Wärme oder Kälte, Schröpfen oder Teufelskralle, Fasten und Selbstdisziplin - Rheuma-Geplagte können eine große Fülle von Naturheilverfahren nutzen, um ihre Schmerzen zu lindern.

Die Schmerzen können unerträglich werden, breiten sich nicht selten über das ganze Bewegungssystem aus, über Gelenke, Knochen, Wirbelsäule, Sehnen, Muskeln und Nerven. Jeder von uns kennt irgendwo jemanden, der an einer der vielen Rheuma-Krankheiten leidet, jeder zehnte Deutsche ist betroffen. Oft sind es dann uralte Methoden der natürlichen Heilkunst, zu denen Rheuma-Kranke greifen. Sie sind heute wieder topaktuell, denn sie schaffen häufig Linderung bei akuter Entzündung oder chronisch gewordenen Schmerzen. Und - das macht sie so beliebt - sie können helfen, auf das eine oder andere Arzneimittel zu verzichten. Jeder Rheumatiker kennt sich aus in der Anwendung von Kälte und Wärme, und jeder lernt mit der Zeit, wann sie für ihn gut sind. Hier die gültige Regel: Kälteanwendungen immer dann, wenn Gelenke akut entzündet, also wenn sie gerötet, geschwollen, überwärmt und schmerzhaft sind. Kälte wird nur räumlich begrenzt an der betroffenen Stelle in Form von Packungen oder Kaltwasser-Anwendungen eingesetzt. Wärme - aus Bädern, Fango-, Lehm- oder Moorpackungen - hilft dagegen bei chronischen, degenerativen Gelenkveränderungen. Der leitende Arzt der Abteilung für Naturheilverfahren sowie für Physikalische und Rehabilitative Medizin im Klinikum Nord, Dr. Helmut Brinkmann, betont: "Die Naturheilverfahren mit nachgewiesener Wirksamkeit und geringem Anwendungsrisiko haben heute in der Rheumatherapie einen festen, unverzichtbaren Platz." Er nennt fünf Einzelgebiete, die zum Spektrum der seriösen Naturheilverfahren gehören. Die Ordnungstherapie soll den Anstoß geben, dass der Kranke zu einer gesunden Lebensweise findet. Dazu gehören ausreichend Schlaf, steter Wechsel von Anspannung und Ruhe, maßvoller Alkoholverzehr und Verzicht aufs Rauchen, Zeit zum Faulenzen und ein möglichst gleichmäßiger, disziplinierter Tagesablauf. Die Ernährungstherapie beginnt mit Fasten und Rohkost und mündet in eine abwechslungsreiche und ausgewogene Mischkost mit viel frischem Gemüse und Obst. Die so genannte mediterrane Kost, in den Mittelmeerländern alltäglich, kann ganz allgemein empfohlen werden. Die Hydrotherapie mit ihren Wärme- und Kälteanwendungen verbessert durch Wärme die Durchblutung der betroffenen Körperregion und dämpft so die Schmerzen. Die Kälte zielt darauf ab, die Entzündung im Gelenk zu bekämpfen. Die Physiotherapie (Bewegungstherapie) - von Krankengymnastik bis zur Entspannungstherapie - hat das Ziel, die Selbstheilungskräfte des Organismus zu wecken und zu stabilisieren. Und die Phytotherapie, also Heilpflanzen und daraus gewonnene Extrakte und Zubereitungen, werden unterstützend eingesetzt. Bei Arthrosen hilft etwa eine Mischung aus Esche, Goldrute und Zitterpappel, beim akuten Gichtanfall ein Extrakt aus der Herbstzeitlosen. Bei Rheuma spielen außerdem Teufelskralle und Weidenrinde eine Rolle. Bei der Teufelskralle werden als Dosierung 4,5 Gramm Droge pro Tag angegeben, bei der Weidenrinde 60 bis 120 Milligramm Gesamtsalicin. Die individuelle Auswahl und Dosierung einzelner Präparate kann man außer mit dem Arzt sehr gut auch mit dem Apotheker besprechen. Nicht zu den fünf klassischen Säulen der Naturheilkunde gehören ergänzende komplementäre Verfahren wie Elektrotherapie, Schmerztherapie (transkutane elektrische Nervenstimulation), Akupunktur, Neuraltherapie, Homöopathie. Rheuma hat viele Formen: degeneratives Rheuma, entzündliches Rheuma, kindliches Rheuma, Weichteilrheuma (Fibromyalgie), Morbus Bechterew, die Psoriasis-Arthritis, die Gicht als Folge eines Überschusses an Harnsäure und noch andere - und alle verursachen Schmerzen. Wenn es ganz schlimm kommt, müssen Kortison und andere Medikamente helfen. Rheuma-Therapie umfasst aber heute fast immer eine Kombination aus Schulmedizin und begleitenden Behandlungen der Naturheilkunde. Hoch im Kurs steht bei Rheuma auch die Neuraltherapie nach Huneke. Dabei wird ein Lokalanästhetikum in die Störfelder des Körpers gespritzt, von denen man annimmt, dass von ihnen die Störungen ausgehen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Indikationsplan mit Krankheiten erstellt, die so beein- flussbar sein sollen, darunter insbesondere degenerative schmerzhafte Veränderungen der Gelenke und der Wirbelsäule. Ein anderes uraltes Naturheilverfahren ist das Schröpfen mit Schröpfköpfen aus Glas, Porzellan oder Ton. Sie werden in der Schmerzregion auf die Haut gesetzt und erzeugen im darunter liegenden Gewebe eine bessere Durchblutung. Die Chirotherapie hat dann ihre Berechtigung beim Rheuma, wenn es darum geht, eingeschränkte Funktionen am Bewegungsapparat als Folge degenerativer Störungen zu beheben. Ganz entschieden muss man bei der Anwendung von Naturheilmitteln bei Rheuma-Erkrankungen die Spreu vom Weizen trennen, denn Dr. Brinkmann kennt auch viele eher risikoreiche als heilsame Methoden. Das hängt auch damit zusammen, dass der "weichere Therapieansatz", so Brinkmann, von den Patienten bevorzugt wird, und dass bei der ansteigenden Nachfrage sich seriöse als auch unseriöse Angebote etablieren können. In den wenigen Kliniken, die Naturheilverfahren anbieten, und in den meisten Arztpraxen mit zusätzlichen Angeboten ist der Patient in aller Regel gut aufgehoben.