagerspiel in die Arena.

Freundlich empfangen wird der 25-Jährige wahrscheinlich nicht. Die Fan-Foren im Internet quellen förmlich über. Der Tenor: Hier und da wird Verständnis für Neuers Schritt aus sportlichen Gründen gezeigt, aber mehrheitlich stößt der einstige Liebling der Schalker inzwischen auf schroffe Ablehnung. „Manuel hätte bei uns ein Idol werden können wie Fritz Szepan oder Ernst Kuzorra“, sagte der Schalker Fanbeauftragte Rolf Rojek. Die Neuer-Rückkehr überlagerte die gesamte Woche alles andere, selbst das Europa-League-Spiel am Donnerstag in Cluj gegen Steaua Bukarest rückte in den Hintergrund.

Woher aber rührt diese fundamentale Ablehnung eines Ausnahmeathleten? Der Transfer nach München ist es nicht, der die Fans auf die Barrikaden brachte. Schließlich kann dieser Wechsel dem Verein bis zu 25 Millionen Euro bringen. Auch andere Schalker haben den Verein schon in Richtung des deutschen Rekordmeisters verlassen. Olaf Thon vollzog diesen Wechsel und wurde wieder aufgenommen, als er erfolgreich zurückkehrte.

Die Schalker Anhänger verzeihen dem Keeper offenbar nicht, dass er seinen Verein und die Handlungen aus dieser Zeit teilweise verleugnet. Nach dem 1:0-Sieg der Königsblauen am 25. September 2009 in München feierte Neuer den Triumph mit einer Schalker Fahne. Angesprochen darauf von Münchner Medien relativierte Neuer seine Handlung von damals – für die Fans natürlich ein klares Zeichen, dass er seine Wurzeln jetzt missachtet.

„Ich denke, er wird am Sonntag mit Pfiffen rechnen müssen und ist sich darüber auch bewusst. Aber ich bleibe dabei: Anfeindungen hat Manuel nicht verdient, weil er für uns immer sehr gute, sogar sensationelle Leistungen gebracht hat“, sagte Schalkes Kapitän Benedikt Höwedes dem Fachmagazin „Kicker“ (Donnerstag-Ausgabe). Neuer steht aber auch bei einem vernehmbaren Teil der Münchner Fans nicht hoch im Kurs. Für Aufsehen hatten in der Vorbereitung ein Spruchband („Du kannst auch noch so viele Bälle parieren. Wir werden dich nie in unserem Trikot akzeptieren“) oder ein grotesker Verhaltenskodex gesorgt.

Die hör- oder sichtbare Ablehnung des Nationalkeepers Neuer ist in München mittlerweile verschwunden, die Bayern sind Tabellenführer und seit dem 0:1 gegen Borussia Mönchengladbach ohne Gegentor. Beim EM-Qualifikationsspiel der deutschen Nationalmannschaft in Gelsenkirchen gegen Österreich blieb Neuer von Anfeindungen verschont. Den Vergleich zu Länderspielen, so Rojek, könne man nicht ziehen. Das Publikum sei vollkommen anders zusammengesetzt.

Betroffen vom Rumoren in der Fanszene ist selbst die Familie von Manuel Neuer. Sein Bruder Marcel wird am Sonntag nicht im Stadion sein, weil er einen Einsatz als Schiedsrichter hat. „Dass Manuel für seine sportliche Weiterentwicklung nach München gegangen ist, kann ich nachvollziehen“, sagte der 26 Jahre alte Student der Theologie und Geschichte. „Wenn er mit den Bayern gewonnen hat, schicke ich ihm immer einen Glückwunsch. Aber ich bin und bleibe Schalker, deswegen würde ich mir die SMS gerne ersparen.“

Ex-Nationalkeeper und -Schalker Jens Lehmann wechselte im übrigen über den Umweg Mailand zu Borussia Dortmund. Ein Sündenfall. Doch die Fans fanden auch damit irgendwann ihren Frieden. Vielleicht lag es auch daran, dass Lehmann nicht ganz unerheblichen Anteil am Triumph im UEFA-Cup 1997 hatte. Darin liegt eine Hoffnung für Neuer, der schließlich maßgeblich am Einzug ins Halbfinale der Champions League in der vergangenen Saison und am DFB-Pokalsieg hatte.

„Ich denke schon, dass es vielleicht ein paar Pfiffe gibt, aber es wird ähnlich werden wie in der vorigen Saison: Auf jeden Pfiff kamen 100 Rufe für Neuer. Die Schalker Fans sind zwar emotional und mit vollem Herzen dabei, aber sie sind auch fair“, sagte Olaf Thon.