Am Sonnabend will der Boxer aus dem Hamburger Universum-Stall seinen EM-Titel im Schwergewicht verteidigen. Björn Jensen sprach mit ihm.

Hamburg. Alexander Dimitrenko ist bester Laune. Mit seinem Trainer Michael Timm ist der Schwergewichts-Boxprofi aus dem Hamburger Universum-Stall bei Sonnenschein durch das minus zehn Grad kalte Schwerin spaziert, wo er am Sonnabend (22.15 Uhr/Sport1 live) seinen EM-Titel gegen den Polen Albert Sosnowski, 31, verteidigt. Der 28-Jährige liebt Winterwetter, deshalb grüßt er mit einem fröhlichen „Moin moin“, bevor das Gespräch beginnt – er ist ja jetzt Norddeutscher .

Abendblatt: Herr Dimitrenko, am Sonnabend wird für Sie nach Ihrer Einbürgerung erstmals die deutsche anstelle der ukrainischen Nationalhymne gespielt. Haben Sie Ihren Text schon gelernt?

Alexander Dimitrenko: Ja, das habe ich, und ich will auch mitsingen. Ich fand es bei der Fußball-WM schade, dass einige deutsche Spieler nicht mitgesungen haben. Ich finde, es gehört dazu, wenn man sein Land repräsentiert.

Welches Gefühl haben Sie beim Gedanken, Deutschland zu repräsentieren?

Dimitrenko: Große Freude! Es war meine eigene Entscheidung, ich habe sie aus freien Stücken getroffen, weil ich nach neun Jahren in Hamburg das Gefühl hatte, dass Deutschland das Land ist, was mir am meisten gegeben hat. Es gibt einige Menschen, die mich als Verräter ansehen, aber das ist mir egal. Ich verleugne meine Wurzeln nicht, aber ich bin jetzt von Herzen Deutscher.

Ihr Vater ist gestorben, als Sie Teenager waren, aber wie hat Ihre Mutter darauf reagiert, dass der Sohn einer anderen Nation angehören möchte?

Dimitrenko: Sie hat sich für mich gefreut und mich in meiner Absicht bestärkt. Ich habe mit ihr über meine Pläne gesprochen, und sie hat gesagt, ich solle das tun, was ich für richtig halte.

Sie haben als Ziel ausgegeben, erster deutscher Schwergewichtsweltmeister nach Max Schmeling zu werden. Was befähigt Sie dazu, die Nachfolge einer solchen Legende anzutreten?

Dimitrenko: Ich wollte mich nicht mit Max Schmeling vergleichen, aber es ist natürlich ein tolles Ziel, der erste Deutsche nach ihm zu sein, der Schwergewichts-Champion wird. Leider habe ich Schmeling nie persönlich kennen gelernt, aber ich habe sehr viel über ihn gelesen und bewundere ihn sehr. Er war ein großer Sportler und ein noch größerer Mensch. Ich war schon mehrfach in seiner Heimat Hollenstedt auf Veranstaltungen eingeladen, und ich unterstütze die Max-Schmeling-Stiftung, indem ich zum Beispiel mit Jugendlichen trainiere. Das gibt mir unheimlich viel.

Sportlich fehlt Ihnen sicherlich noch ein Stück, um Schmeling nachzueifern. Ihre Niederlage gegen Eddie Chambers im Juli 2009 wirkt bei vielen Fans noch immer nach, man hält Sie für zu weich, um nach ganz oben zu kommen. Was müssen Sie aus Ihrer Sicht beweisen, um legitimer Schmeling-Nachfolger zu sein?

Dimitrenko: Beweisen muss ich nichts, ich muss einfach gut boxen, der Rest kommt von allein. Die Niederlage gegen Chambers habe ich abgehakt, und ich habe daraus die Lehre gezogen, niemals jemanden zu unterschätzen, auch wenn er viel kleiner und leichter ist als ich.

Das dürfte Ihnen gegen den Polen Albert Sosnowski kaum passieren. Der hat eine imposante Figur und im Mai gegen WBC-Weltmeister Vitali Klitschko fast zehn Runden lang mitgehalten. Was müssen Sie am Sonnabend fürchten?

Dimitrenko: Nichts. Ich bin gut vorbereitet und sicher, dass ich gewinnen werde. Aber natürlich nehme ich Sosnowski ernst. Er hat den EM-Titel, den ich jetzt habe, nicht verloren, sondern für die WM-Chance gegen Klitschko nur niedergelegt. Er meint, dass er noch immer Europameister sei. Das können wir nun herausfinden. Wichtig ist, dass es ein guter Kampf wird. Die Fans wollen Blut und Action sehen, und ich werde versuchen, ihnen das zu bieten.

Sie haben sich für die EM-Titelverteidigung entschieden und gegen die Teilnahme an einem Ausscheidungsturnier der IBF, um den nächsten Herausforderer für IBF-Weltmeister Wladimir Klitschko zu ermitteln. Warum?

Dimitrenko: Weil der EM-Titel ein guter Titel ist, der mir viel bedeutet. Das Turnier hat keine klare Linie, es war ein Hin und Her, wer nun teilnehmen sollte. Auf so etwas habe ich keine Lust.

Ist es nicht viel eher so, dass Sie lieber noch Erfahrung sammeln wollen, bevor Sie sich der Herausforderung eines Klitschkos stellen? Oder wären Sie bereit, sofort gegen die Brüder anzutreten?

Dimitrenko: Erfahrung zu sammeln ist nicht schlecht. Aber es ist doch so: Die Klitschkos und ich, wir kommen aneinander nicht vorbei, unsere Wege werden sich irgendwann im Ring kreuzen. Allerdings muss Vitali im März seine Pflichtverteidigung machen, und Wladimir will gegen WBA-Weltmeister David Haye antreten. Deshalb wird es sowieso noch ein Jahr dauern, bis meine Chance kommt. Mir ist das recht.

Nachdem Ihr Promoter Universum Ende Juli seinen TV-Vertrag mit dem ZDF verloren hatte, klagten auch Sie über unsichere Zukunftsplanung und mangelhafte Kommunikation. Nun hat Universum den Kampf gegen Sosnowski ersteigert, er wird live bei Sport1 gezeigt. Haben Sie jetzt wieder Vertrauen, dass Universum auf Sie baut?

Dimitrenko: Ich bin zufrieden, dass der Kampf kommt. Universum hat sich Mühe gegeben, das weiß ich zu schätzen.

Und was bedeutet es Ihnen, dass Ihr Kampf als erstes Boxevent in Deutschland live in 3-D übertragen wird?

Dimitrenko: Ich denke, dass meine Fans froh sind, dass der Kampf überhaupt zu sehen ist. Aber für mich ist das eine große Ehre, später einmal zurückblicken und sagen zu können, dass ich der erste Boxer in Deutschland war, der in 3-D gezeigt wurde. Das ist toll und ein weiterer Ansporn.