Scharfe Kritik, aber Ministerin Ursula von der Leyen wehrt sich. Die Diskussion über Hartz IV und alle Details bei abendblatt.de.

Hamburg/Berlin. Der Sturmlauf für und gegen die Reform von Hartz IV hat begonnen. Der um fünf Euro ansteigende Regelsatz und die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuberechnung spaltet die Politik in Berlin und das Land: Ist das gerecht, ist das transparent – und hat es bei einer erneuten Klage in Karlsruhe Bestand. Auf abendblatt.de lesen Sie die wichtigsten Argumente der Befürworter und Kritiker sowie die geplanten neuen Regeln im Detail.

Im Hamburger Abendblatt kritisierte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als Anwalt der Arbeitnehmer und Arbeitslosen die von Ministerin Ursula von der Leyen (CDU) entworfene Reform besonders scharf. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte: „Die neuen Regelsätze sind das mit aller Gewalt heruntergerechnete Ergebnis politischer Mauschelei.“ Die Menschenwürde habe ihre Grenze nicht an der Kassenlage. Buntenbach sagte, das Bundesverfassungsgericht habe gerade für Kinder mit Nachdruck Verbesserungen gefordert – auch in der Höhe der Regelsätze.

„Wir fordern die Regierung dringend auf, in einem seriösen und transparenten Verfahren dafür Sorge zu tragen, dass das Existenzminimum nach Maßgabe der Menschenwürde ausgestaltet wird“, sagte sie. Die Bundesregierung solle eine unabhängige Sachverständigenkommission einsetzen, die dem Gesetzgeber Vorschläge unterbreite, verlangte.

Weitere Stimmen:

Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte in der ARD: Die Regelsätze orientierten sich an den kleinen Einkommen: „Das ist die Lebenswirklichkeit in unserem Land.“ Die Sätze seien vom Statistischen Bundesamt nachvollziehbar berechnet worden. Eine Verkäuferin könne auch nicht mehr ausgeben als einem Hartz-IV-Empfänger zustehe, so von der Leyen. Zu den Kinder-Regelsätzen, die nicht verändert werden sollen, sagte von der Leyen, sie sei selbst sprachlos gewesen, als sie erfahren habe, dass die Sätze rein rechnerisch sogar hätten sinken müssen. Sie bekräftigte ihre Überzeugung, dass den Kindern nur Sachleistungen für Bildung und Freizeit weiterhelfen: „Mehr Geld löst die Probleme der Kinder nicht.

Jürgen Trittin (Grüne) im Deutschlandfunk: „Fünf Euro mehr von einer Koalition, die in der Lage gewesen ist, mal eben eine Milliarde Hoteliers wie dem Herrn Mövenpick zuzuschieben – das ist soziale Kälte vom Schlimmsten.“ Trittin forderte eine deutlichere Erhöhung und gleichzeitig die Einführung eines Mindestlohns. Nur damit könne die Abwärtsspirale bei den Einkommen der Unterschicht gestoppt und der öffentliche Haushalt von Zusatzleistungen entlastet werden. „Mehr Sozialstaat ist die Antwort auf das Unterschichtsproblem in diesem Lande“, betonte Trittin.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe im Deutschlandfunk: Die rot-grüne Kritik sei verlogen, sagte Gröhe. Die jetzigen Sätze seien das Resultat der rot-grünen Regierung und von diesen Parteien bisher immer als ausreichend verteidigt worden.

CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt: Er forderte die SPD auf zu sagen, was den Langzeitarbeitslosen zusätzlich bezahlt werden solle. „Schnaps, Zigaretten, Flachbildschirme?“

Thüringens SPD-Landeschef Christoph Matschie im MDR: „Das, was jetzt auf dem Tisch liegt, das riecht nach einem politisch motivierten Ergebnis. Hier ist ein abgekartetes Spiel betrieben worden.“ Matschie glaubt, dass die Zahlen vor dem Bundesverfassungsgericht nicht standhalten.

Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in der „Süddeutschen Zeitung“: Die Bundesregierung habe mit einem statistischen Kniff gearbeitet. Man versuche, den Regelsatz von kinderlosen Erwachsenen zu drücken. Das sei eine üble Trickserei. Bisher richten sich die Hartz-IV-Regelsätze nach dem Ausgabeverhalten der unteren zwanzig Prozent der Haushalte auf der Einkommensskala. Der Wohlfahrtsverband kritisierte, der Entwurf des Bundesarbeitsministeriums weiche davon ab. Bei kinderlosen Erwachsenen solle künftig auf die Einkommen der untersten 15 Prozent auf der Einkommensskala geachtet werden. „Wer in der Einkommensstatistik weiter unten steht, kann natürlich weniger ausgeben“, erläuterte Schneider. Werde diese Gruppe zur Referenzgruppe der kinderlosen Erwachsenen gewählt, ergebe sich bei ihnen automatisch ein niedrigerer Hartz-IV-Satz.