Kanzlerin Merkel macht nach Haftbefehlen der Schweiz gegen deutsche Fahnder Druck auf Opposition. Wer hinterzogen hat, muss nachzahlen.

Berlin. Nach den Schweizer Haftbefehlen gegen deutsche Steuerfahnder ist die Bundesregierung um Deeskalation bemüht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte die SPD auf, dem Steuerabkommen mit der Schweiz zuzustimmen und so den Streit zwischen beiden Ländern zu entschärfen. Mit der Unterschrift unter den bilateralen Vertrag würde die Strafverfolgung der drei Finanzbeamten aus Nordrhein-Westfalen durch die Schweiz beendet, sagte Merkels Sprecher. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warb um die Zustimmung der Opposition: Nach der Ratifizierung "werden alle Verfahren, die anhängig sind, eingestellt", sagte ein Sprecher des Ministers. In dem Abkommen ist Straffreiheit für deutsche Steuerfahnder festgeschrieben, die am Ankauf von Steuer-CDs beteiligt waren.

+++Wolfgang Schäuble - Der Schweiz-Versteher+++

+++Immer wieder brisante Daten auf CD+++

Geschickt nutzen Merkel und Schäuble die Verfahren der Schweizer Justiz gegen die drei deutschen Beamten, um Druck auf die Opposition aufzubauen. Die verweigert bislang ihre Zustimmung zu dem Abkommen, das die Besteuerung von Vermögen deutscher Staatsbürger in der Schweiz regeln soll. Die schwarz-gelbe Regierung ist im Bundesrat auf die Stimmen der Sozialdemokraten angewiesen. SPD und Grünen geht ein Teil der Regelungen nicht weit genug. Nach dem Haftbefehl gegen die drei Steuerfahnder setzt die Opposition allerdings - anders als Kanzlerin und Finanzminister das fordern - nun ganz auf Konfrontation.

"Skandalös und an Dreistigkeit kaum zu überbieten", nannte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin das Vorgehen der Schweizer Behörden. Das Land schütze Kriminelle und jage stattdessen Steuerfahnder. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Thomas Oppermann, forderte die Bundesregierung auf, gegen die Haftbefehle vorzugehen. Aus seiner Sicht müssten die drei Beamten von der deutschen Regierung für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen werden, sagte Oppermann.

+++Heftige Reaktionen nach Haftbefehl gegen Steuerfahnder+++

Eskaliert war der schwelende Steuerstreit zwischen den beiden Ländern, als am Wochenende bekannt geworden war, dass Schweizer Behörden Haftbefehle gegen die Beamten aus NRW wegen "Wirtschaftsspionage und Verstoß gegen das Bankgeheimnis" ausgestellt hatten. Die deutschen Steuerfahnder waren am Kauf einer CD mit Daten von Kunden einer Schweizer Bank im Jahr 2010 beteiligt. Am 20. März stellte die Schweizer Bundesanwaltschaft ein Rechtshilfeersuchen. Sie bitte darum, die drei Beamten zu den Vorwürfen zu vernehmen, sagte ein Sprecher der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft. "Wir sind seit 2010 der Auffassung, dass im Rahmen des Datenankaufs deutsche Strafgesetze nicht verletzt wurden. Daran hat sich nichts geändert." Die deutsche Justiz kann nur ermitteln, wenn ein Anfangsverdacht der Verletzung deutscher Strafgesetze vorliegt.

In der Bundesregierung gibt es offensichtlich noch keine gefestigte Haltung zu diesem einzigartigen Vorgang. Der Disput kommt überraschend. Denn das gemeinsame Steuerabkommen zwischen beiden Ländern, das Schäuble und seine Schweizer Kollegin Eveline Widmer-Schlumpf Ende September in Berlin schlossen, sollte den Steuerstreit eigentlich ein für alle Mal beilegen. Die beiden Finanzminister unterzeichneten den 63-seitigen Vertrag, der vor allem zwei zentrale Regeln enthält: Die erste betrifft das Altvermögen, das auf Schweizer Konten liegt. Ursprünglich sollte es mit 19 bis 34 Prozent nachbesteuert werden. Diese Sätze waren von der SPD als zu niedrig kritisiert worden. Schäubles Beamte haben nachverhandelt und erreicht, dass der Steuersatz nun auf bis zu 41 Prozent angehoben wird. Allerdings wird das Geld von den Schweizer Banken anonymisiert an den deutschen Fiskus überwiesen - was die Genossen weiterhin stört. Die SPD beklagt zudem, dass Steuersünder ihr Vermögen noch bis zum geplanten Inkrafttreten des Abkommens Anfang 2013 in andere Länder schaffen können, ohne dass die deutschen Steuerfahnder darüber informiert werden.

Die zweite Regelung betrifft zukünftige Kapitaleinkünfte von Deutschen in der Schweiz. Sie sollen wie in Deutschland mit 26,4 Prozent Abgeltungssteuer und Solidaritätszuschlag belastet werden. Deutsche Steuerfahnder, die in den Kauf von CDs involviert waren, sollen nach dem Abkommen straffrei bleiben.

Empfindlichkeiten bei diesem heiklen Thema herrschen, seit Schäubles Vorgänger Peer Steinbrück (SPD) die Schweizer mehrfach harsch angegangen ist. Halb scherzhaft drohte er mit der "Kavallerie aus Fort Yuma". Den Schweizern hatte es schon gereicht, dass sie im Steuerstreit mit den USA deren Druck nachgeben mussten. Das Ansinnen und Auftreten der Deutschen war ihnen dann zu viel. Erst der deutlich diplomatischere Schäuble brachte eine Einigung zustande.