Deutsche Elitesoldaten der KSK erklären sich erstmals öffentlich. Streit um die Bewertung der Kundus-Affäre und Oberst Georg Klein geht weiter.

Hamburg. Die afghanischen Behörden haben nach Angaben der Bundeswehr einen Verdächtigen freigelassen, der vermutlich am tödlichen Angriff auf eine Bundeswehr-Patrouille beteiligt war. Deutsche Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) und afghanische Sicherheitskräfte hatten den Mann im März nahe Kundus festgenommen, dann wurde er nach Kabul überstellt. „Mangels hinreichender Beweise für eine unmittelbare Tatbeteiligung soll er Anfang Juni 2011 von der ermittelnden Staatsanwaltschaft wieder freigelassen worden sein“, heißt es in einer Erklärung des KSK, die Reuters vorlag.

Bei dem Angriff auf die Patrouille am Karfreitag 2010 waren drei Bundeswehr-Soldaten getötet und weitere schwer verletzt worden. Die Afghanen hatten die Deutschen in der Nähe von Kundus in einen Hinterhalt gelockt, es folgten stundenlange Gefechte. Das KSK operiert stets im Geheimen und äußert sich normalerweise nie öffentlich. Die Erklärung der Elitetruppe in diesem Fall zeigt, wie verärgert die Soldaten über die Freilassung des Verdächtigen offenbar sind. Dies dürfte auch die weitere Zusammenarbeit mit den Afghanen belasten.

Das KSK erklärte, Mohammed Naim stehe im dringenden Verdacht, an den Angriffen beteiligt gewesen zu sein. Am 6. März hätten KSK-Soldaten und afghanische Sicherheitskräfte ihn im Unruhe-Distrikt Chahar Darrah nahe Kundus festgenommen, später sei er auf der Grundlage eines Haftbefehls an die zuständigen afghanischen Behörden in Kabul überstellt worden. „Nach den vorliegenden Informationen hat Mohammed Naim seine Anwesenheit bei den Gefechten am 02. April 2010 eingeräumt, sich aber nicht weiter zu den Einzelheiten geäußert“, erklärte das KSK. Die Staatsanwaltschaft habe keinen Prozess angestrengt, sondern den Verdächtigen mangels Beweisen auf freien Fuß gesetzt.

Die „Bild“-Zeitung veröffentlichte ein Foto, auf dem Naim nach den Gefechten vor einem ausgebrannten Bundeswehr-Radpanzer des Typs „Dingo“ zu sehen ist, während andere Afghanen das Wrack ausschlachten. Die Aufständischen hatten sich mit dem ausgebrannten „Dingo“ als Trophäe fotografieren lassen. Inzwischen sei Naim untergetaucht. „Er muss einige mächtige Freunde in Kabul haben“, zitierte die Zeitung einen deutschen Offizier in Afghanistan.

Derweil hat fast zwei Jahre nach der Bombardierung von zwei Tanklastzügen in Afghanistan Bundeswehr-Oberst Georg Klein Vorwürfe an die Adresse der Politik gerichtet. Wie der „Focus“ berichtet, beschwert sich Klein in einem Brief an den Kundus- Untersuchungsausschuss des Bundestages, er habe nur eingeschränkte Chancen gehabt, seine Sicht des Vorfalls darzustellen. Bei dem von Klein angeordneten Bombenabwurf auf die von Taliban entführten Tanklaster waren am 4. September 2009 mindestens 90 Menschen getötet worden, darunter viele Zivilisten.

Klein schreibt nach Angaben des „Focus“, er und seine Familie hätten „eine Vielzahl von Vorverurteilungen hinnehmen müssen“. Er beklagt zudem, als Hauptbetroffener von dem Untersuchungsausschuss „nur selektiv informiert“ zu werden. Er solle zu 13 Seiten des Abschlussberichts Stellung nehmen, ohne den Text als Ganzes zu kennen. „Von all denen, die mein Handeln im Nachhinein beurteilen, erwarte ich nicht mehr als Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit.“

Der Bundestag wird im Oktober abschließend über die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses beraten. Am Donnerstag hatten SPD und Grüne in ihren Sondervoten auch Oberst Klein Versäumnisse vorgeworfen. Er habe den Befehl zur Bombardierung auf der Basis unzureichender Informationen getroffen. Auch die Koalition hatte Klein in ihrem Abschlussbericht Verfahrensfehler angelastet, seine Entscheidung aber als nachvollziehbar bezeichnet. (rtr/dpa)