Bank-Geheimnisse: In unserer neuen Serie treffen wir Stormarner auf ihrer Lieblingsbank. Heute ist es Brigitte Thumann - die Frau, die Kultur und Kiosk vereint.

Großensee. Eine frische Brise weht über den Großensee, nur ab und zu blitzt die Sonne durch den wolkenverhangenen Himmel. Nicht einmal hartgesottene Schwimmer finden an diesem Nachmittag den Weg ins Strandbad. Lediglich ein paar Enten watscheln unbeeindruckt über die Liegewiese.

"Ach ja, das liebe Federvieh", sagt Brigitte Thumann. Über das sich die Badegäste immer wieder beschweren, weil die Tiere mit ihrem Kot die Wiese und den Sandstreifen verunreinigen. Das Thumann aber nicht aus der Welt schaffen kann, weil Enten und Gänse in einem Naturbad nun einmal zu Hause sind. Einmal hat sie ein Gerät aufgestellt, das die Laute von Greifvögeln imitierte. "Was glauben Sie, ist daraufhin passiert? Die Gänse haben nicht etwa das Weite gesucht, sondern das Gerät neugierig in Augenschein genommen."

Und so sammelt sie jeden Morgen mit Eimer und Schaufel den Kot aus dem Sand. Mehr geht nicht. "Pampers für das Federvieh gibt es noch nicht", sagt die temperament- und humorvolle Frau, die seit 15 Jahren den Kiosk im Strandbad betreibt und als Seniorchefin im Restaurant "Zur Corbek" den "Großenseer Kulturwinter" veranstaltet. "Das ist mein K & K-Programm", sagt sie. "Im Sommer Kiosk, im Winter Kultur", sagt Brigitte Thumann, die 1944 in Pommern geboren wurde und seit 1954 in Großensee lebt. Ihre Eltern führten einen Tante Emma-Laden. Manchmal half sie mit, auch an jenem Tag vor über vier Jahrzehnten, als der junge Mann von Gegenüber den Laden betrat, sie eine halbe Stunde auf Trab hielt und schließlich mit einer Lakritzschnecke für fünf Pfennig wieder ging.

"44 Jahren sind wir mittlerweile verheiratet", sagt Brigitte Thumann. Sie besuchte die damalige Frauenfachschule in Hamburg, wollte Fürsorgerin werden, "weil ich immer schon etwas Soziales machen wollte". Das hat sie bis heute hundertfach ins Praktische umgesetzt. Sie ist nicht auf den Mund gefallen, kann zuhören, begegnet jedem Menschen mit einer entwaffnenden Offenheit, nimmt Anteil am Leben anderer.

Sie arbeitete bei Feinkost Heimerdinger am Neuen Wall in Hamburg, bis das Geschäft Anfang der Achtzigerjahre schloss. Den amerikanischen Schauspieler Rock Hudson habe sie oft bedient, erzählt Brigitte Thumann. Sie führte einen Weinladen mit Ausschank im Jenfelder Einkaufszentrum, organisierte zusammen mit dem Center-Management Kunstausstellungen und übernahm nicht selten die Rolle der Lebensberaterin. Einige Gäste aus jener Zeit begrüßt sie heute noch mitunter in der "Corbek".

Als der jüngere ihrer beiden Söhne 1995 das Restaurant am Großensee pachtet, steht sie an seiner Seite, übernimmt für die Gemeinde den Verkauf der Eintrittskarten fürs Strandbad und darf dafür den Kiosk betreiben. "Das ist jetzt mein 15. Sommer. So schnell vergeht die Zeit", sagt Brigitte Thumann und schüttelt ungläubig den Kopf. Sie freut sich, wenn Gäste zu Stammgästen werden, Neuigkeiten austauschen oder plötzlich mit Kinderwagen erscheinen. Und sie denkt sich ihren Teil, wenn sie wegbleiben. "Es sind ja viele ältere Menschen hierher", sagt sie. In einem Punkt spielt das Alter keine Rolle: Alle lieben ihren Butterkuchen, den sie an ihrem Kiosk anbietet.

Im Winter sehnt sie den Sommer herbei, im Sommer denkt sie schon an den Winter. Daran, welche Künstler sie für ihr Kulturprogramm engagieren kann. Seit 15 Jahren sorgt sie für kulturelle Abwechslung am Großensee - mit bekannten Namen und ohne die Hilfe von Sponsoren. Der Anfang war schwer -"eigentlich ein Flop", sagt Brigitte Thumann. Sie hatte Ernst Stankowski "gekriegt" und für die weihnachtliche Lesung extra das Dorfgemeinschaftshaus gemietet. "Ein Wiener Burgschauspieler zieht die Massen an", hatte sie gedacht. Es kamen 25 Gäste - weil niemand im Ernst geglaubt hatte, dass "Stanko" tatsächlich nach Großensee kommt.

Doch Brigitte Thumann ließ sich nicht entmutigen, im Gegenteil: "Jetzt erst recht", hat sie sich gesagt. Heute ist das Restaurant Corbek ein Kulturtreff, der sogar Gäste aus Kiel und Lübeck anzieht. Will Quadflieg war da und Volker Lechtenbrink, den Brigitte Thumann so lange angerufen hat, bis er zusagte. Er brachte es vor seinem Auftritt auf den Punkt. "Sie kennen die Steigerung von "beharrlich? Nein, diese kennen Sie nicht: Beharrlich, beharrlicher, Frau Thumann."

Auch Ulrich Pleitgen folgte dem Beispiel seiner Schauspielkollegen. Und Peter Striebeck. Seine Abende sind seit Jahren eine feste Größe im Programm und fast immer sofort ausgebucht. Thumann hat ihn 1997 bei Dreharbeiten für eine "Tatort"-Folge am Großensee in der Corbek bewirtet. Und sie hat ihn angesprochen - auf Schneidemühl, die Stadt in Pommern, in der ihre Eltern in den Dreißigerjahren einen Tabakladen führten. Auf die Stadt, in der Striebecks Vater Intendant am Stadttheater war - und Kunde bei Thumanns Eltern. "Wir haben nach den Dreharbeiten noch lange geklönt und Erinnerungen ausgetauscht", sagt die Seniorchefin der Corbek.

Das Haus ihrer Eltern in Schneidemühl steht noch heute. Sie war mit ihrer Mutter vor Jahren noch einmal da. "Ich wollte alles noch einmal mit ihren Augen sehen", sagt die Frau, die fest im christlichen Glauben verwurzelt ist.

Ans Aufhören denkt sie noch lange nicht. Den Schauspieler Thomas Fritsch würde sie gerne mal an den Großensee holen. "Ich arbeite daran", sagt sie schmunzelnd.