Solch einen Empfang hat Hammonia bislang keinem ihrer Künstler bereitet, wie er jetzt der neuen Generalmusikdirektorin zuteil wurde: Mit feinstem Weichzeichner aufgenommen, blickt Simone Young von Plakatwänden und Litfaßsäulen mehr oder weniger lebensgroß auf ihr neues Publikum zumeist hinunter. Den Dirigentenstab hält sie in der Rechten, als sei's eine edle Stradivari. Entspannt-erwartungsvoll sieht das auf jeden Fall aus, aber auch ein bißchen wie das geheimnisvolle Lächeln der Mona Lisa.

"Willkommen, Simone Young!" steht darüber, und wer dächte da nicht gleich an "Gladius Dei", der Thomas Mann'schen Erzählung, und das Zitat "Vogelgezwitscher und heimlicher Jubel über allen Gassen"? Hamburg leuchtet. Die Stadt zeigt Herz, öffnet ihren karg gefüllten Säckel für einen kleinen Schnipsel Kultur, für ein kurzes Innehalten beim Schlendern entlang der Fleete und Passagen. Allerdings dürfte manch Fremder aus Passau oder Anklam oder welcher Herren Länder auch immer sich vielleicht fragen, wer mag das wohl sein, der hier so nett begrüßt wird?

Auch, wenn die neue Opernchefin den hiesigen Musikfreunden schon seit Jahresfrist ein Begriff ist und die Willkommensbilder nichts mehr als eine ungewohnt herzliche Geste zum offiziellen Amtsantritt darstellen: Davon konnten die Vorgänger der Generalmusikdirektorin - welch ungeheueres Wort! - nur träumen, ach was: Derlei kam bislang niemandem hier überhaupt in den Sinn, also brauchte sich kein Marketing-Fachmann im Rathaus den Kopf darüber zu zerbrechen.

Dabei, nimmt man den Applaus nach ihren ersten Auftritten alles nur in allem, haben die Hamburger die charmante Australierin längst schon in ihre Herzen geschlossen. Ehre, wem Ehre gebührt, aber nicht anders war es bei den ersten Auftritten Ingo Metzmachers, Gerd Albrechts und Aldo Ceccatos auch. Nur bei Hans Zender gab es wenig Liebe auf den ersten Blick, aber das hatte andere Gründe: Das Orchester - schließlich der wichtige Lebensabschnittsgefährte eines Dirigenten - wäre lieber mit dem inzwischen verstorbenen Giuseppe Sinopoli den gemeinsamen Weg gegangen. So etwas schlägt sich dann schnell im künstlerischen Zusammenleben nieder.

Zender reichte dann, um im Bild zu bleiben, bald die Scheidung ein. Und wenn die Stadt im Fall Metzmacher ähnlich galant wie bei der jetzigen Image-Aktion gehandelt und ihm die ersehnte Verhandlung um eine Vertragsverlängerung angeboten hätte, wer weiß, ob Frau Young heute schon überhaupt in Hammonias Mauern so opulent präsentiert werden könnte? Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Stimmen wir wir also in den Willkommensgruß ein und freuen uns auf Neues. Sie eröffnet mit der seinerzeit deutschen Antwort auf Strawinsky, Paul Hindemith, und dessen Oper "Mathis der Maler", sicherlich nicht gerade leichte Opernkost. Frau Young hätte sich den Einstieg natürlich einfacher machen können, aber dieses Stück über den Konflikt eines Künstlers mit seinem gesellschaftlichen Umfeld zwingt zur Auseinandersetzung. Wenn die neue Hausherrin an der Dammtorstraße diesen Weg konsequent innehält und ihre Programme nicht gerade so weichgezeichnet rüberbringt wie auf den schönen Plakaten, können die Hamburger auf spannende Spielzeiten hoffen.

Ihr Helmut Söring