Interview: Hamburger Polizeiexperte Konrad Freiberg über Sicherheitsrisiken in Deutschland.

ABENDBLATT: Ist ein wohl von der Al Kaida verübter Terroranschlag wie in Madrid auch in Berlin möglich?

KONRAD FREIBERG: Es ist nicht auszuschließen, dass Derartiges auch bei uns passiert. Der islamistische Terrorismus ist die größte Bedrohung seit Kriegsende für die Innere Sicherheit. Dem müssen wir verstärkt Rechnung tragen.

ABENDBLATT: Ist die Polizei dazu in der Lage?

FREIBERG: Nur sehr begrenzt. Wir haben eine unverantwortliche Innenpolitik in Bund und Ländern. Entgegen der Bedrohungslage werden drastisch Polizistenstellen gespart. Wir haben 7000 Polizisten weniger als vor fünf Jahren und Einsparungen von weiteren 4000 sind in den Haushalten der Länder schon vorgesehen. Zusätzlich schlägt man uns die Instrumente zur Terroristenbekämpfung aus der Hand. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lauschangriff hat diesen faktisch auf Eis gelegt. Auch die Kronzeugenregelung ist aufgehoben.

ABENDBLATT: Führt das dazu, dass sich der islamistische Terror auch in Deutschland weiter ausbreitet?

FREIBERG: Wir haben immense Defizite im Bereich der Inneren Sicherheit. Die Politiker sind so hilflos mit sich selbst beschäftigt, dass sie die wirklichen Probleme nicht mehr erkennen. Sie riskieren damit, dass es zu einem Anschlag auch in Deutschland kommen könnte. Immer erst wenn etwas passiert, gibt es Betroffenheiten. Dann ist man bereit, zu reden und Dinge zu ändern. Von einer rationalen Sicherheitspolitik kann man nicht mehr sprechen.

ABENDBLATT: Kann ein verstärkter Einsatz der Bundeswehr im Inneren die Probleme lösen?

FREIBERG: Die Zusammenarbeit mit der Bundeswehr ist für die Polizei hervorragend. Wo die Bundeswehr in Katastrophen- und Hilfsfällen eingesetzt wird, funktioniert das im Rahmen der Amtshilfe sehr gut.

Man darf aber nicht bei der Polizei die Stellen sparen und dann nach der Bundeswehr rufen. Das ist verlogen. Innere Sicherheit ist Aufgabe der Polizei. Deswegen bin ich gegen eine entsprechende Grundgesetzänderung. Man muss die Polizei stärken anstatt die Bundeswehr zur Hilfstruppe zu machen.

ABENDBLATT: Es gibt auch Vorschläge, die Polizei und die Geheimdienste stärker zu vernetzen. . .

FREIBERG: Wir haben mehrere Fälle in Deutschland, wo wir feststellen mussten, dass Polizei, Nachrichtendienste in Bund und Ländern und der Bundesnachrichtendienst nebeneinanderher gearbeitet haben. Das heißt, die Informationen sind nicht gebündelt worden. Das ist katastrophal. Wir müssen jedoch nicht die strikte Trennung von nachrichtendienstlicher und polizeilicher Arbeit aufheben. Wir müssen uns nur daran gewöhnen, stärker zusammenzuarbeiten und die vorhandenen Strukturen zu optimieren.

ABENDBLATT: Ist eine absolute Sicherheit gewährleistet?

FREIBERG: Natürlich kann man sich nur begrenzt vor derartigen terroristischen Gewalttaten schützen. Doch das, was Menschen möglich ist, sollten wir tun. Wir können nicht nur verharren in der Hoffnung, dass nichts passiert. Es wird etwas passieren. Der islamistische Terrorismus muss nicht erst zu uns kommen. Der ist schon hier. Wir dürfen nicht erst so lange warten, bis wir durch eine furchtbare Gewalttat erwachen.

Interview: MAIKE RÖTTGER