Zum ersten Mal Gäste bei der Rede an die Nation in Schloss Bellevue. Wulffs Ansprache brauchte drei Anläufe – es gab extrem viele Hustenanfälle.

Berlin. Es ist ein kleines Weihnachtswunder. Jahrzehntelang haben deutsche Staatsoberhäupter die frohe Botschaft hinterm Schreibtisch verkündet. Bundespräsident Christian Wulff hält seine Weihnachtsansprache erstmals im Stehen. Und er hat dafür auch noch zahlreiche Gäste ins Berliner Schloss Bellevue gebeten: Soldaten, Geistliche, Kinder, Pfadfinder, Sportler, Ordensschwestern und Ehrenamtliche.

Es war Wulffs eigene Idee. Spontan bat der Bundespräsident seine Mitarbeiter Ende vergangener Woche darum, Leute einzuladen, „die für die 23 Millionen Engagierten stehen, die in ganz Deutschland aktiv sind“, wie aus dem Schloss Bellevue zu erfahren war. Über 200 Menschen wurden angerufen, immerhin 190 Gäste kamen am Dienstagabend zur Aufzeichnung, fast alle – des Winterwetters wegen – aus Berlin.

Wulff steht bei seiner Weihnachtsansprache im großen Saal des Schlosses vor einem Weihnachtsbaum und der Fahne mit dem Bundesadler. Die Kinder sitzen vor ihm auf dem Teppich. Die Erwachsenen haben sich im Kreis aufgebaut. Die meisten blicken etwas ehrfürchtig in die Kameras.

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„Sie haben sich in diesem Jahr für andere, mit anderen gemeinsam eingesetzt“, wendet sich der Bundespräsident direkt an seine Gäste. Es liege „an Ihnen und an vielen anderen, die so handeln wie Sie, dass unser Land zusammengehalten wird: von Solidarität und von dem gemeinsamen Füreinandereinstehen“. Der Katholik Wulff, der sich schon seit Amtsantritt auf seine erste Weihnachtsansprache freute, wählt besondere Worte der Ermutigung: „Wer sich so engagiert, bekommt viel zurück. Ehrenamtliche leben übrigens auch länger.“

Auch der Weihnachtsbaum hinter ihm findet Erwähnung. „Hier hängen Sterne, auf die Kinder ihre Wünsche geschrieben haben. Wissen Sie, was die meisten Kinder von Ihren Eltern gern hätten? Mehr Zeit. Das wünschen sich meine Kinder übrigens auch“, sagt der Bundespräsident. Wulffs Gattin Bettina steht freundlich lächelnd unter den Gästen, ihre beiden kleinen Kinder sind auch im Schloss.

Der „Zusammenhalt der Gesellschaft“ ist Wulff ein besonderes Anliegen. Die neue Form der TV-Ansprache an die Nation soll das verdeutlichen. Hinter den Kulissen kam dabei der Spaß nicht zu kurz. Die Aufzeichnung sei „eine muntere Veranstaltung“ gewesen, hieß es aus dem Bundespräsidialamt. „Es gab für die Gäste kein Drehbuch“. Die Kinder hätten sich „ganz selbstverständlich auf den Fußboden gesetzt“.

Im dritten Anlauf klappte die fünf Minuten und 40 Sekunden lange Aufzeichnung. Beim ersten Mal hatte es technische Probleme gegeben, bei der Wiederholung störten „extrem viele Hustenanfälle“ erkälteter Gäste. Dann war alles im Kasten. Die Kinder durften mit Wulff durchs Schloss tollen und sein Amtszimmer besichtigen. Für die Gäste war ein kleiner Empfang organisiert. Der Bundespräsident habe sich „unglaublich wohl gefühlt“, erzählen seine Mitarbeiter.

Seit 1950 hielt das deutsche Staatsoberhaupt zunächst die Rede zum neuen Jahr. Im Jahr 1970 wandte sich der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann erstmals mit der Weihnachtsansprache an das Volk. Seine Nachfolger setzten die Tradition fort, in unterschiedlichen Räumlichkeiten, aber allemal sitzend.

Zuletzt war das Vergnügen der Bundesbürger an der erbauenden Ansprache offenbar eher begrenzt. In einer Meinungsumfrage bekannten jüngst 79 Prozent der Befragten, sie hielten die jährliche Rede am Heiligen Abend für verzichtbar. Wulff, mit 51 Jahren der jüngste Bundespräsident aller Zeiten, entstaubte nun das Programm – ganz nach dem weihnachtlichen Motto: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit!“