Im Kampf gegen die Verschmutzung testet eine deutsche Firma Textilmatten. Indessen erschwert Hurrikan “Alex“ die Hilfsarbeiten.

Golf von Mexiko. Hilfe für die von der Ölpest bedrohten Strände im Golf von Mexiko könnte jetzt aus Deutschland und der Schweiz kommen. Entwickler der Schweizer Firmen HeiQ und Beyond Surface Technologies haben Vliesmatten des Herstellers TWE aus Emsdetten so imprägniert, dass der Stoff das Siebenfache seines Eigengewichts an Öl aufnehmen könne, Wasser jedoch abweise. Das Vlies soll an der Wasserkante ausgelegt werden. Wenn verschmutztes Wasser an den Strand spült, soll das Öl hängen bleiben, ohne in den Sand zu sickern; das Wasser laufe jedoch wieder ab.

Der Stoff namens "Oilguard" sei bereits an der Küste von Alabama mit Mitarbeitern von US-Behörden getestet worden, sagte Barbara Schädler, Sprecherin des Oilguard-Projekts. "Die Technik funktioniert." Trotzdem seien noch viele Fragen offen, etwa, wie das Vlies am Strand befestigt werden könne, damit es der Wind nicht wegwehe. Auch die Entsorgung sei unklar. In der vergangenen Woche sei die Technik zum Patent angemeldet worden.

Wenn die US-Behörden die Vliesmatten anforderten, könne TWE pro Tag 225 000 Quadratmeter des Stoffes herstellen - genug, um zehn Kilometer Strand abzudecken. Zu den Kosten könne sie zwar noch keine Angaben machen, sagte Schädler, aber: "Das Vlies einzusetzen, wäre wahrscheinlich erheblich günstiger, als verschmutzten Sand abzutragen oder zu reinigen."

Solche Maßnahmen erscheinen immer dringender nötig, weil sich das Öl wieder ungehindert den Stränden der US-Staaten Louisiana, Alabama, Mississippi und Florida nähern kann. Schuld daran ist der Hurrikan "Alex", der mit Böen von bis zu 130 km/h durch den Golf von Mexiko fegt und die Hilfsarbeiten erschwert. Die Schiffe, die den Ölteppich auf der Wasseroberfläche abschöpfen und teilweise kontrolliert abfackeln, mussten bereits ihre Arbeit aussetzen, da die Behörden am Mittwoch mit starken Winden, hohem Seegang und immensen Regenfällen infolge des Hurrikans rechneten.

Die Arbeiten direkt an der Unglücksstelle, wo seit dem Untergang einer Plattform des Ölmultis BP vor mehr als zwei Monaten täglich Zehntausende Barrel Öl ins Meer sprudeln, wurden zwar zunächst weitergeführt. Ein Tanker pumpte trotz des hohen Seegangs weiter Öl ab. Das Vorhaben, die Menge des aufgefangenen Öls zu erhöhen, könnte sich aber um mehrere Tage verzögern. Mit "Alex" beginnt die Hurrikan-Saison ungewöhnlich früh; zuletzt gab es 1995 schon im Juni einen Sturm dieser Stärke. Das Nationale Hurrikan-Zentrum der USA in Miami sagte gestern voraus, dass "Alex" abends an der texanisch-mexikanischen Grenze auf Land treffen werde. Er könne dabei Geschwindigkeiten von 323 km/h erreichen. Das Zentrum des Sturms dürfte über die Region um Matamoros in Mexiko hinwegziehen. Angesichts des sich beschleunigenden Sturms erklärte US-Präsident Barack Obama den Notstand für Texas.

BP geht davon aus, dass der Wirbelsturm die bereits installierten Absaugvorrichtungen nicht beschädigen wird. Auch die zwei Entlastungsbohrungen könnten ungestört fortgesetzt werden, hieß es. Allerdings könne es wegen bis zu vier Meter hoher Wellen zu Verzögerungen beim Aufbau eines dritten Absaugsystems kommen, sagte BP-Manager Kent Wells.

Währenddessen gibt es Spekulationen, das Bohrloch könne mitsamt dem umliegenden Erdreich einbrechen - mit der Folge, dass der gesamte Inhalt des Ölreservoirs ins Wasser austreten würde. Ein solch gewaltiger Ölfluss wäre nicht mehr zu stoppen. Für dieses "Worst-Case-Szenario", heißt es in einem Blog, gebe es konkrete Anzeichen: Aufnahmen eines der Untersee-Roboter zeigten kleine Öl- und Gaswolken, die in einiger Entfernung zur Bohrung vom Meeresboden aufstiegen. Dies könne auf Risse im offenbar porösen Meeresboden hindeuten.

"Dass das gesamte Ölfeld aufbricht, halte ich für sehr unwahrscheinlich", sagt dazu Thomas Aigner, Geologieprofessor an der Universität Tübingen. Das eigentliche Ölreservoir befinde sich mehr als 3000 Meter unterhalb der Bohrung in 1500 Meter Wassertiefe. "Dazwischen liegen gewaltige Sedimentschichten, die wie ein Druckdeckel auf der Lagerstätte lasten."

Ein weitaus größeres Risiko sehe er in den geplanten Ausgleichsbohrungen, bei denen es erneut zu "Blow Outs", zu einem explosionsartigen Austritt des Erdgases kommen könne mit der Folge, dass an der Ausgleichsbohrung neues Erdöl austräte. "Das ist so, also ob man ein Fass nochmals anstechen würde", so Aigner. "Es gibt aber leider keine Alternative. Deshalb müssen die Ingenieure bei der Ausgleichsbohrung äußerst sorgfältig vorgehen."

Im Kampf gegen die Ölpest holen sich die US-Behörden nun erstmals internationale Hilfe. "Die USA werden 22 Hilfsangebote von zwölf Ländern und internationalen Organisationen annehmen", teilte das US-Außenministerium mit. Zu den Hilfsangeboten zählten unter anderem Schnellboote zum Abschöpfen des Öls an der Meeresoberfläche aus Mexiko, Norwegen, Frankreich und Japan.

Die Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält Tiefsee-Ölbohrungen auch nach der Katastrophe im Golf von Mexiko für unentbehrlich. "Keine Frage: Tiefseebohrungen sind riskant", schrieb Kemfert in einem Beitrag für das Internetportal energlobe.de. "Allerdings ist die Technik beherrschbar, und wir haben auch keine andere Wahl: Insbesondere die westliche Welt braucht dieses Tiefsee-Öl."

Die globale Ölnachfrage werde von derzeit 85 Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag auf 100 Millionen Barrel im kommenden Jahrzehnt steigen. Gleichzeitig gingen herkömmliche, leicht erschließbare Vorkommen zur Neige. Gegen den Erdöldurst helfe nur eine Energiewende. Weil der größte Teil des Öls im Verkehr verbraucht werde, müsse man "so rasch wie möglich andere Antriebstechniken und Antriebsstoffe einsetzen".

Quelle: oilguard.org