Eine Sprengfalle tötet einen deutschen Soldaten in Nordafghanistan. De Maizière: Vor Gewalt darf man nicht weichen .

Berlin/Dresden. Der vierte Bundeswehrsoldat ist innerhalb einer Woche einem Anschlag in Afghanistan zum Opfer gefallen. "Einmal mehr haben wir einen gefallenen deutschen Soldaten und fünf zum Teil schwer verwundete zu beklagen", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Donnerstag in Dresden zum jüngsten Anschlag. Ein Verletzter sei in kritischem Zustand. Die Soldaten waren am Morgen mit ihrem Panzer von einer Sprengfalle getroffen worden. Trotz der neuen Opfer will de Maizière am Afghanistan-Einsatz festhalten.

"Die Häufung der Anschläge sorgt uns", sagte der CDU-Politiker. Der Süden sei zwar immer noch gefährlicher als der Norden. Allerdings habe die Zahl der Sprengstoffanschläge auch im Norden überproportional zugenommen. Der Minister wünschte den Verwundeten baldige Genesung und drückte den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus.

"Wenn wir jetzt gingen, würde das Vertrauen und das Selbstvertrauen der Afghanen erst recht erschüttert und die Taliban hätten ein leichtes Spiel",sagte de Maziére zur Zukunft des Afghanistan-Einsatzes. Die Afghanen bräuchten die deutsche Unterstützung. «Sie können auf uns zählen.» Insbesondere im Norden des Landes seien die Taliban dabei, an Boden zu verlieren, betonte de Maizière. Gerade deswegen bleibe ihnen «nur noch das besonders perfide Mittel von Terror und Sprengstoffanschlägen». Die Taliban versuchten damit den Eindruck von Stärke zu vermitteln, doch das Gegenteil sei der Fall.

«Ich sende in diesen schweren Tagen eine klare Botschaft an die Menschen in Deutschland, an die Männer und Frauen im Einsatz», sagte der CDU-Politiker. «Diese Botschaft sollen aber auch diejenigen hören, die Afghanistan mit brutaler Gewalt zurückwerfen wollen: Vor Gewalt darf man nicht weichen.»

Am Donnerstagmorgen war den Angaben der Bundeswehr zufolge ein Sprengsatz explodiert und hatte einen deutschen Schützenpanzer vom Typ Marder getroffen. Der Ort des Anschlags liegt etwa 36 Kilometer südlich der Stadt Kundus in der Provinz Baghlan, wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam auf dapd-Anfrage mitteilte. Der Sprengsatz sei um 9.54 Uhr Ortszeit explodiert, das entspricht 7.24 Uhr deutscher Zeit. Die zwei Schwer- und drei Leichtverletzten seien von US-amerikanischen Hubschraubern ins Rettungszentrum Kundus transportiert worden.

Die Soldaten gehörten laut Bundeswehr zu einer Einheit, die gemeinsam mit afghanischen Kräften eine Rückkehr von Aufständischen in ein bestimmtes Gebiet im sogenannten Kandahari-Gürtel verhindern soll. Am Donnerstagmorgen sollten sie an einer wichtigen Verbindungsstraße in dem Gebiet nach Sprengfallen suchen, um die Straße «für eigene Bewegungen zu öffnen».

Bei dem getöteten Soldaten handle es sich um einen 23 Jahre alten Oberstabsgefreiten. Wie auch die fünf Verwundeten gehörte auch der Getötete zur Panzerbrigade 21 aus dem Standort Augustdorf in Nordrhein-Westfalen.

Die Fraktionschefs der Grünen im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, erklärten den Angehörigen des Gefallenen ihr tiefes Mitgefühl. «In diesen Tagen bekommen wir besonders schmerzlich vor Augen geführt, mit welchem hohen Einsatz sich unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan engagieren», erklärten die Politiker. Parteichefin Claudia Roth forderte «eine politische Debatte über die seit Monaten andauernde Offensivstrategie der ISAF in Afghanistan, die bislang auch von der Bundesregierung unterstützt wird». Diese führt «offenkundig» nicht zur Stabilisierung Afghanistans.

Für die FDP-Fraktion teilten der Vorsitzende Rainer Brüderle und die sicherheitspolitische Sprecherin Elke Hoff mit, sie verurteilten den «hinterhältigen Anschlag». «Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind bei den Familien, den Angehörigen und Kameraden.» Es müsse «alles Menschenmögliche» getan werden, um den Schutz der Soldaten im Einsatz vor Sprengfallen zu verstärken.

Die Parteichefs der Linken, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, sowie Fraktionschef Gregor Gysi forderten einen sofortigen Abzug der Bundeswehr. Der Einsatz habe seine Ziele verfehlt. Die jüngsten Anschläge zeigten «auf grausame Weise, dass jeder weitere Kriegstag die Gewaltspirale in Afghanistan eskalieren lässt».

Erst am Samstag waren bei einem Anschlag auf ein deutsch-afghanisches Sicherheitstreffen in der Provinzhauptstadt Talokan zwei Bundeswehrsoldaten getötet und sechs verletzt worden. Drei Tage zuvor starb ein deutscher Soldat beim Anschlag mit einer Sprengfalle nordwestlich von Kundus. Ein weiterer wurde leicht verletzt, ebenso wie ein afghanischer Übersetzer. (dapd/abendblatt.de)

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Ferngesteuerte Bomben töteten deutsche Soldaten

Der tödliche Anschlag auf ein Sicherheitstreffen in Talokan am vergangenen Sonnabend soll nach Angaben des afghanischen Geheimdienstes NDS (National Directorate of Security) mit ferngezündeten Bomben begangen worden sein. Das meldete der afghanische Sender TOLOnews. Bei dem Anschlag starben auch zwei deutsche Soldaten, sechs weitere, darunter der kommandierende General Markus Kneip, wurden verwundet. Der NDS-Sprecher Lotfullah Mashal sagte TOLOnews, der Anschlag, dem auch der prominente Polizeichef Mohammed Daud Daud und drei Afghanen zum Opfer fielen, sei „kein Selbstmordattentat gewesen“.

Zu diesem Ergebnis sei eine Kommission zur Untersuchung des Anschlags gekommen, die aus Vertretern des Geheimdienstes und des Innenministeriums bestehe, meldete TOLOnews weiter. Die Kommission sei von Kabul in die Tachar-Provinz gereist, um den Anschlag zu analysieren. Der NDS-Sprecher sagte laut TV-Sender, ferngezündete Bomben seien im Korridor des Gouverneurspalastes platziert worden. Wer das wie getan habe, werde nun ermittelt. Damit widerspricht der Geheimdienst bisherigen Auskünften afghanischer Stellen, die auch von der Bundeswehr wiedergegeben wurden. Demnach habe sich ein Selbstmordattentäter in einer Uniform direkt vor Polizeichef Daud Daud in die Luft gesprengt.

„Es hat sich allem Anschein nach nicht um einen Selbstmordattentäter gehandelt, sondern um einen ferngezündeten Sprengsatz in oder an einer Gebäudewand“, sagte ein Isaf-Sprecher in Masar-i-Scharif der Nachrichtenagentur dpa. „Die Feststellungen des afghanischen Geheimdienstes decken sich mit ersten Untersuchungsergebnissen von Isaf.“ Die bei dem Anschlag getöteten deutschen Soldaten und mehrere Verletzte werden nach Deutschland geflogen. Am Freitag wird in Hannover eine Trauerfeier für die beiden Toten und den drei Tage zuvor bei einem anderen Anschlag getöteten Soldaten abgehalten. Die Leichen der drei Gefallenen sollten am Montagabend in Deutschland eintreffen. Vier Verwundete des Anschlags werden Angaben der Bundeswehr zufolge am Dienstag zu umfassenden medizinischen Untersuchungen nach Deutschland verlegt. Darunter ist eine schwer verletzte Soldatin, deren Zustand die Bundeswehr als stabil beschreibt. Auch der verletzte Kommandeur der Internationalen Schutztruppe Isaf in Nordafghanistan, General Markus Kneip, wird nach Deutschland gebracht.

Kneip möchte nach Angaben des Verteidigungsministeriums auch an der Trauerfeier am Freitag teilnehmen. Der General solle drei Wochen in Deutschland behandelt werden. Danach werde er nach derzeitiger Planung nach Afghanistan zurückkehren, sagte Ministeriumssprecher Christian Dienst. Brigadegeneral Dirk Backen, der seit Februar beim Isaf-Regionalkommando Nord tätig ist, werde Kneip bis zu dessen Rückkehr vertreten.

Der Verband der Reservisten der Bundeswehr sprach sich für eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit einheimischen Sicherheitskräften aus. „Wir verfolgen mit unseren Bündnispartnern das Ziel, wieder Sicherheit in Afghanistan herzustellen. Das ist nur möglich, wenn wir am Prinzip der Zusammenarbeit festhalten und den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen“, sagte Verbandspräsident Gerd Höfer. Höfer sprach den Familien der gefallenen deutschen Soldaten sein tiefstes Mitgefühl aus. „Wir sind in Gedanken bei den Angehörigen“, sagte er. „Den Verwundeten wünschen wir eine rasche Genesung.“

Linke-Chefin Gesine Lötzsch sprach den Familien der deutschen und afghanischen Opfer ebenfalls ihr Mitgefühl aus. Sie bezeichnete die Opfer jedoch als „sinnlos“. „Der Kriegseinsatz in Afghanistan muss unverzüglich beendet werden“, sagte Lötzsch. „Viele Menschen leben schlechter als vor dem Krieg und Demokratie kann man nun einmal nicht herbeibomben.“

Ein Mann in Armeeuniform hat am Montag im Süden des Landes erneut einen Soldaten der Isaf erschossen. Nach Angaben der afghanischen Armee handelte es sich bei dem Opfer um einen Australier. Die Isaf teilte mit, der Vorfall werde untersucht. Der Kommandeur der afghanischen Armee in Südafghanistan, General Abdul Hamid Wardak, sagte, bei dem Angreifer in der Provinz Urusgan habe sich um einen Soldaten gehandelt, der anschließend geflohen sei. Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmadi sagte, der Attentäter gehöre den Aufständischen an.

Bei einem Doppelanschlag in der westafghanischen Stadt Herat sind am Montag mindestens vier Menschen getötet worden. Ein Selbstmordangreifer sprengte sein mit Sprengstoff beladenes Auto im Eingangsbereich eines italienischen Militärstützpunktes in die Luft. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Rom wurden fünf italienische Soldaten verwundet, einer davon schwer. Die zweite Explosion ereignete sich auf einer belebten Kreuzung in der Innenstadt. (dapd/dpa)