Der CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt warnt vor “umständlichen Chipkarten“. Die Regierung berät über eine Hartz-IV-Reform.

Berlin. In der schwarz-gelben Koalition zeichnet sich neuer Streit um die künftigen Leistungen für Langzeitarbeitslose ab. Die CSU warnte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eindringlich davor, ihre Pläne für Bildungschipkarten umzusetzen. "Wir sollten eine saubere Neudefinition der Regelsätze hinbekommen", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dem Hamburger Abendblatt. "Den Bildungsbedarf für Kinder sollte man am besten direkt über Sachleistungen durch den Bildungsträger bereitstellen, ohne umständliche Chipkarten oder Gutscheine." Das verhindere Missbrauch und neue Bürokratieungetüme.

Der Gesetzgeber muss nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bis Jahresende die Berechnung der Hartz-IV-Leistungen auf eine neue Grundlage stellen. Die Karlsruher Richter verlangten in ihrer Entscheidung vom Februar auch, dass Bildungsausgaben für Kinder und Jugendliche stärker berücksichtigt werden.

Von der Leyen will die Hartz-IV-Reform an diesem Montag in die Ressortabstimmung geben - noch ohne konkrete Zahlen. Eine Woche später soll feststehen, ob die 6,8 Millionen Langzeitarbeitslosen in Deutschland künftig mehr Geld bekommen. Der Gesetzentwurf selbst soll am 20. Oktober vom Bundeskabinett verabschiedet werden.

Im Zentrum der Reform soll die Einführung von Bildungschipkarten für Kinder von Langzeitarbeitslosen stehen. Allerdings stößt von der Leyen auf erhebliche Terminprobleme, wie der "Spiegel" unter Berufung auf einen internen Vermerk aus dem Arbeitsministerium berichtet. Selbst die von der Ministerin für Mitte 2011 angekündigte "modellhafte Einführung" der Karte in ausgesuchten Regionen, zu denen auch Hamburg gehören soll, werde darin als "illusorisch" bezeichnet. Wegen des Vergaberechts und der notwendigen Ausschreibung seien längere Fristen einzuhalten.

Eine Sprecherin des Arbeitsministeriums räumte ein, dass die Einführung des Reformpakets zum 1. Januar 2011 "eine logistische Herausforderung" sei. Die Bildungschipkarte solle "im zweiten Halbjahr 2011" erprobt werden, sagte sie. Im neuen Gesetz werde es Übergangsregelungen geben, die sicherstellen, dass die Sachleistungen bei den Kindern ankommen.

Die SPD warnte die Koalition vor Tricks bei der Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze. "Die Bundesregierung sollte der Versuchung widerstehen, die Zahlen zu manipulieren, bis das Ergebnis politisch passt", sagte der stellvertretende Parteivorsitzende Olaf Scholz dem Abendblatt. "Die Höhe des Regelsatzes sollte strikt nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts festgesetzt werden. Grundlage muss die letzte Einkommens- und Verbraucherstichprobe sein." Manuela Schwesig, ebenfalls Vizevorsitzende der SPD, äußerte die Befürchtung, dass die Bundesregierung "den Regelsatz kleinrechnet, um Hartz IV nur nach Kassenlage zu gewähren". Sie gehe davon aus, dass die Regelsätze für Kinder steigen müssten, so Schwesig. "Allein schon weil der Grundbedarf durch die Preissteigerungen der letzten Jahre gestiegen ist."

Der Reform muss der Bundesrat zustimmen. Da Schwarz-Gelb dort nicht die notwendige Mehrheit hat, ist die Bundesregierung auf die Unterstützung der Sozialdemokraten angewiesen. Die SPD werde nur zustimmen, wenn der Regelsatz "wirklich transparent und nachvollziehbar berechnet ist", betonte Schwesig.

Die FDP verlangte unterdessen eine deutliche Absenkung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitslose. Erwerbslose über 50 Jahre sollten künftig maximal zwölf bis 18 Monate Arbeitslosengeld I beziehen, forderte Generalsekretär Christian Lindner in der "Bild"-Zeitung. Derzeit können dies maximal 24 Monate sein. Lindner zufolge kann eine Verkürzung rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr einsparen. Das Geld solle zugunsten besserer Hinzuverdienstmöglichkeiten von Langzeitarbeitslosen im Rahmen der Hartz-IV-Reform umgeschichtet werden. "Das von der Großen Koalition für Ältere auf bis zu 24 Monate veränderte Arbeitslosengeld I muss wieder auf den Stand von Rot-Grün verkürzt werden", forderte Lindner.

SPD-Vize Scholz kritisierte den Vorschlag des FDP-Generalsekretärs als "rundum unvernünftig". Am Arbeitsmarkt nütze eine Absenkung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I überhaupt nichts. Den Liberalen, so Scholz, fehle es an Respekt vor der Lebensleistung Älterer.