Das lange Schweigen ist gebrochen. Die Angeklagte sagen beim Bundeskriminalamt so viel aus, dass der nächste Prozesstermin jetzt zum zweiten Mal verschoben wurde.

Hamburg/Düsseldorf. Sie reden und reden und reden. Die vier Terrorverdächtigen der Sauerlandgruppe machen ihre Ankündigung wahr und liefern den Ermittlern des Bundeskriminalamtes (BKA) ausführliche Geständnisse. Das lange Schweigen der Islamisten ist gebrochen. „Es wird detailliert gefragt und detailliert geantwortet“, sagte Dirk Uden, der Verteidiger des mutmaßlichen Anführers der Gruppe, Fritz Gelowicz, zu abendblatt.de. „Es läuft gut“, sagt auch die Anwältin von Adem Yilmaz, Ricarda Lang. Ihr Mandant räume die Tatvorwürfe ein.

Den vier Islamisten wird vorgeworfen, als Mitglieder der Islamischen Dschihad Union (IJU) einen Ableger der Terrorgruppe in Deutschland gegründet zu haben. Laut Anklage planten sie eine Serie von Anschlägen mit selbstgebastelten Bomben auf US-Einrichtungen in Deutschland. Bei ihrer Verhaftung am 4. September 2007 in Oberschledorn im Sauerland – woher der Name Sauerland-Gruppe rührt – hatten sie bereits zwölf 65-Kilogramm-Fässer mit Wasserstoffperoxid zur Bombenherstellung gehortet.

Wer wann wo gewesen ist, wieso sie derartig radikal wurden, wie ihre Ausbildung verlief und was sie wirklich zerstören wollten, das sagen Gelowicz, Yilmaz und ihre Komplizen Daniel Schneider und Atilla Selek nun vor BKA-Ermittlern stundenlang aus. Die Vernehmungen in Anwesenheit der Rechtsanwälte ziehen sich mit Pausen durchaus über den ganzen Tag. Manchmal kommen die BKA-Beamten noch nicht einmal selbst zum Fragen. Aus Adem Yilmaz etwa sprudelt es offenbar nur so heraus. Damit besteht die Chance, erstmals ein internationales Terrorgeflecht der al-Qaida bis nach Deutschland hinein aufzudecken.

Das Düsseldorfer Oberlandesgericht nimmt auf den Gesprächsbedarf Rücksicht. Es verschob den Prozesstermin zunächst um einen Tag auf kommenden Mittwoch, „um einen Abschluss der Vernehmungen der vier Angeklagten“ zu ermöglichen. Am Mittwoch, den 23. Juni sollte dann vor Gericht mit der Vernehmung der Angeklagten begonnen werden. Doch am Freitag wurde der Termin für die Aussage erneut um eine wocher verschoben.

Für Gelowicz, Yilmaz, Schneider und Selek könnte das Geständnis nicht nur eine verkürzte Dauer des größten deutschen Terrorprozesses, sondern auch eine mildere Strafe bedeuten. Allerdings nur, wenn sie „Butter bei die Fische“ packen, also konkrete Aussagen machen, wie der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling gefordert hat. Das scheint der Fall zu sein.

Die Zeitverzögerung kommt aber auch zustande, weil es der Terminkalender der Anwälte nicht zulässt, jeden Tag bei den Vernehmungen dabei zu sein. Somit ziehen sich die Aussagen in die Länge. Rechtsanwalt Uden ist allerdings auch skeptisch inwiefern sich die geschätzte Prozessdauer von zwei Jahren überhaupt verkürzen wird. „Das Gericht nimmt sich Zeit“, sagt er. „Ich rechne nicht mit Zeitverkürzung.“

Erstmals hat vor allem – umgekehrt – das Gericht den Angeklagten Zeit gegeben. Nach der überraschenden Ankündigung eines Geständnisses setzte Breidling den Prozess für 14 Tage aus. Im Gericht hatte er zuvor zugelassen, dass sich die vier Angeklagten zwei Stunden lang über ein mögliches Geständnis unterhalten können. Den Ausschlag dafür gab Yilmaz, dem der ganze Prozess schlicht zu langweilig wird. Der 30-Jährige drohte fast zu platzen, je länger sich der Prozess durch Details der Beweisaufnahme schleppte. „Er ist intellektuell nicht in der Lage, dem Prozess zu folgen“, sagte selbst seine Anwältin. Doch für eine Aussage wollte Yilmaz das „Go“ von seinem Chef: Fritz Gelowicz.

Das war bereits Mitte Mai deutlich geworden als die Wachleute ein Schreiben beschlagnahmten, das Schneider an Yilmaz geben wollte. „Deine Idee ist grundsätzlich sehr gut“, schreibt Schneider an Yilmaz. Aber es müsse geklärt werden, was Gelowicz dazu sagt. Das ist es nun.

Das Gericht unter dem Vorsitzenden Ottmar Breidling war offenbar vorbereitet, als Yilmaz am Dienstag vor einer Woche seine Bereitschaft zum Geständnis ankündigte. Hatte es bis dahin Kontaktverbot zwischen den Angeklagten gegeben, so gestattete Breidling den vier Männern sofort eine Unterhaltung. Die Anwälte blieben draußen, nur BKA-Ermittler hielten Wache. Diese Aktion von Breidling beeindruckt Rechtsanwalt Uden noch immer. „Das ist völlig neu und in der Strafprozessordnung auch nicht vorgesehen“, sagt er.

Er selbst habe eineinhalb Jahre mit seinem Mandanten über eine Geständnis geredet. Als es nun plötzlich kam, war er vorbereitet, sagt der Karlsruher Anwalt. Doch nach seiner Strategie sollte es eigentlich kein Geständnis vor der Sommerpause Ende August geben. Zu dem Zeitpunkt sollte dann erst die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung verhandelt werden. Eine Strategie, die aber selbst unter den acht Anwälten der Angeklagten umstritten war. Ricarda Lang wollte eine zügige Aussagemöglichkeit für ihren Mandanten Yilmaz. Nun ist sie zufrieden.