Das hat die Flut aus Lauenburg gemacht: eine leere City ohne Strom. Aber in der Einsatzzentrale melden sich mehr Bewohner, die helfen wollen, als solche, die Hilfe in Anspruch nehmen. Ein Report aus dem Elbort.

Vom Rathaus Lauenburg führt eine schmale Kopfsteinpflasterstraße hinunter ins Sperrgebiet. Dorthin, wo nur noch die Helfer von Feuerwehr, vom Technischen Hilfswerk, von Bundeswehr und anderen Organisationen Zugang haben. Denn auf der historischen Elbstraße in Lauenburg steht am Dienstagmorgen das Wasser mindestens knietief, die Häuser sind verlassen, die Keller vollgelaufen.

Am kleinen Kirchplatz, wo noch vor Tagen Tausende Sandsäcke gefüllt wurden, sind ein paar Haufen Sand liegen geblieben. Er wird jetzt feucht. Das braungrüne Wasser hat den Platz erreicht. Aus den Kanalschächten blubbert es nach oben. Die Elbe drückt immer mehr Wasser durch die Kanalisation in die Stadt. Dort breitet es sich unaufhaltsam aus. "Wir können derzeit nicht mehr tun, als die Häuser abzusichern", sagt Lars Heuer, der Lauenburger Feuerwehrchef. Er blickt kurz auf das Restaurant gegenüber und macht sich auf zum nächsten Einsatzort. Die meisten seiner Leute arbeiten jetzt im Industriegebiet und an der historischen Palmschleuse. Dort sind die Straßen am Dienstagnachmittag noch trocken.

Die überflutete Innenstadt ist bis auf die Helfer zur Geisterstadt geworden. Der Strom wurde schon Montag abgestellt, weil Transformatorenhäuser in Gefahr gerieten. 300 Anwohner mussten ihre Häuser bis Montagmorgen 1.30 Uhr verlassen. "Aber niemand von ihnen ist heute noch in der Notunterkunft in der Sporthalle am Hasenberg", sagt Karsten Steffen, Sprecher des Kreises Herzogtum Lauenburg, zu dem die Stadt gehört. Alle konnten bei Freunden und Bekannten unterkommen oder bei Menschen, für die es selbstverständlich ist, Mitbürgern ein Dach über dem Kopf anzubieten.

"Uns hat unser Heizungsbauermeister Tobias Reinert kostenlos seine Ferienwohnung bereitgestellt", sagt der Hamburger Journalist Boris Krohn, der vor sieben Jahren sein Haus in der Elbstraße bezogen hatte. Reinert kannte Krohn bisher nur als Kunden.

Solche Hilfsbereitschaft hat sich in der Stadt gefestigt. Davon ist Jörg Sönksen überzeugt, der die Nachbarschaftshilfe organisiert hatte. "Bis Dienstag haben sich 300 Menschen bei uns gemeldet. Einige brauchten Hilfe, die Mehrzahl aber stellte sich zum Helfen zur Verfügung", sagt Sönksen. Als der Baumarkt für die Evakuierung Umzugskartons schickte, wurde der Lkw gleich wieder für Transporte eingesetzt. "Ich bin sicher", sagt Sönksen, "dass diese Hilfe anhält, wenn das Wasser abgelaufen ist und aufgeräumt werden muss."

Verletzte gibt es hier bisher nicht. Bürgermeister Andreas Thiede (CDU) ist mit der Arbeit der 1150 Helfer hochzufrieden. Im Einsatz sind neben den Kräften des Kreises weitere aus Stormarn, Segeberg, Neumünster, Lübeck. Aus dem Kreis Pinneberg trafen zwei Sandsackfüllmaschinen ein. "Es gibt eine riesige Dankbarkeit der Einwohner, und die Evakuierung der Innenstadt wird akzeptiert", sagt Thiede, der überall in der Stadt unterwegs ist, bei einem Zwischenstopp in seinem Büro.

Jetzt konzentrieren Thiede und Feuerwehrchef Heuer ihre Kräfte an der Bundesstraße 209, die in der Stadt Hafenstraße heißt. Dort sollen Pumpen den Zugang zur Elbbrücke für die Einsatzkräfte offenhalten. Für den Verkehr ist die Straße längst gesperrt.

Selbst Hochleistungspumpen waren jedoch nicht in der Lage, die Innenstadt zu retten. Nur bis Dienstag früh konnten die Feuerwehren die Elbstraße trocken halten. Dann gab die Einsatzleitung auf. "Wir hatten neun Pumpen im Einsatz, von denen jede pro Minute 6000 Liter Wasser wegtransportiert hat", sagt Heuer. Zum Vergleich: Normale Feuerwehrpumpen schaffen 1600 Liter pro Minute. Trotzdem war die Elbe stärker. Am Vormittag wurden 9,57 erreicht. Bürgermeister Thiede befürchtet: "Der Fluss könnte den bisher höchsten Stand von 9,88 Metern übertreffen." Er stammt aus dem Jahr 1855.

Am Dienstagnachmittag erreicht die Elbe in Lauenburg zwar 9,61 Meter und soll bis Mittwoch auf 9,63 Meter steigen. "Doch danach rechnen wir damit, dass das Wasser täglich um fünf Zentimeter sinkt", sagt Thomas Grimm, einer der Sprecher der Einsatzleitung.

Wie die Kraft des Hochwassers künftig gebändigt werden könnte, ist in der Stadt umstritten. "Die Elbe muss mehr Raum bekommen. Wir fordern: Schaffung von Polderflächen", steht auf einem Pappschild in einem Fenster an der Elbstraße. Bürgermeister Thiede setzt eher auf bereits begonnene Gespräche mit Kreis und Land über die Sicherung der Innenstadt. "Dafür gibt es verschiedene Modelle bis zu einer Flutmauer wie in Hitzacker", sagt Thiede. Für eine Entscheidung und die notwendigen Arbeiten kam die Flut zu früh.