Kiels Oberbürgermeister Albig und SPD-Parteichef Stegner teilen ordentlich aus, können sich aber nicht auf einen Kandidaten einigen.

Kiel. In der Nord-SPD hat ein beinharter Machtkampf begonnen. Am Wochenende ließ Partei- und Fraktionschef Ralf Stegner durchblicken, dass er Kiels Oberbürgermeister Torsten Albig die Spitzenkandidatur bei der Neuwahl nicht überlassen will. Das Duell entscheiden sollen die knapp 20 000 Landes-Genossen in einem Mitgliederentscheid. Der Gewinner würde im Fall eines SPD-Wahlsiegs Ministerpräsident in Schleswig-Holstein werden.

Im Streit um den Topjob wurde die erste schmutzige Wäsche schon gewaschen. Stegner blieb auf Nachfrage des Abendblatts dabei, dass er von Albigs Kandidatur am Freitagabend eiskalt erwischt wurde. "Ich habe es aus den Medien erfahren." Albig versicherte dem Abendblatt, dass er den Sprecher des Parteichefs bereits am Donnerstag informiert habe. "Ansonsten habe ich mich nur mit Menschen abgestimmt, die mir nah sind."

Umstritten ist auch das Verfahren zur Kandidatenkür, das der SPD-Landesvorstand unter Leitung Stegners am Sonnabend einstimmig absteckte. Demnach sollen sich mögliche Spitzenkandidaten bis Monatsende melden, um sich dann allen 15 Kreisverbänden vorzustellen. Nach jeder Runde sollen die Genossen geheim den "Gewinner des Abends" bestimmen und spätestens im Frühjahr in einem landesweiten SPD-Entscheid den Spitzenkandidaten küren.

"Das Verfahren ist so demokratisch wie bisher keines in einer Partei in Deutschland", meinte Stegner. Albig sieht das anders. "Menschen, die wie ich als Oberbürgermeister im Arbeitsleben stecken, können sich anders als Parteifunktionäre nicht einfach in einem sehr kurzen Zeitraum 15 Abende freiräumen." Er schlug als Kompromiss vor, sich vor dem Mitgliederentscheid auf "eine Handvoll" Regionalkonferenzen zu einigen. Auf Nachfrage lehnte Ralf Stegner das ab. "Wer ein Amt haben will, muss sich die nötige Zeit eben nehmen."

Der SPD-Chef kündigte zugleich an, dass er seine Karten erst auf dem Landesparteitag am Sonnabend in Kiel auf den Tisch legen will. "Das gehört sich so." Es sei kein guter Stil, eine Entscheidung über die Medien bekannt zu geben. In der SPD gilt es als sicher, dass Stegner seinen Traum vom Amt des Regierungschefs nicht kampflos aufgibt. Demnach wird er vielmehr versuchen, Albig in den Kreisduellen so zu zermürben, dass der Kieler OB noch vor dem Mitgliederentscheid die Segel streicht.

Klar ist, dass die Genossen die Wahl haben zwischen zwei Politikern, deren Profil und Programmatik kaum unterschiedlicher sein könnten. Stegner (50) ist ein Kopfmensch, ein intellektueller Polit-Stratege, ehrgeizig, selbstbewusst und durchsetzungsstark. Albig (47) ist ein anderer Typ, geht offen auf Menschen zu, ein kluger Pragmatiker, der nicht um jeden Preis recht haben und gewinnen will. Der Jurist ist sich denn auch sicher, dass die SPD mit ihm als Spitzenkandidat besser abschneiden würde: "Ich kann eine breitere Zustimmung für die SPD mobilisieren und Mehrheiten bei Wahlen gewinnen."

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In der Programmatik sieht Albig keine großen Unterschiede zu Stegner. "Inhaltlich liegen wir nicht sehr weit auseinander." Im Stegner-Lager wird das entschieden bestritten. Demnach ist der Parteichef der Garant dafür, dass die traditionell linke Nord-SPD auf Kurs bleibt. Albig, Ex-Sprecher des ehemaligen Bundesfinanzministers Peer Steinbrück (SPD), wird flugs dem rechten Flügel der SPD zugeordnet, der für die Agenda 2010 und die Rente mit 67 steht. Fakt ist, dass Albig in Kiel harmonisch seit 14 Monaten mit einem Dreierbündnis aus SPD, Grünen und SSW regiert.

Hinter beiden Spitzenpolitikern stehen starke Lager. Stegner wird von Funktionären vieler Kreisverbände und Ortsvereine unterstützt, Albig bisher überwiegend von Genossen aus dem Großraum Kiel und von Stegner-Kritikern aus dem ganzen Land. Die Landtagsfraktion ist gespalten, ebenso die Bundestagsgruppe und die SPD-Basis.

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"In Kaltenkirchen könnte eine Abstimmung 50 zu 50 ausgehen", sagte zum Beispiel Ortsvereinschef Eberhard Rönsch. Er würde für Stegner stimmen, trotz der Erkenntnis, dass mit ihm Wahlen schwer zu gewinnen seien. "Albig ist bei uns noch relativ unbekannt." Ähnlich ist es bei der SPD in Aumühle. Die Mehrzahl der Mitglieder sei für Stegner, Albig aber noch ein unbeschriebenes Blatt, sagte der Ortsvereinsvorsitzende Burghart Tessendorf. Er selbst hält zum Parteichef. "Stegner ist besser als sein Ruf." In Reinbek setzt die SPD auf Albig. Stegner und seine "Funktionärsmafia" dürften sich nicht durchsetzen, warnte SPD-Boss Klaus-Peter Puls. Er saß bis 2009 im Landtag, zuletzt unter Fraktionschef Stegner.