In unserer Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute ist es eine ganze Gruppe, die sich Gedanken über Menschen und Tiere macht.

Reinfeld. Dexter, den sie den Sheriff nennen, läuft von einem zum anderen und kläfft. Jessi hat ein Loch gegraben und ist darin abgetaucht. Lasko muss seit dem Start einer neuen Fernsehserie mit dem Spitznamen "Die Faust Gottes" leben - der Protagonist heißt genauso wie er. Lasko steht mit allen Vieren im Teich und scheint zu sinnieren. "Eigentlich nennen wir ihn die Kuh. Die Wasserkuh", sagt Manfred Quäck (76). Sein Bendit ist weiß und hat schwarze Punkte. Ein Dalmatiner. "Als wir ihn bekommen haben, ist er ganz schwarz gewesen. Dann haben wir ihn mit Ariel gewaschen", sagt Quäck, "sehen Sie selbst, was dabei herausgekommen ist."

Die anderen lachen. Quäck hat in ihrer Runde den Ruf des Scherzbolds. Nun lehnt er sich zurück, faltet die Hände auf dem Bauch, lässt sich die Morgensonne ins Gesicht scheinen und grinst zufrieden. Die anderen, das sind: Rita Struck (54), das Frauchen vom Sheriff, der ein Jack Russell ist. Ingeborg Preuß (65), der die Wasserkuh gehört, ein Labrador. Volker Rausch (64), das Herrchen von Golden-Retriever-Dame Jessi aus dem Erdloch. Und Ingeborg Knolle (59), deren Fritz so ähnlich aussieht wie Lasko. Nur viel dünner ist er. "Lasko ist ein echter Labrador", sagt Ingeborg Preuß, die Betonung auf "echter" gelegt.

Seit zig Jahren treffen sie sich am Ufer des Herrenteichs, setzen sich gut einen Kilometer nördlich des Strandbads auf eine Bank und lassen ihre Hunde spielen. "Die Bank ist nicht immer dort gewesen. Die Stadtverwaltung hat sie für uns aufgestellt", sagt Rita Struck. Dann fragt sie die anderen: "Weiß jemand von Ihnen, wo Herr B. heute steckt?" Sie sind Freunde. Aber sie duzen sich nicht. "Wir trauen uns nicht. Außerdem muss der Älteste fragen", sagt Rita Struck. "Na ja, kann ich ja irgendwann mal machen", brummt Manfred Quäck. Der Sheriff kläfft immer noch. "Das ist genau wie bei den Menschen. Die kleinsten sind die lautesten", sagt Rita Struck.

Überhaupt ziehen die Fünf vom See viele Parallelen zwischen Tier und Mensch. "So, wie unsere Hunde sich vertragen, ist das eine feine Sache", sagt Rita Struck. Und nicht nur das: Es liege an den Hunden, ob die Menschen sich verstünden. Am Herrenteich passt die Mischung offenbar perfekt.

Kleinere Missverständnisse gehören dazu. "Du bist doch auch ein echter Labrador", sagt Ingeborg Knolle plötzlich, streicht ihrem Fritz übers schwarze Fell und blickt tief in die treuen Hundeaugen. "Es ist eben wie bei den Menschen", erklärt sie, und es klingt beinahe beschwörend, "es gibt dickere, und es gibt dünnere. Und du bist eben ein dünnerer." Das ist das neue Stichwort für die Runde. Was machen eigentlich Laskos Abnehmversuche? Die Kuh, die Faust Gottes, ist nämlich zu dick. "Er wiegt 50 Kilo, mal mehr, mal weniger", sagt Ingeborg Preuß. Der Tierarzt kontrolliere gelegentlich. "Aber wenn der Doc mit Lasko auf die Waage geht", wendet Manfred Quäck ein, "dann weiß man hinterher doch gar nicht, wer abgenommen hat: Lasko oder der Arzt."

Lasko ist gewissermaßen verwaist. Sechs Jahre war er alt, als zu Hause, in Hamburg, sein Herrchen starb und sein Frauchen daraufhin ins Altersheim musste. Da sollte Lasko auch ins Heim - ins Tierheim. Seit zwei Jahren lebt er bei Familie Preuß, die ihn davor bewahrt hat. Fritz, der ja auch ein echter Labrador ist, darf getrost als Scheidungsopfer bezeichnet werden. "Er sollte eine Ehe retten, die dann doch zerbrochen ist", sagt Ingeborg Knolle. Auch vierbeinige Scheidungsopfer kommen ins Tierheim - es sei denn, ein anderes Ehepaar mit großem Herz bewahrt sie davor. Es ist eben wie bei den Menschen: Auch Hundebiografien sind nicht frei von harten Schicksalen.

Wären Dexter und Bendit Menschen, so müsste man sie wohl Pflegekinder nennen. Der eine war der Wunschhund der Struckschen Tochter, die jetzt studiert, der andere gehört formal der Enkelin von Manfred Quäck, die zu wenig Zeit für ihn hat. Nur bei Jessi (die noch in der Kuhle liegt; Dexter steht daneben und kläfft) liegen die Dinge anders. Sie ist quasi ein Wunschkind. Volker Rausch, der ein bisschen abseits der Gruppe steht und das Geschehen still beobachtet hat, lächelt ein wenig. "Mit ihr habe ich eine neue Aufgabe", sagt er. Der pensionierte Stadtbedienstete deutet es an: Er ist sehr gern zur Arbeit gegangen.

Eine Aufgabe sind ihre Hunde wirklich. Es ist keine Schönwetter-Runde, die sich am See trifft. Manfred Quäck sagt: "Ob's regnet, stürmt oder schneit, wir sind immer unterwegs. Einfach zu Hause bleiben, weil das Wetter nicht passt - das geht nicht." Und wenn es dem Hund mal nicht so gut gehe, müsse man sogar nachts aufstehen und einen Spaziergang unternehmen.

Es mag für Außenstehende anstrengend wirken. Ein Leben, in dem man nicht spontan mit dem Flugzeug in den Urlaub reisen kann. In dem man sich gut überlegen muss, wie lange man von zu Hause weg bleibt. Doch es ist wie bei den Menschen. "Der Hund ist ein Familienmitglied. Und auf ein Familienmitglied muss man Rücksicht nehmen", sagt Manfred Quäck. "So einfach ist das."

Lasko kommt aus dem Teich getrottet. Er schüttelt sich. Wer mit Hunden spazieren geht, sollte sich nicht allzu fein kleiden. Jessi hat genug von ihrem Erdloch und kommt herausgekrabbelt. Fritz und Bendit scharren mit den Pfoten. Sie wissen: Es geht jetzt weiter. Und Dexter, den sie den Sheriff nennen, läuft von einem zum anderen und kläfft.