Der Pegelstand hat einen Rekordwert erreicht. Die 5000-Seelen-Gemeinde ist evakuiert, seitdem gleicht der Ort einer Geisterstadt

Hitzacker/Penkefitz. Zielsicher greift Mirko Tügel zur Sonnencreme, schmiert Arme, Gesicht und Nacken ein. "Ich habe extra Lichtschutzfaktor 30 genommen, ich will ja auch ein bisschen braun werden", sagt er. "Die anderen nehmen gleich 50."

Den Humor hat Tügel nicht verloren, dabei ist er seit Tagen im Dauereinsatz für die Feuerwehr der Gemeinde Elbtalaue.

Dazu gehört auch Hitzacker. Die Stadtinsel der 5000-Seelen-Gemeinde ist am Sonntag evakuiert worden, und gleicht seitdem einer Geisterstadt - die idyllische Ruhe geht mit beklemmender Stille einher. Alle 280 Einwohner mussten ihre Häuser verlassen und bei Freunden und Bekannten unterkommen.

Einer von ihnen ist Bürgermeister Holger Mertins. Er wohnt seit 1992 auf der Stadtinsel, kennt die Hochwasserproblematik also bestens. Seit eineinhalb Jahren im Amt ist er nun erstmals als Bürgermeister verantwortlich. "Es war 2011 schon knapp, aber in diesem Jahr mussten wir das erste Mal evakuieren. Es ist schon bedrückend, sein Heim zu verlassen", sagt Mertins.

Die 8,96 Meter hohe Schutzmauer um die Stadtinsel hält aber, der Pegel steht derzeit bei 8,17 Metern - ein Rekordwert.

Das Wasser bleibt seit 24 Stunden konstant auf diesem Stand, was es jedoch für die Deiche schwierig macht. "Der Pegel ist nicht das Problem; dadurch, dass nichts abläuft und das Wasser wohl auch noch drei, vier Tage so stehen wird, weichen die Deiche durch", sagt Tügel. Zudem mussten die Helfer vom Roten Kreuz, der Feuerwehr und vom THW Treibgut von der Elbe beseitigen.

"Wir mussten bis zu acht Meter große Bäume entfernen", sagt Tügel, denn so schweres Treibgut ist für die Schutzwand am gefährlichsten. Dennoch habe man die Situation im Griff, sagt Tügel, aber die Anspannung nimmt zu: "Die Gefahr eines Deichbruchs haben wir aktuell nicht, aber die Lage wird von Stunde zu Stunde kritischer."

Sechs Kilometer von Hitzacker entfernt ist der Zustand der Deiche schon weitaus schwieriger. Im Örtchen Penkefitz steht das Wasser direkt bis an die Deiche. Mit rund 100 Soldaten ist auch die Bundeswehr im Einsatz, um Sandsäcke zu schleppen. "Wir helfen hier mit unserer Mannstärke mit, was DRK und TWH nicht leisten können", sagt Oberstabsfeldwebel Wolfgang Zellmer. Die Stimmung in der Truppe sei gut, sagt Zellmer: "Die Soldaten sind motiviert und brennen darauf zu helfen."

Die Truppe ist extra mit zwei Bussen aus Delmenhorst angereist, um die Einsatzkräfte vor Ort zu unterstützen. Hinter dem Deich in Penkefitz ist der Boden teilweise derart aufgeweicht, dass das Wasser unter dem Deich sogar durch den Asphalt auf die Straße fließt. Die Äcker hinter dem Deich sind stellenweise überflutet, überall bilden sich sprudelnde Quellen.

Ein rund 300 Mann starkes Team aus Feuerwehr und Bundeswehr hat sich hinter dem Deich zu einer sandsacktragenden Menschenkette formiert, um sieben plötzlich aufkommende Quellen stillzulegen. Diese Quellen bekämpft die Bundeswehr mit sogenannten Quellkaden. Dafür wird aus Sandsäcken ein Ring um die Quelle gebaut, sodass sich das Wasser in dem Ring aufstaut und die Quelle durch den Gegendruck stillgelegt wird.

Obwohl sich der Pegel in und um Hitzacker derzeit nicht bewegt, werden die kommenden Tage Stunde um Stunde kritischer. Auch Mirko Tügel wird weiter im Dauereinsatz bleiben - mit oder ohne Sonnencreme.