Nach acht Jahren Boxen gehen Universum und ZDF getrennte Wege. Bei der Champions Night in Hamburg erfüllte Zbik seine Pflichtaufgabe.

Nach 109 gemeinsamen Veranstaltungen lief der 2002 geschlossene Vertrag zwischen Universum und dem Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF), das innerhalb von acht Jahren rund 160 Millionen Euro in den Boxsport investierte, mit der Champions Night in Hamburg aus. Zum Abschied zog ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz ein Fazit.

Frage: Herr Gruschwitz, wie beurteilen Sie die acht Jahre Boxen live im Zweiten?

Dieter Gruschwitz: Ich möchte Universum für die großartige Kooperation ein herzliches Dankeschön aussprechen. Wir haben uns immer als Begleiter des Boxsports gesehen. Wir machen keine stundenlangen Vorprogramme mit Showacts, bei uns stand immer der Hauptkampf im Mittelpunkt, der besser sein musste als das Vorprogramm. Ich denke, wir haben dem Boxen in der Breite einiges geben können. Im ZDF sind einige junge Talente bekannt geworden und haben sich einen Namen gemacht. Ganz besonders freut es mich, dass wir das Frauenboxen gesellschaftsfähig machen konnten. Das war politisch nicht immer leicht durchzusetzen.

Frage: Haben Sie darüber nachgedacht, dem Boxen in anderer Form treu zu bleiben? Gab es Gespräche mit Universum darüber, in abgespeckter Form gemeinsam weiterzumachen?

Gruschwitz: Die gab es, sogar viele. Wir haben alle erdenklichen Möglichkeiten ausgelotet. Aber am Ende war es eine rein wirtschaftliche Entscheidung der Geschäftsleitung, sich nicht mehr im Boxen zu engagieren, die ich als Sportchef mitgetragen habe. Ich möchte aber betonen, dass es keinerlei Vorbehalte gegen die Sportart oder die handelnden Personen gibt. Wir trennen uns in Freundschaft.

Frage: Schließen Sie es aus, dass das ZDF mittelfristig wieder Boxkämpfe live überträgt?

Gruschwitz: Ich schließe gar nichts aus und kann mir durchaus vorstellen, dass es irgendwann wieder einen Weg gibt, dass wir Boxen übertragen. Allerdings zeichnet sich momentan in diese Richtung überhaupt nichts ab. Deshalb bleibt uns nur, den Sportlern und dem Team bei Universum alles Gute für die Zukunft zu wünschen.

Sebastian Zbik gewinnt und macht Urlaub

Am Ende eines harten Arbeitstages freute sich Sebastian Zbik nur noch auf seinen Urlaub. „Ich werde jetzt zum Angeln fahren und drei Wochen lang mein Handy ausschalten“, sagte der Mittelgewichtsprofi, nachdem er sich in der O2-World der lästigen Pflichtaufgabe Jorge Sebastian Heiland entledigt hatte.

Die 3000 Zuschauer hatten über zwölf Runden einen Kampf gesehen, der symbolisch war für viele der vergangenen Auftritte des Interimsweltmeisters des WBC. Der 28 Jahre alte Neubrandenburger hatte in den ersten Runden aus einer sicheren Deckung heraus den Kampf diktiert, den völlig überforderten Argentinier immer wieder getroffen, wobei besonders der rechte Aufwärtshaken stetig den Weg ins Ziel fand, und sich nach acht Runden einen derart komfortablen Vorsprung herausgearbeitet, dass er es sich erlauben konnte, seinen 23 Jahre alten Kontrahenten noch einmal ins Geschehen eingreifen zu lassen. Da dieser ihm zu keiner Zeit gefährlich werden konnte, weil er außer ungestümem Angreifen über keinerlei taktische Mittel verfügte, war es am Ende eben wieder einer dieser Zbik-Kämpfe, bei dem man nur eine Runde sehen musste, um alle zwölf zu kennen.

Es ist Zbiks Stil, wenig zu riskieren, sondern sich auf das zu beschränken, was es zum klaren Sieg braucht, wenn er den Gegner so kontrollieren kann wie Heiland. Das Problem ist, dass dieser Stil für das Publikum in der Halle und vor den TV-Schirmen selten mitreißend wirkt. Zbiks Kämpfe bleiben nicht in Erinnerung, was man ihm aber nicht vorwerfen kann. „Ich weiß, dass meine Kämpfe nicht immer eine Augenweide sind“, gab er zu, „aber ich habe jetzt 30 Kämpfe ohne Niederlage absolviert. Irgendetwas muss ich ja richtig machen.“

Es kommt nun darauf an, dass Zbiks Promoter Universum seinem großen Hoffnungsträger endlich auch die Kämpfe verschafft, in denen er so gefordert wird, dass er auch einmal andere Qualitäten als kontrollierte Offensive zeigen kann. Ursprünglich hatte er am 17. Juli in Schwerin gegen Khoren Gevor antreten sollen, dieser Kampf war aber kurzfristig geplatzt. Gevor wäre der perfekte Gegner gewesen, da er Zbik nicht nur über zwölf Runden athletisch gefordert, sondern ihm auch boxerisch zugesetzt hätte. „Heiland war aber auch eine gute Wahl, denn als Rechtsausleger konnte er Zbik gut auf das anstehende Duell mit Sergio Martinez vorbereiten“, sagte Universum-Chef Klaus-Peter Kohl.

Die Hoffnung, im Herbst endlich zum Duell mit dem argentinischen WBC-Champion Martinez antreten zu dürfen, unterstrich Zbik in Hamburg noch einmal mit Nachdruck. „Der Weltverband hat mir diesen Kampf zugesagt. Ich hoffe, dass es dazu kommt und ich endlich den Zusatz ‚Interim’ ablegen kann. Wenn ich gegen Martinez über zwölf Runden meinen Stil so durchziehen kann wie gegen Heiland in den ersten acht, dann könnte der Kampf enger werden, als es mir derzeit viele zutrauen“, sagt Zbik. Wann und wo der Kampf stattfinden soll, und welcher Sender ihn überträgt, darüber wollte Kohl noch nichts verlauten lassen. „Wir werden jetzt zwei Wochen Urlaub machen und danach in die USA zu Verhandlungen fliegen. Anfang September wissen wir mehr“, sagte er. Zbik ist bereit, auch in Übersee anzutreten. „Mein Traum war es immer, in den USA zu boxen. Ich traue mir zu, auch dort zu gewinnen“, sagte er.

Khoren Gevor verpasst dritte WM-Chance

Wie er so dasaß, mit düsterem Blick und einem Kühlkissen für die Risswunde unter dem rechten, stark geschwollenen Auge, wirkte Khoren Gevor wie das Sinnbild eines geschlagenen Boxers. Er hatte alles versucht, dieser 31 Jahre alte Armenier mit dem Herz eines Kämpfers, hatte immer wieder attackiert und versucht, Druck auszuüben. Aber gereicht hatte es wieder nicht, auch seine dritte WM-Chance hatte er vergeben. Diesmal, nach der K.-o.-Niederlage gegen Arthur Abraham im August 2007 und der Punktpleite gegen Felix Sturm im Juli 2009, war Dimitri Sartison zu stark für Gevor. Der WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht gewann das stallinterne Duell verdient einstimmig (117:109, 117:110, 115:112) nach Punkten.

„Natürlich bin ich enttäuscht und niedergeschlagen. Er hat das gut und clever gemacht“, sagte Gevor nach dem Kampf. Vor dem Duell hatte er Sartison noch als einen seiner leichtesten Gegner bezeichnet, was dieser zum Anlass für einen kleinen Seitenhieb nahm. „Khoren ist ein starker Boxer und ein guter Typ, aber wenn er schon gegen seinen leichtesten Gegner verliert, dann weiß ich auch nicht“, sagte der 30 Jahre alte, aus Kasachstan stammende Gifhorner, der eine sehr überlegte Leistung abgeliefert hatte. Den Sartison, der zu Beginn seiner Profikarriere durch unnötiges Lächerlichmachen seiner Gegner aufgefallen war, gibt es nicht mehr. Als Champion hat der Schützling von Magomed Schaburow mittlerweile die Reife, die es braucht, um sich auf jeden Gegner einzustellen und trotzdem die eigene Linie nicht zu verlieren. „Wir hatten den Kampf auf dem linken Haken aufgebaut. Der kam nicht so gut, dafür lief es dann mit dem rechten Haken besser“, sagte Schaburow.

Tatsächlich hätte Sartison, der seinen Rekord auf nun 27 Siege in 28 Kämpfen ausbaute, das Duell bereits in Runde vier beenden können. Nach einem dieser vom Trainer angesprochenen rechten Haken zum Kopf, der die Risswunde unter Gevors rechtem Auge verursachte, taumelte der Armenier bedenklich. Doch anstatt nachzusetzen, verließ sich Sartison darauf, dass Ringrichter Rafael Ramos (USA) den Gegner anzählen würde, was dieser nicht tat. Gevor erholte sich, die Chance zum Knockout war vertan. „Da hätte ich cleverer sein und nachsetzen müssen. Aber daran werden wir arbeiten, denn ich bin noch lange nicht da, wo ich sein könnte“, sagte Sartison.

Trotz der Niederlage durfte sich am Ende auch Gevor als Sieger fühlen, denn Universum-Chef Klaus-Peter Kohl erklärte, dass beide Boxer sich weitere Einsätze verdient hätten. „Beide haben einen großartigen Kampf abgeliefert und gezeigt, dass wir auch in Zukunft auf sie setzen können“, sagte er. Ob er das jedoch möchte, wollte Gevor, der nach den mittlerweile beigelegten vertraglichen Querelen mit Universum ins westfälische Kleve gezogen war, wo seine Frau eine Sushi-Bar betreibt, noch nicht bestätigen. Er wolle sich zunächst mit der Familie und seinem neuen Trainer Orlando Gemerts aus Amsterdam besprechen.

„Mann des Abends“ wurde Sergej Mitschnik

Die Rolle des „Mann des Abends“ sicherte sich zu vorgerückter Stunde in der Hamburger O2-World einer, der nicht im Ring stand, sondern in der Ecke saß. Sergej Mitschnik hatte in der fünften Runde eines unansehnlichen Duells um die vakante EM-Krone im Schwergewicht ein Einsehen mit allen Fans, die das Gewürge mitansehen mussten. Nachdem sein Schützling Jaroslaw Zaworotny von Alexander Dimitrenko mit einem unkontrollierten Schlaghagel eingedeckt worden war, warf der Trainer zum Zeichen der Aufgabe das weiße Handtuch in den Ring und erlöste damit Zaworotny von seinen Qualen. Dieser hatte es zuvor fertig gebracht, Dimitrenko kein einziges Mal in Bedrängnis zu bringen, er war hinter einer nicht sicher stehenden Doppeldeckung durch den Ring gestolpert und hatte gegen den nach einem Jahr Ringpause hölzern wirkenden Dimitrenko nie ein Mittel gefunden.

Dass ein Mann wie der 35 Jahre alte Ukrainer, der mit 18 Profikämpfen und vier Niederlagen zu seiner ersten Titelchance kam, überhaupt als EM-Herausforderer antreten durfte, war allein der Tatsache geschuldet, dass Dimitrenko ursprünglich in Russland gegen Lokalmatador Denis Bakhtov hätte antreten sollen. Dessen Promoter German Titov hatte sich aber beim Börsenangebot dermaßen übernommen, dass er den Kampf kurzfristig absagen musste. Mit zehn Tagen Vorlaufzeit nahm Zaworotny, der 2008 bereits als Sparringspartner für Dimitrenko gedient hatte, also seine Chance wahr. „Er ist ein guter Junge mit viel Schlagkraft. Natürlich hat die Vorbereitung nicht gereicht, aber die Chance mussten wir nutzen. Nach der vierten Runde hatte er keine Kraft mehr, warum soll ich ihn dann verprügeln lassen?“, sagte Mitschnik.

Dimitrenko war das alles höchst egal. Der 28 Jahre alte Ukrainer aus dem Universum-Stall, der im Juli 2009 eine WM-Ausscheidung gegen Eddie Chambers (USA) kläglich verloren und seitdem nicht mehr geboxt hatte, freute sich über seinen neuen Titel. „Ich hatte das Gefühl, etwas verrostet zu sein. Zum Schluss sind die Fäuste aber geflogen, deshalb freue ich mich riesig“, sagte er. Dass auf dem Weg zu einer WM-Chance dennoch viel Arbeit bleibt, wollte der neue Trainer Michael Timm nicht verhehlen. „Wichtig ist, dass der Titel jetzt bei uns ist. Wir haben besonders die Beinarbeit verbessert, aber wir wissen, dass noch viel zu tun ist. Das werden wir mit Elan angehen.“

Wie geht es mit Universum weiter?

Wer über die Zukunft des Universum-Stalls diskutiert, der wird nicht umhin kommen, einen Namen zu erwähnen, der in den kommenden Jahren im deutschen Berufsboxen desöfteren genannt werden dürfte: Jack Culcay. Was der 24 Jahre alte Superweltergewichtler im Rahmenprogramm in Hamburg zeigte, animierte die Zuschauer mehrfach zu Szenenapplaus. In seinem sechsten Kampf führte der Amateurweltmeister von 2009, der im November Profi geworden war, den Rumänen Ionut Trandafir Ilie nach allen Regeln der Faustkampfkunst vor. Culcay brillierte mit schnellen Kombinationen, er kombinierte wie aus dem Lehrbuch, und er setzte die im Training mit Michael Timm verbesserte Schlagkraft gewinnbringend ein. Nach 2:18 Minuten der vierten Runde wurde der sichtlich benommene Ilie nach einem rechten Haken zum Kopf aus dem Kampf genommen. Für Culcay war es der vierte vorzeitige Erfolg.

„Ich bin sehr zufrieden. Der Gegner hatte einiges drauf, das habe ich gespürt und deshalb am Anfang nicht so viel riskiert. Aber als Herr Timm nach der zweiten Runde gesagt hat, ich solle mehr Gas geben, hat es geklappt“, sagte Culcay, der die Experten vor allem deshalb staunen lässt, weil ihm die Umstellung vom Amateur- auf den Profistil fast mühelos zu gelingen scheint. „Wir werden Jack weiter kontinuierlich aufbauen. Der Gegner war genau der richtige Schritt, und Jack hat das vorbildlich gemeistert. An ihm werden wir noch viel Freude haben“, sagte Universum-Vize Dietmar Poszwa.

Dass die Zukunft seines Arbeitgebers noch immer unklar ist, lässt den gebürtigen Ecuadorianer kalt. „Ich vertraue meinem Management, die werden mir schon die richtigen Kämpfe beschaffen“, sagte er. Zwei Wochen Urlaub in seiner Heimatstadt Darmstadt, wo er mit Vater und Bruder eine Boxschule betreibt, will sich Culcay gönnen, anschließend soll es mit Training weitergehen. „Ich trainiere immer, denn ich will bereit sein, wenn Universum ein Angebot für mich hat“, sagt er. Wann es kommen wird, ist unklar. Dass es kommen wird, steht außer Frage. Culcays Manager Moritz Klatten hat auch schon eine Idee, wer der nächste Gegner sein könnte: „Ein Kampf gegen den früheren Europameister Michel Trabant um die deutsche Meisterschaft wäre doch ein schönes Duell.“

Im Schwergewicht siegte Rückkehrer Juan Carlos Gomez in einem Acht-Runden Duell gegen den US-Amerikaner Zack Page einstimmig nach Punkten und zeigte dabei in Ansätzen, was ihn in seiner Zeit als Cruisergewichtsweltmeister groß gemacht hatte. Allerdings hat der 37 Jahre alte Kubaner, der nach Querelen mit seinem früheren Promoter Ahmet Öner Mitte Juli zum dritten Mal in seiner Karriere zu Universum zurückgekehrt war, noch eine Menge Arbeit vor sich, wenn er tatsächlich noch einmal auf einen Titelkampf hoffen möchte.