Bundespräsident Christian Wulff hält im Schloss Bellevue seine Ansprache zu Weihnachten vor Menschen, die in Ehrenämtern arbeiten.

Berlin. Christian Wulff sitzt nicht. Nein, er steht. Bei der traditionellen Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten hat er als erster Amtsinhaber darauf verzichtet, vom Schreibtisch aus zu den Deutschen zu sprechen. Und noch mehr ist anders: Statt allein mit den Fernsehkameras zu sein, hat er sich Gäste ins Schloss Bellevue nach Berlin geholt. Soldaten, Geistliche, Pfadfinder, Sportler, Ordensschwestern und Ehrenamtliche - 190 von ihnen sind im großen Saal bei der Aufzeichnung dabei. Kinder sitzen auf dem Fußboden. Auch so etwas hat es noch nie gegeben. Eines ist jedoch gleich: Weihnachtsbaum und Bundesadler sind nach wie vor im Hintergrund zu sehen.

So etwas passt zu ihm. Irgendwie konservativ und irgendwie unkonventionell. Der Bundespräsident mit der tätowierten Ehefrau, der sein Amt mit einem Holperstart begonnen hatte. Auf seine erste Weihnachtsrede, das hatte Wulff gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft gesagt, hat er sich ganz besonders gefreut.

Passend zu seinen Gästen betont der Bundespräsident in seiner allerersten Weihnachtsrede die Bedeutung des Ehrenamtes: "Jeder muss spüren: Ich gehöre dazu, ich werde gebraucht", sagte er. "Zusammenhalt, Verständigung, Miteinanderauskommen: Das brauchen wir in unseren Familien, in unserem privaten Leben und in unserer Gesellschaft", betonte Wulff. "Unsere Gesellschaft lebt von denen, die sehen, wo sie gebraucht werden, die nicht dreimal überlegen, ob sie sich einsetzen und Verantwortung übernehmen." Und dazu gibt es noch eine Weisheit: "Wer sich so engagiert, bekommt viel zurück", sagt Wulff. "Ehrenamtliche leben übrigens auch länger." Der Staat könne Menschen in Not im Rahmen seiner Möglichkeiten zwar finanziell unterstützen, erklärt Wulff. "Aber jemandem Mut zusprechen, jemandem auf die Schulter klopfen, jemandem die Hand reichen: Dafür braucht es Menschen, für die Menschlichkeit wichtig ist."

Wie schon einmal bekennt sich der Bundespräsident auch in seiner Weihnachtsrede zur kulturellen Vielfalt in Deutschland. "Unsere Gesellschaft ist frei und bunt", sagt Wulff. "Damit eine Gesellschaft aus so vielfältigen Menschen Bestand hat, brauchen wir vor allen Dingen: Respekt. Respekt vor dem, der anders ist als man selbst. Und Anerkennung auch seiner Leistungen." Mit diesen Sätzen knüpft Wulff an seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit an, als er den Islam als Bestandteil der Bundesrepublik bezeichnete und damit eine heftige Debatte auslöste.

Nach dem überraschenden Rücktritt von Ex-Bundespräsident Horst Köhler war Wulff als Kandidat der schwarz-gelben Bundesregierung nominiert worden. Im dritten und letzten Wahlgang, nach einer mehr als neun Stunden dauernden Prozedur, wurde er am 30. Juni dieses Jahres zum Bundespräsidenten gewählt. Ein Stotter-Start, bei dem Nachwirkungen jedoch nicht zu spüren waren. "Aus Niederlagen habe ich eigentlich immer noch mehr gelernt als aus Siegen", hatte Wulff seinerzeit gesagt.

In seiner Ansprache legt der Bundespräsident auch ein Bekenntnis zu Europa ab. Ohne die Schuldenkrise in mehreren EU-Ländern direkt zu erwähnen, verlangte der Bundespräsident verantwortliches Handeln der Partner: "Wir zeigen Solidarität und sind bereit, auch künftig Verantwortung zu übernehmen - auch in Europa. Wir erwarten von unseren Partnern das Gleiche. Alle müssen ihre Hausaufgaben machen." Darüber hinaus werde die Bundesrepublik im Ausland "hoch geachtet", so Wulff. "Unsere freiheitliche und tolerante Gesellschaft, unsere Verlässlichkeit gegenüber großen und kleinen Ländern wird geschätzt." Das immer wieder zu erleben, sei für ihn eine "beglückende Erfahrung" seiner Begegnungen mit Gästen "hier und bei unseren Reisen ins Ausland".

Auch der geschmückte Weihnachtsbaum hinter Wulff findet schließlich Erwähnung. "Hier hängen Sterne, auf die Kinder ihre Wünsche geschrieben haben. Wissen Sie, was die meisten Kinder von ihren Eltern gern hätten? Mehr Zeit. Das wünschen sich meine Kinder übrigens auch", sagt der Bundespräsident. Auch seine Frau Bettina ist bei der Aufzeichnung anwesend. Die fünf Minuten und vierzig Sekunden lange Aufzeichnung wird am Sonnabend, den 25. Dezember, um 20.10 Uhr in der ARD ausgestrahlt.