Bei der Stimmabgabe wird Aznars Kronprinz ausgebuht

Madrid. Die Terroranschläge in Madrid haben gestern einen Linksruck bei den Parlamentswahlen in Spanien ausgelöst. Die konservative Volkspartei (PP) verlor die absolute Mehrheit. Nach Wählerbefragungen am Wahltag zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der PP und den bisher oppositionellen Sozialisten (PSOE) ab.

Nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen kam die PSOE auf 43 Prozent, die PP auf 37,3 Prozent. Im neuen Kongress von Madrid stellt die PSOE damit 164 der 350 Sitze - bisher waren es 125. Die PP entsendet nur noch 148 Abgeordnete statt bisher 183.

Der PSOE-Parteisekretär Jose Blanco sprach gestern Abend von einem klaren Sieg "sowohl im Hinblick auf die Anzahl der Stimmen alls auch auf die Anzahl der Sitze". Die PSOE sei nun in der Lage, die Regierung zu übernehmen. Innenminister Angel Acebes gestand die Niederlage der Konservativen ein.

Spaniens Ministerpräsident Josee Mariía Aznar hatte nach zwei Amtszeiten auf eine erneute Kandidatur verzichtet. An seiner Stelle bewarb sich der frühere Vize-Regierungschef Mariano Rajoy für die PP um das Amt des Ministerpräsidenten. Der 48-Jährige war nach Meinungsumfragen als klarer Favorit ins Rennen gegangen. Sein Rivale war der sozialistische Oppositionsführer Josee Luis Rodriíguez Zapatero.

Bis zum Wahlabend war unklar, wie die Anschläge auf die Pendlerzüge in Madrid mit 200 Toten sich auf das Wählerverhalten auswirken würden. Die ersten Erhebungen in der Wahlnacht deuteten eindeutig darauf hin, dass Spanien nach vier Jahren nun keine Alleinregierung der PP erhalten würde. Ein Grund dafür könnte sein, dass viele Spanier der Regierung vorwerfen, sie habe aus Furcht, Stimmen zu verlieren, nicht zugeben wollen, dass nicht die baskische Untergrundorganisation ETA, sondern Al Kaida hinter dem Blutbad steckte.

Eine weitere Schlüsselposition dürften die katalanischen Nationalisten (CiU) spielen, die in der Vergangenheit schon dem Sozialisten Felipe Gonzalez und von 1996 bis 2000 dem Konservativen Aznar zur Mehrheit im Parlament verholfen hatten.

Die Bombenanschläge hatten zur Folge, dass die Spanier besonders zahlreich zu den Wahllokalen strömten. Die Wahlbeteiligung war mit 76 Prozent erheblich höher als vor vier Jahren und eine der höchsten der neueren spanischen Geschichte. Zur Wahl aufgerufen waren 34,5 Millionen Spanier. Der Spitzenkandidat der regierenden Volkspartei, Mariano Rajoy, wurde wütend ausgebuht, als er in der Nähe von Madrid seine Stimme abgab. Auch der scheidende Ministerpräsident Jose Maria Aznar wurde in seinem Madrider Wahllokal beschimpft. (dpa/afp/ap)