Das von der Polizei fieberhaft gesuchte „Phantom von Heilbronn“, das mehrere Morde und Einbrüche begangen haben soll, hat es vielleicht nie gegeben. Wahrscheinlich waren die Wattestäbchen, die die Fahnder zur Sicherung der DNA-Spuren an den Tatorten verwendet hatten, schon vorher mit DNA-Material kontaminiert worden, eventuell von einer unachtsamen Mitarbeiterin eines Herstellers der Watte-Sticks.

Jahrelang jagte die Polizei eine unbekannte weibliche Person, über 16.000 Überstunden machte die Sonderkommission "Parkplatz". 4500 Spuren sind bei der Heilbronner Polizei archiviert. DNA-Spuren der unbekannten weiblichen Person wurden an mindestens 40 verschiedenen Tatorten in Baden-Württemberg, Saarland, Rheinland-Pfalz, Frankreich und Österreich gefunden worden.

Der Fall ist einer der mysteriösesten in der deutschen Kriminalgeschichte. Die Polizei räumte seit langem ein, immer ratloser zu sein. Die Spur der Gewalt geht bis in das Jahr 1993 zurück. Die "Frau ohne Gesicht", als meistgesuchte Verbrecherin Deutschlands gejagt, wird mit sechs Morden und einem weiteren Todesfall in Verbindung gebracht. Die Polizei verdächtigt die als äußerst gefährlich geltende Serienverbrecherin, Ende April 2007 in Heilbronn eine 22 Jahre alte Polizistin kaltblütig erschossen zu haben. Die Person wurde unter dem Namen "Phantom von Heilbronn" auch über die Landesgrenzen hinweg bekannt. 300.000 Euro sind auf die Ergreifung des Phantoms ausgesetzt.

Dann der Umschwung in den Ermittlungen: Laut Staatsanwaltschaft habe es "verschiedene DNA-Treffer der "Unbekannten weiblichen Person" (UwP) im Zusammenhang mit Sachverhalten, die aus kriminalistischer Sicht nicht mehr plausibel waren" gegeben. Nun sollte geklärt werden, ob Materialien zur Spurensicherung, wie Watte-Stäbchen, eventuell schon vorher mit DNA-Spuren verunreinigt waren. Schon Ende vergangenen Jahres hatte der Münsteraner Rechtsmediziner Bernd Brinkmann diese "minimale Möglichkeit" nicht ausschließen wollen.

Die Zweifel kamen den Ermittlern bei der Abklärung der Identität einer verbrannten Leiche. Es stellte sich heraus, dass es ein bereits im Jahr 2002 verschwundener Asylbewerber ist. Von ihm lagen Fingerabdrücke bei der Polizei vor. Auf einem der untersuchten Papiere dieser erkennungsdienstlichen Behandlung in Völklingen fand sich überraschend die DNA-Spur des Phantoms, "was eigentlich nicht sein konnte", wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Ernst Meiners, mitteilte. Bei einer nochmaligen Untersuchung fand sich die DNA nicht mehr. Dies steht seit Donnerstag vergangener Woche fest.

"Bis zum Vorliegen eines gesicherten Ergebnisses zu einer möglichen Fremdkontamination von Spurensicherungsmaterialien sind konkrete Aussagen zu bestimmten Verunreinigungen beziehungsweise Spurenverursachern spekulativ," erklärten die Ermittler.

Vorläufige Ergebnisse der Untersuchungen gibt es schon jetzt: Die Wattestäbchen, mit denen DNA-Spuren gesichert wurden waren, wie stern.de berichtet, ordnungsgemäß sterilisiert gewesen. Doch eine solche Maßnahme können Verunreinigungen durch menschliche Körperzellen überleben. Dazu zählen etwa Schweiß, Hautreste und andere Sekrete. Das bedeutet für die Suche nach dem "Phantom von Heilbronn": Die jahrelange Jagd nach der vermeintlichen Täterin könnte umsonst gewesen sein.

Die Theorie verfolgt das baden-württembergische Landeskriminalamt in Stuttgart bereits seit April 2008, doch erfolglos. Im Kriminaltechnischen Institut des LKA seien mehrere hundert unbenutzte Wattestäbchen als sogenannte Leerproben untersucht worden. "Diese Untersuchungen verliefen ohne Ergebnis und ergaben keinen Hinweis auf Fremdkontaminationen", heißtes in einer LKA-Mitteilung. Erst mit den Spuren auf der Cola-Dose wurden die Ermittlungen in diese Richtung wieder intensiviert.

Laut stern.de sollen Packerinnen eines norddeutschen Unternehmens für Medizinalbedarf bereits Speichelproben abgegeben haben. Sollte ihr DNA-Profil mit dem des "Phantoms" übereinstimmen, wäre einer der größten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte gelöst.

Rätselhaft bleibt allerdings, wie die DNA-Spur von einer einzigen Frau über 15 Jahre an 40 Tatorte in drei Ländern gelangt sein soll.

Jetzt fordert der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) eine Art Gütesiegel, um die Möglichkeit von Falschanalysen wegen Verunreinigungen auszuschließen. "Die Hersteller sollten den Packungen DNA-Merkmale der beteiligten Mitarbeiter als Code beilegen", sagte BDK-Sprecher Bernd Carstensen den Stuttgarter Nachrichten (Donnerstagausgabe), "damit könnte diese Spur gleich ausgeschlossen werden." Auch bei der Sicherung von Fingerspuren seien in der Vergangenheit Merkmale des sachbearbeitenden Polizisten vermerkt worden, um nicht versehentlich nach eigenen Leuten zu fahnden.