Das Arbeitsministerium rechnet den Hartz-IV-Satz auf einen Stundenlohn um. Die Opposition fordert einen angemessenen Mindestlohn.

Berlin. Ein alleinstehender Vollzeitbeschäftigter müsste einen Stundenlohn von 7,21 Euro erhalten, um das gleiche Einkommen wie ein Hartz-IV-Bezieher mit dem geplanten Regelsatz von 364 Euro zu erzielen. Das geht aus einer Berechnung des Bundesarbeitsministeriums hervor, die dem Abendblatt vorliegt. In dem Papier heißt es, bei den Berechnungen werde davon ausgegangen, "dass der alleinstehende Erwachsene sozialversicherungspflichtig vollzeitbeschäftigt ist und Steuerklasse I besitzt". Als Kosten für Unterkunft und Heizung, auf die ein Hartz-IV-Empfänger Anspruch hat, würden monatlich 288 Euro unterstellt.

Konkret heißt es, der Alleinstehende werde - einschließlich der Freibeträge, die auf sein Einkommen gewährt werden - ab einem monatlichen Bruttoerwerbseinkommen von 1250 Euro von (aufstockenden) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unabhängig. Dies entspreche bei 40 Arbeitsstunden pro Woche einem Stundenlohn in Höhe von exakt 7,21 Euro.

Sollte der Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger eines Tages auf 420 Euro steigen, müsste ein voll Erwerbstätiger mindestens 1340 Euro im Monat - umgerechnet 7,73 Euro in der Stunde - verdienen. Bei einem Regelsatz von 500 Euro würde die sogenannte Bruttoentgeltschwelle auf 1500 Euro im Monat steigen. Das entspräche einem Stundenlohn von 8,65 Euro, so die Ministeriumsberechnung.

Die Opposition fordert angesichts der Berechnungen des Ministeriums erneut einen allgemeinen Mindestlohn. Ex-Arbeitsminister und SPD-Fraktionsvize Olaf Scholz sagte dem Abendblatt: "Die Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums zeigen unmissverständlich, dass ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn unverzichtbar ist, damit sich Leistung lohnt: Wer arbeitet, muss mehr haben als derjenige, der nicht erwerbstätig ist." Der Wettbewerb um Dumpinglöhne müsse ein Ende haben. Scholz schlug vor: "Der von den Gewerkschaften vorgeschlagene Betrag von 8,50 Euro pro Stunde ist deshalb sehr angemessen."

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann, rechnete vor, dass schon ein Mindestlohn von 7,21 Euro die 326 000 vollzeiterwerbstätigen Aufstocker vollständig aus dem Hartz-IV-Bezug befreien würde. "Die Zahlen sind Argument für einen gesetzlichen Mindestlohn", sagte Zimmermann dem Abendblatt. Die Linken-Politikerin hatte die Berechnungen aus dem Arbeitsministerium angefragt. Sie ist überzeugt: "Die Bundesarbeitsministerin will den Niedriglohnbeschäftigten nicht helfen." Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte erst vergangene Woche ihre Ablehnung gegenüber einem allgemeinen Mindestlohn bekräftigt.

Wer Hartz IV bekommt, darf derzeit von seinem Zuverdienst 100 Euro behalten. Was darüber liegt, wird zu 80 Prozent mit der staatlichen Unterstützung verrechnet. Eine Spitzenrunde der schwarz-gelben Regierungskoalition verständigte sich nun in der Nacht zum Freitag in Berlin auf neue Zuverdienstregeln.

Die Neuregelung kommt nur einer Mini-Reform gleich. Für Hartz-IV-Bezieher mit einem Monatseinkommen bis 800 Euro ändert sich nichts. Von jedem darüber hinaus hinzuverdienten Euro bis zu einer Grenze von 1000 Euro bleiben Hartz-IV-Beziehern künftig aber 20 statt bisher zehn Cent, das heißt von einem Zuverdienst zwischen 800 und 1000 Euro bleiben künftig bis zu 20 Euro mehr übrig als bislang.

Beschlossen werden soll die Neuregelung von einer Koalitionsrunde am 16. Oktober, sodass die Änderung rechtzeitig zum Kabinettsbeschluss über die Anhebung der Hartz-IV-Regelsätze am 20. Oktober in den Gesetzentwurf eingebaut werden kann.