Gutscheine, Wohnkosten etc.: Die Details und Rechenbeispiele für die höheren Regelsätze beim neuen Konzept für Hartz IV bei abendblatt.de.

Hamburg/Berlin. Fünf Euro mehr im Monat für Erwachsene. Das ist der Anstieg des Hartz-IV-Satzes, den die Bundesregierung beschlossen hat. Doch es geht um mehr: Bildung, Sachleistungen und anderes. Die Kinder-Regelsätze bleiben unverändert. Das Elterngeld wird gestrichen, Wohnkosten können künftig als Pauschale erstattet werden. Was bedeutet das für eine Familie im kommenden Jahr? Ein Beispiel:

Ein Paar mit einem Kind von acht Jahren: Die Erwachsenen erhalten ab Januar 2011 jeweils fünf Euro mehr, der eine 364 Euro pro Monat, der Partner 328 Euro. Das Kind erhält weiterhin 251 Euro. Die Zahlung für das Kind bleibt auch dann unverändert, wenn im Laufe des kommenden Jahres – im Juli – die Erwachsenen-Regelsätze aufgrund der Preis- und Lohnentwicklung angehoben werden sollten.

Rechnerisch müsste der Satz für das Kind sogar sinken , weil die Neuberechnung auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008 (EVS) ergeben hat, dass einem achtjährigen Kind ab 2011 nur noch 242 Euro zustehen. Die Bundesregierung will die gegenwärtige Höhe aber garantieren.

Das Kind bekommt zusätzlich aus dem Bildungspaket Gutscheine im Wert von zehn Euro pro Monat für Sport, Musik oder Freizeiten, also 120 Euro im Jahr. Zum 1. August erhält es 70 Euro für Schulsachen, zum zweiten Halbjahr (1. Februar 2012) weitere 30 Euro. Dieses Geld bekommt es bisher auch schon, allerdings als Einmalzahlung von 100 Euro zum Schuljahresanfang.

Bietet die Schule ein warmes Mittagessen an, an dem das Kind teilnehmen will, muss die Familie einen Euro selbst bezahlen, den Rest finanziert das Jobcenter. Für Wandertage in der Schule gibt es einen Gutschein von 30 Euro im Jahr. Geld für Klassenfahrten muss, wie bisher, extra beantragt werden. Braucht das Kind Nachhilfe, sollen Kosten übernommen werden, es ist aber unklar, in welcher Höhe.

Das Bildungspaket hat für ein Schulkind also mindestens einen Gegenwert von 250 Euro im Jahr, wovon es 100 Euro heute schon bekommt. Hinzu kommen Nachhilfe- und Essenskosten. Ein Kindergartenkind bekäme den Zuschuss zum Mittagessen und bei Bedarf 30 Euro im Jahr für Ausflüge mit dem Kindergarten. Für die Bildungsleistungen soll es zunächst eine Übergangszeit bis Ende April 2011 geben, in der noch Geld ausgezahlt wird. Später gibt es Gutscheine, Abrechnungen über das Jobcenter oder eine Bildungs-Chipkarte, von der die Leistungen abgebucht werden können.

Bekäme die Familie im Jahr 2011 ein weiteres Kind, stünde sie schlechter da als bisher. Das Elterngeld von 300 Euro im Monat wird ab Januar 2011 ersatzlos gestrichen. Für das Baby bekäme die Familie 215 Euro im Monat.

Je nachdem, wie und wo die Familie wohnt, können sich auch die Leistungen für die Wohnung und Heizung in den nächsten Jahren ändern. Das Gesetz eröffnet Städten und Landkreisen die Möglichkeit, per Satzung Mietobergrenzen zu bestimmen und die Wohnkosten pauschal zu erstatten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Pauschalen die tatsächlichen Wohnkosten der Hartz-IV-Empfänger nicht abdecken. Dann müsste die Familie die Differenz aus dem Regelsatz aufbringen. Fiele die Pauschale höher aus als die Warmmiete der Familie, könnte sie das überschüssige Geld behalten.

Hartz-IV-Empfänger erhalten neben den Regelsatz-Leistungen Ermäßigungen bei Gebühren. Das bleibt unverändert. Zu den Ermäßigungen zählen die Befreiung von den Rundfunkgebühren, verbilligte Eintritte etwa ins Schwimmbad, verbilligte Fahrkarten für den Nahverkehr sowie ein kostenloser Kindergartenplatz.

Internet, Praxisgebühr, Auto – was außerdem bei Hartz IV neu bewertet wird:

Internet und Praxisgebühr: Neu hinzugerechnet zum Existenzminimum für Erwachsene werden Kosten für das Internet und die Praxisgebühr. Im geplanten höheren Regelsatz von 364 Euro für die Lebenshaltungskosten eines Monats sind aber nicht die tatsächlichen Kosten berücksichtigt, sondern die durchschnittlichen Kosten aller Geringverdienerhaushalte – ob sie nun einen Internetzugang besitzen oder nicht. Für die Praxisgebühr sind 2,64 Euro im Monat im Regelsatz enthalten, für das Internet 2,28 Euro. Dass davon kein Internetanschluss zu finanzieren ist, weiß auch die Regierung. Für einen Geringverdienerhaushalt, der das Internet nutzt, hat das Statistische Bundesamt monatliche Ausgaben von gut 14 Euro ermittelt. Da aber die wenigsten im Internet surfen, ergeben sich im Durchschnitt aller Geringverdienerhaushalte 2,28 Euro. Auch 1,61 Euro für „außerschulischen Unterricht und Hobbykurse“ sind künftig im Regelsatz berücksichtigt.

Alkohol und Zigaretten: Nicht zum Existenzminimum gehören neuerdings Alkohol und Zigaretten. Sie waren zuletzt noch mit etwa 14 Euro im Regelsatz berücksichtigt worden. Um den Flüssigkeitsverlust zu ersetzen, der nach Einschätzung der Ministerialbeamten durch den Verzicht auf etwa zwölf Liter Bier entsteht, werden aber 2,99 Euro im Monat für Mineralwasser im Regelsatz hinzugerechnet.

Haustiere, Urlaub, Lotto: Das Geld für Futter für Haustiere, Schnittblumen und Zimmerpflanzen oder den Lotto-Einsatz müssen Hartz-IV-Empfänger an anderer Stelle einsparen – diese Ausgaben zählen ebenso wenig zum Existenzminimum wie Kosten einer chemischen Reinigung. Auch Ausgaben für Garten, Camping und Pauschalreisen gehören nicht dazu. Rundfunk- und TV-Gebühren werden auch nicht mitgezählt. Von deren Zahlung sind Hartz-IV-Bezieher generell befreit.

Auto und Verkehr: Ein Auto dürfen Hartz-IV-Bezieher zwar besitzen – für Benzin oder Diesel ist jedoch kein Cent vorgesehen. Wenn sie einen Pkw „für die Erwerbsarbeit benötigen, können diese Kosten als Werbungskosten vom anzurechnenden Einkommen“ abgezogen werden, heißt es im Gesetzentwurf. Ansonsten werde „bei hilfebedürftigen Personen von der Nutzung von Fahrrädern (...) sowie der Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (...) ausgegangen“. Dafür werden monatlich 22,78 Euro veranschlagt.

Restaurantbesuche und Sonstiges: Auch für Urlaube, Restaurantbesuche und Schmuck ist kein Geld vorgesehen. „Bei Besuchen von Verwandten wird von privaten und kostenlosen Übernachtungsmöglichkeiten ausgegangen“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Da Cafés oder Imbissbuden nicht zum Existenzminimum zählen, steigt der häusliche Verpflegungsbedarf um 7,16 Euro im Monat. Von den durchschnittlich 1,81 Euro, die ein Geringverdienerhaushalt im Monat für Schmuck und Uhren ausgibt, werden nur 59 Cent für Armbanduhren, Wecker und Batteriewechsel zum Existenzminimum gezählt – Küchenuhren bleiben außen vor.