Anführer der bosnischen Serben versteckte sich hinter langem Bart und arbeitete in Belgrad als Öko-Arzt. Jetzt Anklage vor Uno-Tribunal.

Belgrad/Brüssel. Rauschebart, lange weiße Haare, Brille: Es war eine nahezu perfekte Maske, unter der Radovan Karadzic (63), einer der meistgesuchten Kriegsverbrecher der Welt, viele Jahre unbehelligt lebte.

Doch am Montagabend flog die Tarnung auf. Nach 13 Jahren im Untergrund wurde der frühere bosnische Serbenführer bei Belgrad von serbischen Fahndern festgenommen. Jetzt soll er vor das Uno-Tribunal in Den Haag gestellt werden.

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Karadzic gilt neben seinem Militärchef Ratko Mladic als Hauptverantwortlicher der Gräueltaten im Bosnienkrieg (1992-1995). Er ist in Den Haag wegen Völkermords, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Karadzic soll unter anderem den Befehl für das Massaker von Srebrenica gegeben haben, bei dem im Juli 1995 rund 8000 Muslime getötet wurden.

Der für die Zusammenarbeit mit dem Uno-Tribunal zuständige serbische Minister Rasim Ljajic sagte gestern, die Ermittler hätten den mutmaßlichen Kriegsverbrecher gefasst, als dieser mit dem Bus fuhr, um sein Versteck zu wechseln. Laut Ljajic arbeitete der Psychiater Karadzic unter dem Namen Dragan Dabic in einer Privatklinik und verdiente sein Geld mit Alternativmedizin. Gewohnt habe er im modernen Belgrader Stadtbezirk Novi Beograd.

Offenbar wurde er verraten - angeblich ausgerechnet von seinem Kriegs-Kumpan Mladic. Nach Informationen des "Tagesspiegels" erkaufte sich Mladic offenbar mit der Weitergabe von Informationen über Bewegungen Karadzics einen Aufschub der eigenen Festnahme. Mladic versuche zu erreichen, vor ein serbisches Gericht gestellt zu werden, um der Überstellung nach Den Haag zu entgehen, hieß es.

Karadzic wurde noch in der Nacht zu Dienstag einem Untersuchungsrichter vorgeführt. Dieser habe bereits entschieden, dass die rechtlichen Bedingungen für eine Überstellung an das Uno-Tribunal erfüllt seien, hieß es.

Uno-Chefankläger Serge Brammertz begrüßte die Festnahme als "Meilenstein" in der Zusammenarbeit zwischen Serbien und dem Tribunal. Paris sprach von einer "wichtigen Etappe" auf dem Weg zu einer weiteren Annäherung Serbiens an die EU. Serbien hatte Ende April ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet, das aber nur bei einer Zusammenarbeit mit dem Tribunal in Kraft tritt.

Filme zur Festnahme von Karadzic