In unserer Serie treffen wir Menschen auf ihrer Lieblingsbank in Stormarn. Heute ist es eine engagierte Frau aus der Kreisstadt, die sich zurzeit um 95 Pfleglinge kümmert.

Bad Oldesloe. Wer das Strahlen in ihren Augen beim Anblick einer kleinen Katze sieht, weiß sofort, was Heike Reher antreibt: bedingungslose Tierliebe. Und das Bedürfnis, denen zu helfen, die sich nicht für ihre eigenen Rechte einsetzen können. Die Frau mit den langen blonden Haaren und dem warmen Lächeln ist Vorsitzende des Tierschutzvereins Bad Oldesloe und Leiterin des Tierheims der Kreisstadt. Zu jedem ihrer momentan 95 Schützlinge kann sie eine eigene Geschichte erzählen. Jedes Tier liegt ihr am Herzen und jedes Mal, wenn eins von ihnen ein neues Zuhause findet, freut sie sich. "Tierschutz ist mir eine Herzensangelegenheit", sagt die 48-Jährige.

Obwohl sie einen Viertagejob als Steuerfachwirtin hat, verbringt sie rund 20 Stunden pro Woche im Tierheim. In ihrer Freizeit sammelt sie Spenden und setzt sich in der Kommunalpolitik für die Förderung des Tierschutzes ein. "Wenn ich etwas mache, dann richtig. Entweder ganz oder gar nicht." Solche Sätze klingen bei anderen Menschen abgedroschen, doch für Heike Reher ist es eine Lebensphilosophie. Wenn sie in ihrem Job etwas Wichtiges zu Ende bringen will, bleibt sie auch schon mal bis vier Uhr morgens im Büro. "Mein Beruf ist automatisch auch mein Hobby." Sie könne jedem Job etwas Positives abgewinnen. Ihre Motivation gehe manchmal bis zur Selbstaufgabe. "Ich werde immer wieder von Freunden und Familie ermahnt, dass ich mehr auf mich selbst achten und mein Privatleben nicht so vernachlässigen soll. Ich habe versucht, mich zu ändern, aber ich bin nun einmal so."

Vor sieben Jahren trat Heike Reher dem Tierschutzverein bei. Anlass dafür war die Reaktion eines Vereinsmitgliedes auf ihre Frage nach einer Katze. "Die Dame fragte mich, ob ich mit zwei Katzen nicht überfordert wäre. Das hat mich sehr verletzt", erinnert sie sich. "Ich habe mir damals vorgenommen, dass ein verantwortungsbewusster Mensch, der einem Tier ein neues Zuhause geben möchte, nie wieder auf Ablehnung stoßen soll." Seitdem kümmert sie sich selbst darum, dass die Tiere in die richtigen Hände geraten.

Wenn sie könnte, würde sie wohl alle selbst behalten. Das Haus in Pölitz teilen ihr Mann und sie sich mit mehreren Katzen, einem Eichhörnchen und ein paar Igeln. Seit Jahren nimmt sie verletzte Tiere auf, um sie gesund zu pflegen. 2005 verschaffte ihr das Eichhörnchen Cinderella, das sie damals aufpäppelte, ungewollte Berühmtheit. "Es war eine sehr traurige Geschichte", sagt Reher, "ein Fernsehteam besuchte mich, um einen Bericht über das Eichhörnchen und meinen Kater Pitri zu drehen. Die beiden hatten sich angefreundet und spielten die ganze Zeit zusammen." Während der Dreharbeiten trat eine Reporterin Cinderella aus Versehen tot. "Es war ein Schock. Ich war in den Wochen davor alle halbe Stunde aufgestanden, um sie zu füttern." Die Nachricht ging um die ganze Welt. Zeitungen in Tokio, Hongkong, Belgrad und Stockholm berichteten von dem Vorfall. "Ich habe Geld für ein Eichhörnchen-Grab und viele Trauerbriefe zugeschickt bekommen", sagt Heike Reher. Das Ganze sei ihr aber zu viel geworden. Schließlich stehe sie nicht gern im Mittelpunkt.

Manchmal stößt sie aber auch auf Widerstände. "Einige Menschen belächeln den Tierschutz", sagt Reher. "Sie fragen mich, wieso wir Katzen operieren. Das seien doch bloß Tiere." Besonders ärgere es sie, wenn Leute nicht verstehen würden, dass Tierschutz Geld koste. "Einmal sagte ein Politiker zu mir: 'Ja, Frau Reher, andere sammeln Briefmarken, und Sie machen halt Tierschutz'. Diese Ignoranz hat mir Tränen in die Augen getrieben." Nicht immer falle es ihr leicht, Dinge nicht zu nah an sich heranzulassen. "Für andere kann ich zur Furie werden, aber wenn es um mich selbst geht, bin ich wie ein kleines Kind", gesteht sie.

Mit leiser Stimme erzählt sie von Tierbabys, die in Mülltonnen gesteckt werden, und von misshandelten Hunden. "Was wir mitkriegen, ist wahrscheinlich nur die Spitze des Eisberges", sagt Reher, "wir Menschen haben diese Tiere angeschafft, gezüchtet und domestiziert. Deshalb tragen wir auch die Verantwortung für sie." Motivierend seien die vielen positiven Rückmeldungen für das Tierheim-Team. Sie lächelt und blättert durch das Gästebuch. Einträge wie "Ihr macht tolle Arbeit" und "Ich bin froh, dass es euch gibt" rühren sie.

Wenn sie könnte, würde Heike Reher noch viel mehr tun: "Ich würde gerne in Schulen über Tierschutz berichten, doch wir haben nicht genug Personal. Von der Stadt bekommen wir nur ein Zehntel von dem Geld, das wir benötigen. Der Rest kommt durch Spenden zusammen."

Ihr Wunschtraum ist es, eine Art "Tafel für Tiere" zu gründen, bei der sich Menschen, die sich kein Futter leisten können, kostenlose Tiernahrung holen können. Denn die Wirtschaftskrise sei auch an den Vierbeinern nicht vorbeigegangen. "Es gab einen dramatischen Anstieg bei ausgesetzten und abgegebenen Tieren aufgrund finanzieller Probleme", sagt die Tierschützerin.

Manchmal, wenn sie sehe, dass Menschen nicht richtig für ihre Tiere sorgen können, biete sie ihnen an, sich Futter beim Tierheim zu besorgen. "Die Tiere können schließlich nichts für die wirtschaftliche Situation", sagt Heike Reher und streichelt die zwei kleinen Katzenbabys, die auf ihrem Schoß sitzen.