In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute: ein Koch, der alle Höhen und Tiefen des Lebens erfahren hat.

Bargteheide. Vormittags ist Dieter Hopfe nicht zu Hause. Wer trotzdem mit ihm reden möchte, muss "im Dorf" nach ihm Ausschau halten. In der Nähe der Sparkasse oder der Post ist die Chance besonders groß. Irgendwo dort muss er stecken. "Ich muss ja schließlich dat Dörp rein maken", sagt der 69-Jährige. Das Dorf rein machen? "Ja, klar", bekräftigt der Bargteheider und lächelt spitzbübisch.

Allmorgendlich zieht er los. Allerdings nicht mit Schaufel und Pike, sondern mit offenen Ohren. Wo war die Feuerwehr gestern? Wer ist gestorben? Was war sonst so los? "Das hat man früher so gemacht. Und das mach' ich heut' noch so", sagt Dieter Hopfe, der noch immer in dem Haus lebt, in dem er geboren wurde.

Für den 69-Jährigen ist Bargteheide noch das Dorf von früher geblieben, auch wenn er selbst als Koch in die Welt hinausgezogen ist, bei Altkanzler Helmut Schmidt für das Mittagessen gesorgt hat und als Küchenmeister auf der TS Hamburg über die Weltmeere gefahren ist. Vielleicht gerade deshalb. Denn hierher, in sein Dorf, konnte er zurückkommen. In eine Gemeinschaft, die ihn getragen hat.

"Mein Thema ist die Sucht", sagt Dieter Hopfe mit einer Offenheit, die sofort Nähe herstellt. "Das wissen auch alle hier. Du musst ehrlich sein, vor dir selbst und vor den andern. Sonst schaffst du es nicht."

Dieter Hopfe hat es geschafft. Vor 17 Jahren wurde er entlassen, aus einer Suchtklinik in Niedersachsen. Das Erste, was er danach machte: Er ging zum Schützenfest. "Ich bin wieder auf dem Trockendock, hab' ich denen gesagt. Und da war alles klar."

Seitdem ist Alkohol für ihn das Thema. Nicht, weil er wieder trinkt, sondern weil er keinen Tropfen anrührt und das auch in Zukunft nicht will. Nie wieder. Keine Weinbrandbohne. Keinen Keks mit Rum-Aroma. Kein dann eben doch nicht ganz alkoholfreies Bier. "Die Angst vor dem Rückfall muss ich immer haben", sagt Hopfe, der weiß, wovon er spricht. Er hatte es schon einmal geschafft. Und dann kam wieder der Absturz.

"Es gab eine Zeit, da musste ich vor der Arbeit vier Halbe trinken, um eine ruhige Hand zu kriegen", erinnert er sich. Am Ende trank er den ganzen Tag, auch während der Arbeit. Der Weißwein für die Suppe war ein willkommener Anlass. Hopfe: "Einen Schuss in die Suppe, den Rest hab' ich angesetzt." Die Sucht geheim zu halten, war nicht das Problem. "Ein Alkoholiker ist ein Maskenmann."

Vier Tage vor Weihnachten im Jahr 1991 war es dann vorbei. Da kam die Abmahnung. "Entweder du hörst mit dem Trinken auf", sagte sein Chef, "oder du kannst zu Hause bleiben." Rausgekommen war es durch ein missglücktes Curry-Huhn. Hopfe: "Der Gast hatte sich beschwert. Da wusste ich: Ich bin fertig."

Dieter Hopfe blieb aber nicht zu Hause. Er kam wieder und räumte die Küche im Ahrensfelder Hof um. Der Alkohol wurde verbannt. Hopfe: "Und wenn ein Schuss Wein an das Gericht musste, hat das Elfi gemacht." Zwei Jahre hatte er um seine Elfi geworben, damals 1963 im Hotel Reichshof in Hamburg. Seitdem ist sie an seiner Seite und hält zu ihm. "Allein kriegst du das nicht hin", sagt Hopfe, der auch seit 15 Jahren eine Selbsthilfegruppe in Bad Oldesloe hat, die er seit ein paar Jahren leitet. "Die Gruppe ist meine Lebensversicherung."

Wie konnte es soweit kommen? Dieter Hopfe: "Der Beruf bietet Gelegenheiten ohne Ende. Und dann der Stress. Mittags und abends musst du alles auf den Punkt fertig kriegen."

Dieter Hopfe hatte sein Dorf verlassen und war ausgezogen, um sein Glück zu machen. Als Küchenmeister ist er zurückgekehrt. Und er hat sein Glück gemacht - auf bitteren Umwegen. "Ich würde es trotzdem immer wieder so machen", sagt der Bargteheider. Seine Frau hat er so gefunden und berufliche Anerkennung. Er hat ganz Deutschland gesehen und die Welt bereist. "Beckmann und die anderen Promis kenn' ich auch alle", sagt Hopfe, der jedes Jahr auf Sylt beim Polo-Turnier kocht.

Zu Hause hat allerdings Elfi die Kochmütze auf. Hopfe: "Ich mach' zu viel schmutziges Geschirr. Und Elfi kocht prima." Am liebsten isst er Hausmannskost, wie Altkanzler Schmidt. "Der wollte immer Aalsuppe, Labskaus und rote Grütze."

Der Bargteheider, der vor dem Dorf-Reinmachen jeden Tag um 6 Uhr in die Fluten des Freibades springt, kann wieder lachen. Und das tut er mit einem Charme, aus dem pure Lebenslust spricht. Die schlimmen Stunden sind aber nicht vergessen. So geht er in die sechsten Klassen, um über die Gefahren von Alkohol zu sprechen. Genauso gut kann er zuhören. Wer ihn im Dorf trifft, kann sich auf einen netten Plausch freuen. Und auf Verständnis.