Die Sozialdemokraten wollen die Reformen in im Bundesrat blockieren. Manuela Schwesig kritisiert Bildungszuschüsse als Mogelpaket.

Berlin. Hartz IV und kein Ende: Nur wenige Tage, nachdem die Pläne zur Reform von der Bundesregierung öffentlich präsentiert wurden, droht das Vorhaben von Union und FDP zu scheitern. Am Montag kündigte die SPD an, das Regelwerk in der jetzigen Form abzulehnen - sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag. Die stellvertretenden Parteivorsitzenden Hannelore Kraft und Manuela Schwesig betonten nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums, die Pläne würden den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtsurteils zu Hartz IV “in zentralen Punkten“ nicht gerecht. Im Gegensatz zum “Mogelpaket“ von der Bundessozialministerin wolle die SPD ein “echtes Bildungspaket“, das allen Kindern bessere Chancen und mehr Teilhabe einräume. Union und FDP sind auf die Zustimmung der Sozialdemokraten angewiesen, da sie in der Länderkammer keine eigene Mehrheit mehr haben. Das Bundessozialministerium von Ursula von der Leyen (CDU) wollte sich zunächst nicht äußern. Die SPD werde die “Spaltung von Kindern von Geringverdienern und von Kindern von Arbeitslosen nicht mitmachen“, sagte Schwesig. Ein “Bildungspakt von Bund, Ländern und Kommunen“ müsse “alle Kinder in den Blick nehmen“.

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Erforderlich seien zusätzliche Investitionen und mehr Personal für Ganztagskitas und -schulen, was auch Geringverdienern zugutekäme. Als Gegenfinanzierung schlug Schwesig einen Verzicht auf das geplante Betreuungsgeld, das ab 2013 für Zuhause versorgte Kleinkinder fließen soll. Dadurch könnten zwei Milliarden Euro frei werden, betonte Schwesig. Zudem verlangt die SPD einen Mindestlohn von 8,50 Euro, da sich Arbeit wieder lohnen müsse.

Die Regelsätze für erwachsene Hartz-IV-Empfänger sollen zum 1. Januar 2011 um fünf Euro auf 364 Euro monatlich steigen. Die Sätze für Kinder bleiben unverändert – nach Alter gestaffelt zwischen 215 und 287 Euro. Mit der Neuregelung wird auch ein Bildungspaket eingeführt. Darüber können die Langzeitarbeitslosen pro Jahr zusätzlich Leistungen von mindestens 250 Euro für ihre Kinder abrufen – also Gelder für Schulmaterialien, Ausflüge und Freizeitaktivitäten. Außerdem werden künftig Zuschüsse zum Mittagessen in der Schule oder Kita gezahlt.

Die neuen Regelsätze treten zu Jahresbeginn automatisch in Kraft, ebenso der Anspruch auf die Bildungszuschüsse. So hat es das Bundesverfassungsgericht angeordnet. Die restlichen Neuregelungen - etwa die konkrete Ausgestaltung des Bildungspakets oder die Klarstellung bei den Sanktionen – könnten dann gegebenenfalls auch im Laufe des kommenden Jahres rückwirkend zum 1. Januar beschlossen werden. Voraussetzung ist, dass bis dahin die Mehrheit im Bundesrat steht.

Erneut kritisierte Schwesig, dass das Arbeitsministerium die neuen Hartz-Regelsätze nicht transparent ermittelt habe. Insbesondere die Veränderung der Referenzgruppe von 20 Prozent der unteren Einkommen auf 15 Prozent werde den Anforderungen des Verfassungsgerichts nicht gerecht. Das Karlsruher Urteil biete eine “historische Chance“, dass Bund, Länder und Kommunen ein Gesamtpaket für Bildung und soziale Teilhabe auf den Weg brächten. Nun müsse sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Gesprächen mit den Ländern und der SPD dafür einsetzen, dass ein solcher Pakt zustande komme.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte ebenfalls, bei der Berechnung der Sätze werde “sehr stark der Eindruck erweckt, dass hier teilweise willkürlich auch Ausgabepositionen herausgenommen“ würden. Als Beispiel nannte sie die “chemische Reinigung, die ist plötzlich draußen“. Unklar sei auch, welche Referenzgruppe von denen, die im Niedriglohnbereich arbeiten, wirklich genommen wurde.

Der Chef der CDU-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern, Harry Glawe, sagte: „Niemandem ist geholfen, wenn die notwendige Reform der Hartz IV-Regelsätze und das zusätzliche Bildungspakt im Bundesrat blockiert werden.“ Deshalb erwarte er, dass es im Bundesrat bis zum Jahresende einen deutlichen Beschluss für die Reform gibt. Die Berechnungsgrundlage für die neuen Regelsätze liege offen. „Klar ist, dass Hartz IV nie als dauerhaftes Grundeinkommen gedacht war, sondern eine Überbrückungshilfe in Notsituationen darstellt“, räumte Glawe ein. Insgesamt stünden im Bundeshaushalt 50 Milliarden Euro bereit. In Mecklenburg-Vorpommern erhalten laut Glawe mehr als 219 000 Menschen Hartz IV.