Verband warnt: Die Pläne zu Hartz IV sind verfassungswidrig. Löhne und Preise bestimmen künftig den Regelsatz. Was wird aus der Chipkarte?

Berlin. Der Regelsatz für Hartz IV wird im kommenden Jahr voraussichtlich erhöht und künftig jährlich steigen. Das geht aus dem Gesetzentwurf zu den neuen Berechnungsgrundlagen hervor, den das Bundesarbeitsministerium vorlegen wollte. Konkrete Zahlen sollen erst in einer Woche genannt werden, hieß es in Regierungskreisen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) besteht bei der Neureglung der Unterstützung für Kinder aus Hartz-IV-Familien nicht auf einer Bildungschipkarte . Gleichwohl will sie weiter bei Ländern und Kommunen für die von ihr favorisierte elektronische Abrechnung der geplanten Bildungshilfen für die Kinder von Langzeitarbeitslosen werben. Dies verlautete aus Regierungskreisen unter Hinweis auf die vom Verfassungsgericht verlangte Neuregelung der Hartz IV-Regelsätze.

Konkrete Angaben über die Höhe der künftigen Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger erhält der Gesetzentwurf noch nicht . Derzeit werden 359 Euro gezahlt, plus Kosten für Unterkunft und Heizung. Das Statistische Bundesamt rechne noch und ermittele die aktuellen Lebenshaltungskosten, heißt es. Anfang nächster Woche sollen die Zahlen dann im Gesetzentwurf nachgetragen werden. Die Spitzen von Union und FDP wollen sich am kommenden Sonntag in Berlin erneut zu einem Koalitionsausschuss treffen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Parteikreisen. Dabei wollen die Partei- und Fraktionsvorsitzenden voraussichtlich über die genaue Höhe der künftigen Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger beraten.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert die Vorschläge von der Leyens als nicht verfassungskonform. Die geplante jährliche Fortschreibung der Hartz-IV-Regelsätze in Anlehnung an die Nettolohnentwicklung sei sachfremd und deshalb verfassungswidrig. Darüber hinaus warnt der Verband vor einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes, wenn das geplante Bildungspaket ausschließlich Kindern aus Familien im SGB-II-Bezug zu Gute komme, während Kinder aus Geringverdienerfamilien leer ausgingen.

Das Verfassungsgericht hatte im Februar eine transparentere Neuberechnung der Regelsätze verlangt und zugleich den Bund verpflichtet, künftig den speziellen Bedarf der 1,7 Millionen Kinder aus diesen Familien zu berücksichtigen. Dabei geht es nicht nur um Ausgaben für notwendige Nachhilfe, sondern auch um die Kosten für gesellschaftliche Teilhabe, etwa beim gemeinsamen Essen in Kitas und Ganztagsschulen oder bei Klassenfahrten, sowie die Mitgliedschaft in Sportvereinen.

Dem Vernehmen nach will von der Leyen die Berechnung der Regelsätze für Erwachsene künftig auf zwei Komponenten stellen. Zu 70 Prozent soll das Preisniveau entscheidend sein, zu 30 Prozent die Lohnentwicklung. In dem statistischen „Warenkorb“ mit 240 Ausgabenpositionen sollen künftig unter anderem Kosten für den öffentlichen Nahverkehr stärker Berücksichtigung finden. Neu sind die Kosten für einen Internetanschluss. Der bisherige 15-prozentige Abschlag beim Strom für die separat zu erstattenden Heizkosten entfällt. Gestrichen in der Liste wurde der bislang vorhandene Posten „illegale Drogen und Glücksspiel“.

Beim Thema „Sanktionen“ gibt es eine Klarstellung. Sie sollen bei Regelverstößen der Hartz-IV-Empfänger nur noch dann verhängt werden können, wenn sie nicht länger als drei Monate zurückliegen. Am 20. Oktober soll das Kabinett die Hartz-IV-Reform beschließen.

Die FDP will mit der Neuberechnung der Regelsätze eine Erhöhung der Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Empfänger verknüpfen. Die Kosten sollen aus dem Arbeitsetat gegenfinanziert werden. Gegenwärtig seien die Regelungen nicht attraktiv. Wer 400 Euro dazuverdiene, könne nur 160 Euro behalten.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warf von der Leyen „Tatenlosigkeit“ vor. Weil sie die neuen Regelsätze immer noch nicht präsentiert habe, befördere sie „wirre Debatten“ in der FDP und Teilen der Union, sagte Nahles. Die Zuverdienstgrenzen hochzusetzen bedeute, dass die Politik einen „Staatslohn“ einführe, den Arbeitgeber nur noch durch Hungerlöhne ergänzen müssten, kritisierte Nahles. Dies schädige nicht nur die Steuerzahler, sondern auch Unternehmen, die anständige Löhne zahlen.