Vertiefung des Flusses könnte Salzwassergrenze verschieben. Bedenken der EU. Auch Niedersachsen hat Zweifel an 400-Millionen-Euro-Projekt.

Hamburg. Während die Planer der Elbvertiefung weiter auf eine abschließende Stellungnahme der EU-Kommission warten, gibt es an anderer Stelle noch Klärungsbedarf. Denn auch die Zustimmung des Nachbarlandes Niedersachsen zu dem 400-Millionen-Euro-Projekt gilt längst noch nicht als sicher. Bisher gab es dort Bedenken wegen der Deichsicherheit - doch inzwischen werden mächtige Schutzwälle, sogenannte Buhnen, bei Otterndorf gebaut, die die Folgen einer stärkeren Strömung dämpfen sollen. Knackpunkt der aktuellen Gespräche ist vielmehr eine mögliche Verschiebung der Salzwassergrenze und deren Folgen für den Obstbau im Landkreis Stade. "Ja, da sind noch Gespräche notwendig", bestätigt Claudia Thoma von der Schifffahrtsdirektion Nord, die die Vertiefung federführend vorantreibt. Das Problem beim Salz: In trockenen Sommern mit geringen Wassermengen aus der Oberelbe könnte sich der Salzgehalt tatsächlich geringfügig den Fluss hinauf verschieben. Über Siele gelangt dann das Elbwasser zu den Obstplantagen, wo es zur Bewässerung benutzt wird. Nötig wäre jetzt beispielsweise die Installierung einer Art Frühwarnsystems, damit die Siele bei "Salz-Alarm" rechtzeitig geschlossen werden können. Doch das kostet Geld, um das es oft im Streit um die Elbvertiefung geht.

Das Tauziehen um die Vertiefung ist alt, schon im September 2006 hatte der damalige Senat seinen Grundsatzbeschluss zu einer weiteren Elbvertiefung gefasst. Anfang 2008, so hieß es seinerzeit, könne mit den Baggerarbeiten begonnen werden. Rund 330 Millionen Euro wurden für das Projekt kalkuliert, 100 Millionen davon wollte Hamburg zahlen, inzwischen wird mit Mehrkosten gerechnet. Formuliertes Ziel: Statt mit 13,50 Meter Tiefgang (bezogen auf Salzwasser) sollen Schiffe künftig mit bis zu 14,50 Meter Tiefe die Unterelbe befahren können. Das ist dabei vor allem für die auslaufende Schifffahrt wichtig, weil sie gegen die Flutwelle der Tide-Elbe fahren muss und eher mit Tiefgangsproblemen kämpft.

Im Jahr 2007 geriet das Projekt erstmalig ins Stocken - weil es beim Genehmigungsverfahren stolze 5000 Einwendungen von Verbänden und Bürgern gegeben hatte, die alle abgearbeitet werden mussten.

Im Juni 2008 gab es erneut einen Dämpfer: Aufgeschreckt durch ein Umwelturteil des Bundesverwaltungsgerichts zum Bau einer Umgehungsstraße befürchteten die Vertiefungsplaner Ungemach, wenn es zu Klagen und Gerichtsverhandlungen kommen sollte. Und im August 2009 verkündete Hamburgs seinerzeitiger Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU), dass das Genehmigungsverfahren neu aufgerollt werden müsse. Man wolle die Genehmigung "absolut gerichtsfest" machen, hieß es.

Lange Planungszeiten und der aktuelle Salzstreit hätten aber womöglich längst ein Ende haben können: 2010 war in geheimer Mission der Hamburger Elbvertiefungsbeauftragte und Gewässerexperte Professor Heinrich Reincke unterwegs. Es ging um einen Kompromiss zwischen Umweltverbänden und Hafenwirtschaft, der als "Elbvertiefung light" bekannt wurde. Danach sollten in der Mündung der Elbe bei Cuxhaven statt 2,45 nur 1,70 Meter ausgebaggert werden. Was aber eben oft nicht beachtet wird: Im Durchschnitt soll die Elbfahrrinne zwar für große Schiffe um durchschnittlich rund einen Meter tiefer gebaggert werden, damit sie mit größeren Tiefgängen und damit mehr Ladung den Fluss befahren können.

Doch im Mündungsbereich soll den Plänen zufolgen weit mehr Sand und Schlick aus dem Boden geholt werden, weil dort die ausgehende Schifffahrt bei Niedrigwasser Probleme hat. Ein Verzicht um mehrere Dezimeter bei der Ausbaggerung in diesem Bereich hätte viele negative ökologische Folgen dann gemildert, der Verzicht hätte indes nur wenige Schiffe betroffen. Jedenfalls aus Sicht der Kompromissbefürworter. Zudem hätte eine solche Lösung das Projekt zeitlich voranbringen können, zumal viele Schifffahrtsexperten vor allem die Verbreiterung wünschen, damit sich die immer größer werdenden Schiffe auf der Elbe begegnen können.

Die Verhandlungen wurden von interessierter Seite bewusst an die Öffentlichkeit gebracht, es gab Proteste der Wirtschaft, Reincke wurde von dem Projekt abgezogen und der Kompromiss war vom Tisch.Vorerst jedenfalls.