Der Rohbau des CFK-Forschungszentrums Nord ist fertig. Die Hochtechnologie soll der Wirtschaft in der Region neue Impulse geben

Stade. Es geht um die Zukunft und um viel Geld. Seit sich die Stadt Stade dazu entschlossen hat, ihre wirtschaftliche Entwicklung eng mit kohlenfaserverstärkten Kunststoffen (CFK) zu verknüpfen, befindet sie sich in einem weltweiten Konkurrenzkampf. Einst Vorreiter in der CFK-Entwicklung, ziehen seit mehreren Jahren andere Städte nach und versuchen, Kompetenz in Sachen CFK auch bei sich zu etablieren. Nicht nur national, sondern auch international schauen die Wirtschaft und die Politik gespannt auf den CFK-Werkstoff, der vor allem in der Luftfahrtbranche stark begehrt ist.

Thomas Friedrichs, Wirtschaftsförderer der Hansestadt Stade, steht inmitten von Stades größter Baustelle und ist zufrieden. Der Kommune ist der nächste Coup gelungen: Der Rohbau für das "Forschungszentrum CFK Nord" ist fertig, jetzt wird Richtfest gefeiert. Polit-Prominenz ist eingetroffen, um das Prestigeprojekt zu begutachten. "Das Forschungszentrum kostet 26,3 Millionen Euro netto", sagt Friedrichs. Das Geld sei gut angelegt. "Insgesamt 98 Prozent der Fläche sind bereits vermietet, für die restlichen zwei Prozent Büroflächen wollen wir Hochschulinstitute gewinnen."

Die Chancen hierfür stehen nicht schlecht, denn die Liste der bisherigen Mieter in dem Forschungszentrum liest sich wie das "Who is who" der Hochtechnologie: das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, die Fraunhofer-Gesellschaft, Premium Aerotec, Dow Deutschland, der Rüstungskonzern EADS, Invent GmbH sowie die Hochschule PFH Göttingen und eben das CFK-Valley Stade. Jener Verein also, dessen Name in der internationalen Fachwelt für die Wirtschaftsexpertise der Stadt Stade steht.

Die Stadt Stade ist stolz auf ihr neuestes Paradestück

Für Bürgermeister Andreas Rieckhof ist es ein Glücksfall, dass sich seine Stadt in dem internationalen Wettbewerb so gut behaupten kann. Nicht ohne Grund verkündet er daher: "Wir sind stolz auf dieses Projekt und freuen uns darauf, wenn in wenigen Monaten die Forschungsarbeiten beginnen." Das soll am 21. September sein. Dann soll der Rohbau, das größte städtische Projekt seit dem Bau des Kulturzentrums Stadeum, bezugsfertig sein.

Dass sich die Stadt international so gut behauptet, hängt unter anderem eng mit dem Namen Thomas Friedrichs zusammen, der nicht nur Wirtschaftsförderer ist, sondern auch Geschäftsführer der CFK Nord Anlagengesellschaft. Friedrichs hat Stades CFK-Geschichte über Jahre hinweg begleitet und mit geprägt, nicht mit der direkten Forschung, sondern indem er akribisch den Weg für die Weiterentwicklung des CFK-Standortes Stade vorbereitet hat.

"Ich weiß noch, wie wir 2004 das CFK-Dienstleistungszentrum in Betrieb genommen haben. Damals dachten wir, dass wir für mehrere Jahre mit Räumlichkeiten vorgesorgt hätten", sagt Friedrichs. Doch schon bald erkannte er, dass die Entwicklung viel rasanter voranschreitet, als zunächst erwartet. Seitdem wurde eine Hochschule für die CFK-Forschung etabliert und der Bau des neuen Forschungszentrums in die Wege geleitet.

Wie lange die Stadt damit auskommen wird, darüber mag Friedrichs keine Prognosen abgeben. "Das kann ich auch nicht, denn bisher wurden wir von dem Erfolg immer überholt", sagt der Wirtschaftskenner. Die Branche erlebe derzeit ein Wachstum von 15 Prozent pro Jahr, Technologietreiber ist vor allem der neben dem Forschungszentrum angesiedelte Flugzeugbau mit Airbus. Künftig werde aber noch mehr Bewegung in die Branche kommen. "Fahrzeuge wie Autos und Lastwagen, aber auch andere Alltagsgegenstände werden schon bald aus CFK-Komponenten hergestellt werden", sagt Friedrichs. Für diesen Fall ist die Stadt gerüstet.

Für die CFK-Zukunft ist noch ausreichend Platz vorhanden

Acht Hektar Wachstumsflächen sind rund um das Forschungszentrum frei. "Damit werden wir flexibel auf die Entwicklung reagieren können", sagt Friedrichs. Und mit seiner Bündelung von Kompetenzen und Ressourcen an einem zentralen Ort, von der Lehre über die Forschung und Produktion bis hin zum Recycling, verfüge die Stadt über beste Voraussetzungen im wirtschaftlichen Wettbewerb.

Das neue Forschungszentrum soll die Standortbedingungen weiter verbessern. Von den neuen Mietern versprechen sich die Stadt und auch die Wirtschaft, dass die Produktionskosten für den High-Tech-Werkstoff weiter gesenkt werden können. Vieles wird im CFK-Segment noch in Handarbeit gemacht. Dow, Airbus, die Fraunhofer-Gesellschaft und andere Mieter wollen in dem Zentrum an Lösungen für industrialisierte und damit wirtschaftlichere Produktionsprozesse arbeiten.

Das Kernstück hierfür ist eine 11 600 Quadratmeter große, 150 Meter lange, 50 Meter breite und 24 Meter hohe Halle, die in zwei Teilbereiche gegliedert ist. Der südliche Teil der Halle ist klimatisiert. Das soll optimale Bedingungen bei der Verarbeitung der Karbonfasern und Epoxydharze garantieren. Zusätzlich ist ein Autoklav, eine Art Backofen, für die Aushärtung der CFK-Komponenten vorgesehen sowie zwei spezielle Deckenkräne, die bis zu 40 Tonnen schwere Bauteile transportieren können.

Neben der Produktionshalle verfügt das Gebäude über drei Bürotrakte, in denen auch Labors untergebracht werden sollen, sowie über eine etwa 475 Quadratmeter große Photovoltaikanlage auf dem 950 Quadratmeter großen Dach, der sogenannten Solarhalle. Die soll das Gebäude mit Energie versorgen. Freistehend vor dem Forschungskomplex entsteht außerdem ein neuer "Info-Point" - das künftige Domizil des Vereins CFK-Valley Stade.