Nach dem überraschenden Rücktritt von Christian Lindner als FDP-Generalsekretär soll nun Patrick Döring die Partei aus dem Umfragetief holen. In der CDU wächst derweil die Sorge, dass sich die Krise der Liberalen auch zu einer Koalitionskrise ausweiten könne.

Berlin. Es kam unerwartet und ging dann doch ganz schnell. Ohne Vorankündigung und zur Überraschung selbst enger Vertrauter ist FDP-Generalsekretär Christian Lindner gestern von seinem Amt zurückgetreten. In knappen zwei Minuten, mit wenigen Sätzen und so gut wie keiner Begründung verkündete er seinen Abschied aus der ersten Reihe der Partei. "Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen", sagte er. Und: "Meine Erkenntnis hat für mich zur Konsequenz, dass ich aus Respekt vor meiner Partei und vor meinem Engagement für die liberale Sache mein Amt niederlege." Genauso überraschend wie sein Rücktritt sind auch die ersten Reaktionen von Parteifreunden und der politischen Opposition.

In der CDU wächst die Sorge, dass sich die Krise der Liberalen auch zu einer Koalitionskrise ausweiten könne. Der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Joachim Pfeiffer, fordert daher eine rasche Klärung der FDP-internen Fragen - auch in europapolitischer Hinsicht. Europa brauche Stabilität. Besonders wichtig sei daher „eine handlungsfähige deutsche Regierung“, sagte der CDU-Politiker „Handelblatt Online“. „Die FDP war bisher ein verlässlicher Partner in der Krise, ich hoffe das bleibt so.“ Pfeiffer äußerte die Erwartung, dass die FDP „schnell intern Klarheit schafft“. Der eingeschlagene Weg – konsolidieren und wachsen – sei der richtige, damit Europa gestärkt aus der Krise komme. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sieht nach dem Rücktritt die Chance zu einem Neuanfang bei den Liberalen. Die FDP habe nun die Möglichkeit, „sich neu aufzustellen“, sagte Dobrindt am Donnerstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Dazu brauche es auch „ein paar neue Inhalte“. Die FDP habe immer gezeigt, dass es eine Notwendigkeit für liberale Inhalte gebe. Diese müssten künftig „ein bisschen erkennbarer“ sein.

Die Zusammenarbeit zwischen Union und FDP werde sich durch den Rücktritt Lindners nicht ändern, sagte Dobrindt weiter. „Selbstverständlich ist die FDP ein verlässlicher Partner.“ Deutschland habe eine stabile Regierung.

In der FDP selber wird die Kritik an der Führung wieder lauter. Der FDP-Fraktionschef im nordrhein-westfälischen Landtag, Gerhard Papke, bedauerte den Rücktritt von Lindner und forderte Parteichef Philipp Rösler zu mehr Durchsetzungskraft in der Bundesregierung auf. „Wir brauchen klarere Kante gegenüber der Union. Und das ist vor allem Aufgabe des Parteichefs und Vizekanzlers“, sagte Papke der „Financial Times Deutschland“. Baden-Württembergs ehemaliger Justizminister Ulrich Goll (FDP) erklärte die „Boygroup“ um Parteichef Rösler für gescheitert. „Christian Lindner gibt letzten Endes auf, weil er sieht, dass er seine Ziele nicht erreicht hat. Das gilt nicht nur für ihn allein“, sagte Goll der „Stuttgarter Zeitung“ (Donnerstag). Die „Boygroup“ habe nicht Fuß gefasst. „Deswegen meine ich schon, dass man in Zukunft einen Mix suchen sollte zwischen jüngeren und erfahrenen Politikern.“ Nun biete sich die Chance, die Dinge nochmals zu ändern. „Es ist die letzte Chance für Philipp Rösler.“

Gudrun Kopp (FDP), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, sagte der „Neuen Westfälischen“ (Bielefeld/Donnerstag), es sei „alles andere als hilfreich“ gewesen, dass Rösler den Mitgliederentscheid zum Euro-Rettungsschirm ESM vor Ablauf der Abstimmungsfrist für gescheitert erklärt habe. Nach der Bekanntgabe des Ergebnisses an diesem Freitag müsse es so sein, „dass wir alle gemeinsam für eine Position stehen“.

Nachfolger von Lindner wird Patrick Döring. Der verkehrspolitische Sprecher der liberalen Bundestagsfraktion wurde noch gestern Abend von Rösler zum neuen Generalsekretär erklärt. Döring steht für einen anderen Politikertyp als Lindner. Er ist gut vernetzt im politischen Berlin, auch zu anderen Parteien pflegt er gute Kontakte, genauso wie zur Wirtschaft und den Verbänden. Er ist Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn und im Beirat der Deutschen Flugsicherung. Auch Döring ist jung, 38 Jahre, und aufgewachsen in Himmelpforten, einem Örtchen nahe Stade. Döring zählt zu einem der engsten Vertrauten Röslers. Sie kennen sich gut aus der gemeinsamen Zeit in Niedersachsen. Vor Dörings Wahl in den Bundestag war er Fraktionschef der FDP im Stadtrat von Hannover. Als Rösler 2009 für viele überraschend von Guido Westerwelle als Bundesgesundheitsminister nach Berlin berufen wurde, war Döring einer der ersten Ansprechpartner. Döring fühle sich "sehr geehrt" und lasse sich gerne in die Pflicht nehmen, sagte er am Abend. Die FDP müsse wieder zur Geschlossenheit zurückfinden. Die "liberale Fahne" solle spätestens beim Dreikönigstreffen am 6. Januar in Stuttgart wieder aufgerichtet werden. Schon einmal war Döring im Gespräch für den Posten des Generalsekretärs der FDP. Damals machte Lindner das Rennen.