Ein Sportgespräch mit Medienunternehmer und Pferdezüchter Stefan Aust über das Deutsche Derby in Hamburg und intelligente Pferde.

Hamburg. Zu den Stammgästen beim Deutschen Spring- und Dressur-Derby in Klein Flottbek zählt Stefan Aust. Nur einmal in den vergangenen drei Jahrzehnten erlebte der Medien-Unternehmer und frühere "Spiegel"-Chefredakteur den Wettstreit um das Blaue Band nicht live am Parcours. Der 63-Jährige ist nicht nur ein passionierter Reitersmann, sondern auch erfolgreicher Pferdezüchter: Sein selbst gezogener Wallach Collin startete am Himmelfahrtstag in der 1. Qualifikation zum Youngster-Cup mit Lars Stange im Sattel. Mit acht Strafpunkten reichte es zu Rang 57 von 68 Teilnehmern. An diesem Sonnabend hat das Duo noch eine weitere Gelegenheit zum Finaleinzug.

Hamburger Abendblatt:

Herr Aust, das größte Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde. Korrekt?

Stefan Aust :

Sagen wir, das zweitgrößte ...

Das lassen wir mal lieber so stehen. Was fasziniert Sie so sehr am Reitsport?

Die Zusammenarbeit mit diesen Tieren ist etwas ganz Wunderbares. Außerdem liebe ich die Natur, die Geschwindigkeit. Wenn ich von unserem Hof bei Stade zum Ausritt in den Wald starte, ist der Alltag ganz weit weg. Ich kann schnell abschalten, bin auch jemand, der im Flugzeug sofort einschlafen kann. Andererseits kann ich jederzeit noch ein Brikett einschmeißen, wenn es sein muss.

Ein Brikett?

Im Sinne von Energien mobilisieren. Nur damit es keine Missverständnisse gibt: Ich konsumiere keine Drogen!

Was ist denn Ihr größeres Steckenpferd: der Journalismus oder die Reiterei?

Ich habe selbst manchmal Schwierigkeiten, das zu entscheiden. Alles kommt irgendwie zu seiner Zeit. Widme ich mich Filmen oder Artikeln, so nimmt mich das zu hundert Prozent in Anspruch. Wenn ich andererseits am Wochenende raus aufs Land fahre, wird alles andere nebensächlich.

Wo liegen die Wurzeln Ihrer Begeisterung?

Im Elternhaus. Mein Vater war Landwirt auf einem winzig kleinen Bauernhof in Niedersachsen. Bevor er sich einen Trecker leisten konnte, standen Pferde vor dem Wagen. Wir sind schon als Kinder durch den Busch geritten, als Jugendlicher wurde das dann intensiver - obwohl ich nie ein richtig begnadeter Reiter war. Erst mit 30 Jahren habe ich erstmals eine Reithalle von innen gesehen. Und irgendwann lernte ich: Ein gutes Pferd frisst auch nicht mehr als ein schlechtes. Sprich: Wenn schon, denn schon!

Schon Anfang der 70er-Jahre haben Sie 5000 Mark für das Stutfohlen Prudenzia ausgegeben. Woher nimmt man mit Mitte 20 so viel Geld?

Als freier Mitarbeiter beim NDR verdiente ich damals nicht schlecht. Und ein bisschen verrückt muss man schon sein, sonst kommt man mit Pferden nicht weit. Das ist eine Frage des Herzbluts.

Es heißt, dass Sie auch beim Verkauf Ihres Dressurpferdes Argentinia bei einer Auktion vor drei Jahren erfolgreich gepokert haben. Sind Sie ein Zocker?

Eigentlich nicht. Wenn Sie ein Pferd verkaufen wollen, müssen Sie aber den richtigen Moment abpassen. Um eine längere Geschichte kurz zu machen: Ich hatte die Stute eigentlich schon für 100 000 Euro abgegeben, wegen einer minimalen Verletzung platzte das aber noch. Nachdem die Sache verheilt war, bot der ursprüngliche Käufer 150 000 Euro - einen Tag nach der Angebotsfrist. Das habe ich dann abgelehnt und Argentinia zur Elite-Auktion der Hannoveraner nach Verden gegeben. Meine Frau fragte, ob ich wahnsinnig sei, erst die 150 000 Euro abzulehnen und dann dieses Risiko einzugehen. Der Startpreis lag da bei 4000 Euro oder so. Letztlich bot ein Ehepaar aus den USA die 400 000 und erhielt den Zuschlag. Wir hatten alles richtig gemacht.

Wann kam der Durchbruch als Züchter?

Als ich Holsteiner Hengste und Hannoversche Stuten in der Zucht einsetzte, war dies der Sprung nach vorne. Das haben damals nicht viele gemacht. Das war der Einfluss meines Freundes Achaz von Buchwaldt. Er war 1982 übrigens Derbysieger auf Wendy und später noch einmal auf Lausbub.

Könnten Sie von der Pferdezucht leben?

Ein Jahr. Wenn ich alle Pferde verkaufe. Aber im Ernst: Mein Ziel ist es, dass sich das Ganze operativ trägt, also dass wir keine Verluste einfahren. Das funktioniert. Auf unserem Hof in Armstorf stehen fast 45 Pferde. Drei feste Angestellte kümmern sich darum, und zwar nach artgerechten Grundsätzen: Ein Großteil des Tages verbringen die Tiere in Freiheit auf der Koppel. Es handelt sich um einen hoch professionell geführten Betrieb, das ist viel mehr als ein Hobby.

Wann ist ein Pferd ein gutes Pferd?

Gute Pferde müssen hübsch aussehen. Keiner will heute mehr auf einem Maultier reiten. Sie müssen blütig sein, langbeinig, intelligent, müssen springen und sich gleichzeitig besonders gut bewegen können.

Erkennen Sie, ob ein Pferd intelligent ist?

Wenn ich dem Tier in die Augen schaue, weiß ich, ob es schlau ist oder nicht. Es gibt wirklich extrem dumme, aber eben auch extrem schlaue Pferde.

War es die Schuld des Pferdes, dass Sie im vergangenen Jahr schwer gestürzt sind und sich dabei mehrere Rippen gebrochen haben?

Nein, das war dämlich von mir. Ich bin sehr schnell geritten, und man konnte den Weg nicht richtig einsehen. Plötzlich ragte eine vom Sturm abgeknickte Birke in den Weg, da konnte das Pferd nicht mehr bremsen. Es ist über Kopf gestürzt und quasi auf mir gelandet. Da habe ich wirklich noch Glück gehabt.

Hatten Sie Angst, wieder aufzusteigen?

Überhaupt nicht. Das Pferd hat sich wieder aufgerappelt, ich bin rauf und nach Hause geritten. Erst dann taten mir die Rippen weh.

Sie sind sogar beim Derby mitgeritten.

Auf dem Derby-Platz bei einer Nebenveranstaltung. Das war vor ungefähr zehn Jahren und natürlich einer der größten Momente meines Lebens. Es war ein Teamspringen, immer ein Profi und ein Amateur traten zusammen an. Ich bin damals mit Achaz von Buchwaldt geritten, und wir haben tatsächlich gewonnen. Bei der Siegerehrung stand ich dann vorn auf dem Derbyplatz, drehte mich um und sah Leute wie Ludger Beerbaum hinter mir. Anschließend habe ich als Amateur die Ehrenrunde angeführt, war nicht wichtig, aber schön.

Ist das Derby für Sie als Zuschauer ein Pflichttermin?

Es ist das schönste Ereignis in Hamburg, und ich spreche da nicht nur von Sportereignissen. Für mich hat das Derby den schönsten Turnierplatz der Welt, es ist absolut hochkarätig und aufregend.

Hand aufs Herz: Haben Sie früher beim "Spiegel" öfter mal Pferdeartikel ins Blatt gehievt?

Beim "Spiegel" gab's und gibt's hauptsächlich zwei Sportarten: Fußball und Doping.

Eben. Das schließt Pferde ja nicht aus.

Stimmt auch wieder. Ich habe aber immer extrem penibel darauf geachtet, journalistische Arbeit niemals mit privaten Interessen zu verquicken.

Auf zum letzten Hindernis: Kürzlich machten Sie Schlagzeilen mit dem Projekt einer Wochenzeitschrift. Haben Sie das Thema ad acta gelegt?

Überhaupt nicht. Die "Woche" war ja nicht meine Idee, sondern ein Auftrag der WAZ-Gruppe. Wie bei einem Architekten, der ein Haus entwirft. Ich habe das Produkt fertig abgeliefert, allerdings fand der Auftraggeber in der aktuellen wirtschaftlichen Situation keine Partner. Mein Job war es nie, nach Gesellschaftern zu suchen. Jetzt liegen die Rechte bei mir. Und ich bin relativ optimistisch, dass sich da was tut.

Könnten Sie sich vorstellen, sich nur noch auf die Pferde zu konzentrieren?

Ich finde es zwar wunderbar auf dem Land, aber ich brauche auch die Stadt, möchte am gesellschaftlichen und politischen Leben teilhaben. Das Szenario, nur noch Pferde zu züchten, kann ich mir daher für mich nicht vorstellen. So weit geht die Liebe dann doch nicht.