In unserer Serie treffen wir Menschen aus Stormarn auf ihrer Lieblingsbank. Heute ist es die ehemalige Leiterin der Grundschule in Willinghusen.

Barsbüttel. Monika Krolls Lieblingsbänke sind bunt und niedrig. Sie stehen im Schulgarten, wo sie mit ihrem Kollegium so gerne in der Sonne saß. Am 31. Juli hatte die Pädagogin an der Grundschule in Willinghusen ihren letzten Arbeitstag - nach 25 Jahren, 17 davon als Schulleiterin. Bei ihrem Abschied sprachen der Landrat, die Schulrätin, die Pastorin und der Bürgermeister. Zu Tränen gerührt hat sie aber, dass ihre letzte Klasse, die 2007 die Schule verließ, erschien und ihr ein Ständchen brachte. Eigene Kinder blieben Monika Kroll versagt, dafür wurden die Grundschüler zu ihrer Herzensangelegenheit. "Lehren ist eine Aufgabe des Herzens", sagt die zierliche Frau.

Als sie 1984 in Willinghusen anfing, hatte die Grundschule fünf Lehrer und 91 Schüler. Heute hat die Schule eine Sporthalle, zwei Anbauten und doppelt so viele Schüler. Eine ihrer ersten Schülerinnen in Willinghusen feierte jetzt Hochzeit. Monika Kroll und ihr Mann Reinhard waren dazu eingeladen.

Geboren wurde sie in Neustadt an der Ostsee. Ihr Vater, dort Leiter des Sozialamtes, hätte lieber gesehen, dass sie in der Verwaltung anfängt. Doch Monika Kroll und später auch ihr vier Jahre jüngerer Bruder wurden Lehrer. Ihren ersten Einsatz als Referendarin hatte sie an einer Dorfschule in Kasseedorf bei Eutin. "Wir waren zu zweit mit 60 Kindern, der Schulleiter und ich." Sie unterrichtete die Klassen eins bis vier, er die Klassen fünf bis neun. Von Eutin ging es 1974 nach Oststeinbek, an die Helmut-Landt-Grundschule. Und von dort ein Jahr als Krankenvertretung an die Klosterbergenschule in Reinbek. Dann kam das Angebot aus Willinghusen. Schon bald übernahm sie hier Verantwortung, denn ihre Vorgesetzte starb. Schulrat und Kollegium bedrängten Monika Kroll, sich für die Stelle zu bewerben. "Damals war gerade die Verordnung geändert worden, so dass man sich auch an der eigenen Schule bewerben konnte." Alles lief gut, ihre Bestätigung stand unmittelbar bevor, da brachte ihr der damalige Schulrat Stelter ihre Unterlagen zurück. Zwei externe Bewerbungen lagen vor "und damit flog man raus", erzählt Monika Kroll. Was dann passierte, hatte man im Schulamt noch nicht erlebt. "Da haben alle Rabatz gemacht und die Eltern drohten, die Schüler nicht mehr zur Schule zu schicken." Die Gemeinde und alle Parteien standen hinter ihr und der damalige Bürgermeister Dieter Weis schrieb ans Ministerium. Die Presse berichtete über die rebellische Gemeinde, sogar das Fernsehen war da. Schließlich riet man den anderen Kandidaten, ihre Bewerbung zurückzuziehen. Kroll wurde 1992 mit 46 Jahren zur Rektorin der Schule gewählt, die sie schon zwei Jahre kommissarisch geleitet hatte.

"Es ist nicht immer leicht in einem kleinen Ort", sagt die scheidende Schulleiterin heute. Aber sie habe es immer als positiv empfunden, dass es eine sehr enge Zusammenarbeit mit den Eltern gab. "Vormittags waren es immer meine Kinder, am Mittag bekamen die Eltern sie zurück, das fanden die auch gut."

Oft fühlte sie sich nicht nur als Pädagogin, sondern auch als Psychologin und Seelsorgerin. Besonders wichtig war ihr immer, jedes Kind als Unikat wahrzunehmen und dass die Kinder lernten miteinander umzugehen. "Internet, SMS - teilweise können die Kinder heute gar nicht mehr miteinander reden", sagt sie. Deshalb findet sie auch das Lesen so wichtig: "Ein Tag ohne Lesen ist ein verlorener Tag." Wer gedruckte Abenteuer durchlebe, werde ganz unbemerkt gefördert in Wissen, Sprache und Konzentration. Erschrocken sei sie darüber, wie manche Kinder heute mit ihren Eltern umgingen und wie sich Erziehungsberechtigte zu Sklaven ihres Nachwuchses machten. "Wenn es regnet, werden manche Schüler 500 Meter mit dem Auto gebracht." Grenzen setzen, Strukturen und Regeln lernen, das komme heute zu kurz. "Die Erstklässler von heute haben andere Kinderjahre hinter sich als vor 30 Jahren." Aufgeweckt und wissbegierig seien die ABC-Schützen aber immer gewesen.

Die Hamburger Schulreform, die mit der Primarschule die Grundschulzeit auf sechs Jahre verlängern will, findet sie problematisch. Das Prinzip sei gut, bei der Umsetzung erwarte sie aber ein Chaos. Es sei "furchtbar, wenn Grundschulen nicht genug Platz haben und Gymnasien leer stehen, oder wenn Lehrer zwischen Schulen pendeln müssen." Dass die Kollegen dabei differenzieren und allen Schülern gerecht werden können, hält sie für fraglich. Den in Schleswig-Holstein eingeführten jahrgangsübergreifenden Unterricht in den Klassen eins und zwei findet sie gut, glaubt aber nicht, dass er sich durchsetzt, weil dazu mehr Personal gebraucht wird. "Wir kriegen dafür zu wenig Lehrerstunden." Schulpolitik sollte Sache des Bundes sein, meint sie. Damit Lehrer überall in Deutschland die gleiche Ausbildung und das gleiche Gehalt bekämen. Dass sie ihre Nachfolgerin quasi selber ausgesucht hat - die neue Schulleiterin Gabriela Bock war vor ihrer Zeit an der Reinbeker Hertzig Schule einige Jahre als Lehrerin in Willinghusen tätig - gibt ihr ein gutes Gefühl. Nun hat sie mehr Zeit für ihr liebstes Hobby, das Lesen. Das Klavierspiel möchte sie wieder aufnehmen und vielleicht wieder Tennis spielen. Auch an die Möglichkeit, ihre Erfahrungen weiterzugeben, hat sie gedacht. In der Lehrerfortbildung oder in ihrer freien evangelischen Gemeinde in Bergedorf.

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