Die Bundeskanzlerin lobt den Verteidigungsminister, der nach den Plagiatsvorwürfen seinen Doktortitel vorerst ruhen lassen will.

Berlin. Die Opposition hat in der Plagiatsaffäre den Druck auf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg erhöht. Nach der SPD forderte am Sonnabend auch die Linkspartei den CSU-Politiker auf, umgehend Stellung zu neuen Vorwürfen zu nehmen. „Wenn Herr zu Guttenberg einen Teil seiner Doktorarbeit vom Wissenschaftlichen Dienst schreiben lassen hat, dann ist eine Grenze überschritten“, erklärte Linken-Chef Klaus Ernst. Sollte sich bewahrheiten, dass Guttenberg Mitarbeiter aus dem Bundestag für seine Doktorarbeit eingesetzt habe, dann sei dies Amtsmissbrauch. „Akademisches Ghostwriting, und dann noch auf Kosten der Steuerzahler, das ist nicht hinnehmbar. Sein Rücktritt ist dann unausweichlich“, erklärte Ernst.

Nach einem Bericht des „Spiegel“ nahm Guttenberg für seine Doktorarbeit die Expertise des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages in Anspruch, der die Parlamentarier bei der Ausübung ihres Mandats unterstützen soll. Ein von Guttenberg in Auftrag gegebenes Gutachten sei fast vollständig in die Dissertation eingeflossen. In einer Fußnote werde auf die Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes hingewiesen, allerdings nicht auf den Autor Ulrich Tammler. Zuvor waren bereits zahlreiche weitere Plagiatsvorwürfe bekannt geworden. Guttenberg räumte zwar Fehler in seiner Dissertation ein, lehnte aber einen Rücktritt ab.

„Es entsteht der Eindruck, dass Teile der Doktorarbeit von Ghostwritern in der Bundestagsverwaltung geschrieben wurden“, erklärte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Die Aussage Guttenbergs, es hätten keine Mitarbeiter mitgewirkt, sei inzwischen wenig glaubwürdig. Bundestagspräsident Norbert Lammert müsse den Vorgang schnell untersuchen. „Die Öffentlichkeit hat Anspruch darauf zu erfahren, ob der Wissenschaftliche Dienst zu Privatzwecken eingesetzt wurde und Guttenberg seine Promotion auf Kosten der Steuerzahler geschrieben hat“, sagte Oppermann. Wenn dies der Fall wäre, hätte Guttenberg sein Abgeordnetenmandat missbraucht. (Reuters/abendblatt.de)


Merkel lobt "offensives" Vorgehen

Vor einem kleinen Kreis eilig eingeladener Journalisten hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg in Berlin Fehler beim Verfassen seiner Doktorarbeit eingeräumt und erklärt, er werde seinen akademischen Titel bis zur Klärung der Vorwürfe ruhen lassen. Zugleich hatte er betont, dass es sich bei seiner Dissertation um kein Plagiat handele. Forderungen nach seinem Rücktritt hat Guttenberg zurückgewiesen. "Die Menschen in diesem Land erwarten, dass ich mich um das fordernde Amt des Verteidigungsministers mit voller Kraft kümmere, und das kann ich auch", begründete er seine Haltung.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Erklärung ihres Ministers begrüßt. Er habe seinen Fehler bedauert und zugesichert, dass er bei der Aufklärung der Vorwürfe mit der Universität Bayreuth zusammenarbeiten wolle, sagte Merkel dem Südwestrundfunk. Damit habe der CSU-Politiker gezeigt, dass er mit der Angelegenheit "sehr offensiv" umgehe.

Auf die Frage, ob Guttenberg noch im Amt zu halten sei, wenn sich die Plagiatsvorwürfe als richtig herausstellten, sagte Merkel nun, sie halte "nichts davon, irgendwelche Spekulationen anzustellen". Im Übrigen stehe sie zu Guttenbergs Arbeit als Verteidigungsminister "und zu ihm natürlich auch als Persönlichkeit". Der Minister sei mit einer Bundeswehrreform betraut, "die es in diesem Ausmaß überhaupt noch nicht gegeben" habe. "Dafür braucht er meine Unterstützung, und dafür bekommt er sie auch."

Führende Koalitionskreise gehen einem Zeitungsbericht zufolge jedoch davon aus, dass Guttenberg seine Doktorarbeit "nicht selbst geschrieben hat". Das berichtet der "Kölner Stadt-Anzeiger" unter Berufung auf Vertreter von Union und FDP. Diese Vermutung lege sowohl das Ausmaß der plagiierten Stellen als auch die Tatsache nahe, dass die Einleitung des 475-Seiten-Werkes schon mit einem Plagiat beginne. Schließlich sei "die Einleitung das Persönlichste überhaupt".

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) mahnte trotz aller Vorwürfe die Rückkehr zur Sacharbeit an. Dem Abendblatt sagte Brüderle: "Es ist gut, dass Karl-Theodor zu Guttenberg heute zugesagt hat, aktiv mit der Universität Bayreuth zusammenzuarbeiten, um für Klarheit zu sorgen." Der Minister betonte: "Wir sind gut beraten, die Ergebnisse abzuwarten und jetzt zur Sachpolitik zurückzukehren." Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) forderte im Abendblatt: "Allen, die meinen, sich an einer öffentlichen Diskussion über eine Doktorarbeit beteiligen zu müssen, rate ich zu Besonnenheit und Augenmaß." Menschen würden Politiker nach Fähigkeiten und Taten beurteilen, zudem sei Guttenberg ein herausragender Politiker, der national wie international höchstes Ansehen genieße. "Er ist überzeugend, glaubwürdig, integer", betonte Aigner.

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte dagegen dem Abendblatt: "So kann man sich auch nicht aus der Affäre ziehen, erst recht nicht, wenn man für sich angeblich dieselben Maßstäbe anlegen will wie für andere." Die Angelegenheit sei nicht mit einer halbherzigen Entschuldigung erledigt. "Im Übrigen ist der Doktortitel nach geltendem Recht Bestandteil des Namens, auf den kann Guttenberg gar nicht verzichten. Wir werden diesen ganzen Vorgang in der nächsten Woche im Bundestag zur Sprache bringen." Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf zu erfahren, was das Ehrenwort des Oberkommandierenden der Bundeswehr wert sei. Trittin fügte an: "Seine Glaubwürdigkeit ist schon jetzt massiv beschädigt." Auch die SPD forderte Guttenberg auf, dem Bundestag persönlich Rede und Antwort zu stehen. Der Minister dürfe sich nicht hinter der Universität Bayreuth verschanzen, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. Es gehe um den Vorwurf systematischer Täuschung und des Betruges und nicht um einzelne Zitierfehler.

Unterdessen wurde bekannt, dass Guttenberg offenbar nicht nur Passagen aus Artikeln von Professoren übernommen hat, sondern auch aus der Hausarbeit eines Studienanfängers des Otto-Suhr-Instituts der Freien Universität Berlin. Wie die "Berliner Zeitung" berichtete, finden sich auf mehreren Seiten in Guttenbergs Dissertation Textstellen einer Grundkurs-Hausarbeit aus dem März 2003 - eingereicht im "Proseminar zur Einführung für Studienanfänger". Der Dozent habe die Hausarbeit anonymisiert als "Beispiel für eine gelungene Hausarbeit" online gestellt - mit einem deutlichen Vermerk auf den Urheberschutz.