Energietechnik: Kraftwerke sollen deutlich weniger Kohlendioxid ausstoßen. Die Stromproduktion aus Gas und Kohle könnte klimafreundlicher werden - durch höhere Wirkungsgrade oder Abscheidung von CO2.

Etwa die Hälfte des deutschen Stromes wird aus Kohle erzeugt. Entsprechend hoch ist der Anteil des Kraftwerksparks am Gesamtausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) in Deutschland - er beträgt 38 Prozent, gefolgt vom Straßenverkehr (18,5 Prozent). Klimaschutz muß deshalb auch bei Kohlekraftwerken ansetzen. Dazu gibt es zwei Alternativen: die Erhöhung des Wirkungsgrades oder die Abtrennung von CO2 mit anschließender unterirdischer Langzeit-Lagerung. Prof. Alfons Kather und sein Team im Institut für Energietechnik der Technischen Universität Hamburg-Harburg haben zusammen mit europäischen Kollegen die technische Herausforderung angenommen.

Allein durch höhere Wirkungsgrade, also einer größeren Stromausbeute aus derselben Menge Brennstoff, ließen sich die heutigen CO2-Emissionen der Kohlekraftwerke um etwa 30 Prozent senken, sagt Kather. Viele Anlagen sind Jahrzehnte alt und wandeln nicht einmal ein Drittel der eingesetzten Energie in Strom um. Gut zwei Drittel geht als Abwärme über Kühltürme oder Flußwasser-Kühlkreisläufe verloren. Dagegen schafft das beste deutsche Kraftwerk, in dem eine mit Erdgas gespeiste Gas- und Dampfturbinen-Kombination (GuD-Kraftwerk) Strom erzeugt, einen Wirkungsgrad von 58,5 Prozent.

"Bei den gasbetriebenen GuD-Kraftwerken können innerhalb von 20 Jahren Wirkungsgrade von 65 Prozent erreicht werden", so Kather. Aber auch bei den herkömmlichen Dampfturbinen-Kohlekraftwerken, die pro erzeugter Kilowattstunde etwa doppelt so viel Kohlendioxid ausstoßen wie Gaskraftwerke, sieht Kather noch Einsparpotential: "Heute nutzen die besten Stein- und Braunkohle-Kraftwerke den Brennstoff zu etwa 43 Prozent. Technisch möglich sind 46 bis 47 Prozent; dieser Wirkungsgrad soll zum Beispiel bei dem geplanten Kraftwerk Moorburg erreicht werden. Das Entwicklungsziel liegt bei recht ambitionierten 50 Prozent."

Durch die bessere Brennstoffverwertung sinkt der CO2-Ausstoß.

Der zweite technologische Ansatz, die Abtrennung von Kohlendioxid, zeigt deutlich mehr Wirkung. Er kann die Emission um mehr als 90 Prozent verringern - aber zu einem hohen Preis: Je nach Abscheidetechnik sinkt der Wirkungsgrad des Kraftwerks um sechs bis 15 Prozent. Das bedeutet, daß zehn bis 35 Prozent mehr fossile, also endliche Brennstoffe eingesetzt werden müssen. Auf Grund der deutlich höheren CO2-Emission beim Einsatz von Kohle im Vergleich zu Gas empfiehlt sich die Technik am ehesten für Kohlekraftwerke.

"Ich verbrauche enorm viel Ressourcen, um 90 Prozent CO2 einzusparen", urteilt Kather, "aber wegen der weltweit großen Bedeutung der Kohlekraftwerke lohnt es sich dennoch, auch diesen technischen Weg weiter zu gehen." Dabei werden hauptsächlich zwei Verfahren verfolgt, die jeweils an eine eingeführte Kraftwerkstechnik anknüpfen: Die Vergasung von Kohle mit anschließender Abtrennung von CO2 vor dem Einsatz in einem GuD-Kraftwerk und die Abscheidung von CO2 aus dem Rauchgas eines mit Sauerstoff statt Luft befeuerten Dampfkraftwerks.

Je konzentrierter das CO2 vorliegt, desto wirtschaftlicher und effektiver läßt es sich abtrennen. Bei der Kohlevergasung wird die Kohle in Kohlenmonoxid (CO), CO2 und Wasserstoff (H2) aufgespalte. Nach der Umwandlung von CO mit Wasserdampf in Wasserstoff und CO2 liegt das Gas in recht hoher Konzentration vor und läßt sich vor der Verbrennung abscheiden. Als Brennstoff dient weitgehend reiner Wasserstoff, bei dessen Verbrennung Wasser und kein CO2 entsteht. Die Wirkungsgradeinbuße liegt bei sechs bis zehn Prozentpunkten.

Der zweite Ansatz ist die Abscheidung nach der Verbrennung in einem traditionellen Dampfturbinen-Kraftwerk. Das Rauchgas enthält nur etwa 15 Prozent Kohlendioxid, das nur mit großem Energieaufwand abzutrennen ist. Die Harburger Forscher setzen deshalb auf den "Oxyfuel"-Prozeß: Die Kohle wird nicht unter Luftzufuhr, sondern mit reinem Sauerstoff (Oxygenium) verbrannt. "So wird der CO2-Anteil im Rauchgas auf mehr als 60 Prozent angehoben", erklärt Kather. "Weitere 25 bis 30 Prozent sind Wasserdampf. Den können wir kondensieren, so daß das Rauchgas am Ende 85 bis 90 Prozent Kohlendioxid enthält." Das Klimagas könne nun mit technisch bekannten Verfahren verflüssigt werden, so daß es dann mit einer Reinheit von gut 98 Prozent vorliegt, meint Kather. Zur Gewinnung des Sauerstoffs wird die Luft heruntergekühlt, bis ihre Hauptbestandteile Stickstoff und Sauerstoff unterhalb von minus 170 Grad flüssig werden und voneinander getrennt werden können.

Insgesamt rechnet Kather bei dem Oxyfuel-Verfahren mit einem Wirkungsgradverlust von acht bis zehn Prozentpunkten von 46.

Welches der beiden Verfahren der Königsweg ist, stehe noch nicht fest, so Kather. "Derzeit wissen wir noch nicht, welche Reinheit das C02 für die Lagerung erreichen muß. Dies wird ein entscheidender Faktor bei der Auswahl des Verfahrens werden."

Die Kosten für die Abscheidung dürften bei 18 bis 50 Euro liegen - zum Vergleich: Im Europäischen Emissionshandel wird die Tonne CO2 zur Zeit mit etwa 22 Euro gehandelt. Je höher die politischen Reduktionsvorgaben in den kommenden Jahren werden, desto eher könnte sich die Abscheidung rechnen. "Alle Verfahren brauchen aber sichere Deponien, in denen das abgeschiedene CO2 langfristig gespeichert werden kann", betont Kather.

Auch hier herrscht noch Forschungsbedarf. Deshalb werden die Verfahren womöglich erst in 20 Jahren in größerem Umfang einsetzbar sein. Damit geht wertvolle Zeit für den Klimaschutz verloren, wenn nicht gleichzeitig kurzfristigere Maßnahmen wie die Erhöhung der Wirkungsgrade oder der Einsatz von regenerativen Energien ergriffen werden.

Weitere Informationen www.cooretec.de